Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zehnt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 841
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Zehnt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 841. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Zehnt (Version vom 23.10.2021)

[841] Zehnt (Zehent, Zehntrecht, Dezem, Decimae), die Abgabe eines bestimmten, ursprünglich und in der Regel des zehnten Teils der auf einem Grundstück gezogenen Naturalien oder von gewissen Erzeugnissen des Gewerbfleißes. Er ist teils durch die kirchliche Gesetzgebung, die auf Grund der mosaischen Bücher schon 585 zu Mâcon den Zehnten als Recht der Kirche beanspruchte, was dann Karl d. Gr. 779 bestätigte, teils auf privatrechtlichem Weg als eine Reallast (s. d.) entstanden, welche entweder in einer allgemeinen Zehntpflichtigkeit aller Güter eines Ortes, einer Mark etc. bestand, oder auf speziellem oder privatrechtlichem Erwerbstitel beruhte. Die Z. wurde teils mit Rücksicht auf seinen Ursprung, teils mit Rücksicht auf die zur Erhebung berechtigten Personen in geistlichen (decimae ecclesiasticae) und weltlichen Zehnten (decimae saeculares), ferner mit Rücksicht auf den Gegenstand in großen und kleinen Zehnten eingeteilt. Der geistliche oder Kirchenzehnt war zur Unterhaltung der Diener der Kirche bestimmt; der weltliche Z. erscheint als gewöhnliche, an eine weltliche Person, namentlich an den Gutsherrn (Zehntherrn), zu entrichtende Abgabe. Der große Z. ward auf alle Getreidearten, auch wohl auf alles, was Halm und Stengel treibt, daher auch auf Heu und Wein, der kleine Z. nur auf die andern Früchte, z. B. Gemüse, Baumfrüchte, Wurzelgewächse etc., bezogen. Man unterschied ferner Natural- (Garben-) und Sackzehnten, je nachdem die Früchte und Garben, so wie sie vom Feld weggebracht wurden, oder ausgedroschen und gemessen, in Körnern abgegeben werden mußten. Doch bezeichnet man mit Sackzehnt auch ein Surrogat des ursprünglichen Zehnten, namentlich ein Geldfixum. Blutzehnt (Fleischzehnt, Viehzehnt, Uchtpenning) nannte man einen abzugebenden Teil des in einer Haus- und Feldwirtschaft gewonnenen Jungviehs oder auch wohl dessen, was das Vieh an genießbaren Produkten lieferte, z. B. Milch, Eier etc.; Neubruch- oder Novalzehnt (Rottzehnt) denjenigen, der von bisher unkultiviertem, nun aber urbar gemachtem Boden gegeben wurde. Die moderne Agrargesetzgebung hat den Zehnten fast überall durch Ablösung (s. d.) beseitigt. Vgl. Birnbaum, Die rechtliche Natur des Zehnten (Bonn 1831).