MKL1888:Wohlthätigkeit
[715] Wohlthätigkeit, im objektiven Sinn die Gesamtheit der zur Linderung des Elends und der Not unter den Menschen getroffenen Veranstaltungen. Man unterscheidet zwischen Privatwohlthätigkeit, die von einzelnen Privaten oder Vereinigungen solcher ausgeht, und öffentlicher W., in die sich wieder der Staat und die Gemeinden (Provinzen) teilen. Der Armut gegenüber stellten alle Religionen die Mildthätigkeit als eine Tugend hin, aber erst in der christlichen Religion finden wir das Gefühl der Barmherzigkeit in der Brust des Menschen entwickelt und zur Handlung begeistert. Zugleich ist aber durch eine richtigere Lehre von den Wirtschaftsgesetzen und von dem gesellschaftlichen Wohl auch ein Bewußtsein der zu wählenden Mittel gegen die Armut erlangt worden. Über diejenigen Anstalten, welche direkt zur Abwendung oder Linderung von Armut und Elend dienen, vgl. Armenwesen. Es fallen aber unter den Begriff der Wohlthätigkeitsanstalten auch alle diejenigen Anstalten, welche der Besserung verwahrloster Personen, der Pflege Hilfloser, der unentgeltlichen Fortbildung und der Verschaffung von Arbeitsgelegenheit gewidmet sind. Das englische Recht besitzt mit Rücksicht auf die Interessen der wohlthätigen Stiftungen eine genaue, durch eine Parlamentsakte (43. Elisabeth c. 4) geschaffene Definition der W. Unzweifelhaft hat der Staat das Recht und die Aufgabe, wohlthätige Stiftungen zu überwachen. In einigen Ländern, wie in Massachusetts, besteht eine besondere Wohlthätigkeitsbehörde (Board of State Charities). Unter den vielen Schriften über den Gegenstand sind hervorzuheben: Degérando, De la bienfaisance publique (zuletzt, Par. 1849, 4 Bde.; deutsch von Busch, Stuttg. 1843); Martin-Doisy, Dictionnaire d’économie charitable, Bd. 4 (Par. 1856); Monnier, Histoire de l’assistance publique dans les temps anciens et modernes (3. Aufl., das. 1866); Emminghaus, Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in europäischen Staaten (Berl. 1870).