MKL1888:Wetzlar
[576] Wetzlar, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, am Einfluß der Dill in die Lahn, Knotenpunkt der Linien Deutz-Gießen und Frankfurt a. M.-Niederlahnstein-Lollar der Preußischen Staatsbahn, 145 m ü. M., hat eine merkwürdige, aus den verschiedensten Bauperioden (12.–15. Jahrh.) herrührende Stiftskirche, in welcher das Chor für den katholischen, das Schiff für den evangelischen Gottesdienst bestimmt ist, eine Synagoge, ein Gymnasium, ein [577] Amtsgericht, 3 Oberförstereien, ein Bergrevier, eine Reichsbanknebenstelle, Wollspinnerei, Handschuhfabrikation, Eisen- und Phosphorithütten, ein Walzwerk, 2 große optische Institute, Gerberei, Bierbrauerei,
Wappen von Wetzlar. | |
Eisenerzgruben, Garten- und Obstbau und (1885) 7844 meist evang. Einwohner. In der Nähe die Ruine Kalsmunt, der Rest eines mittelalterlichen Bauwerkes. Durch die Erlebnisse Goethes in W. („Wertherbrunnen“ vor dem Wildbacher Thor, Lottes Vaterhaus in der Pfaffengasse) und in den nahen Dörfern Garbenheim (Goethes Wahlheim) und Volpertshausen ward dessen „Werther“ hervorgerufen. – W. wurde im 12. Jahrh. freie Reichsstadt, kam später unter die Schutzvogtei von Nassau und 1636 unter die von Hessen-Darmstadt. 1689 wurde das Reichskammergericht (s. d.) von Speier hierher verlegt und blieb daselbst bis zur Auflösung des Deutschen Reichs 1806. Seiner Reichsfreiheit ging W. durch den Reichsdeputationshauptschluß verlustig, indem es dem Fürsten Dalberg zugewiesen wurde, der es zu einer Grafschaft erhob. 1810 kam es an das Großherzogtum Frankfurt und 1815 an die Krone Preußen. Am 15. Juni 1796 fand hier ein Gefecht zwischen den Österreichern und Sachsen unter Erzherzog Karl und den Franzosen unter Jourdan statt, dessen Ausgang den Rückzug der letztern bei Neuwied über den Rhein zur Folge hatte. Zum Andenken an diesen Sieg ward auf dem Schlachtfeld 1846 ein Monument errichtet. Vgl. Berr, W. und seine Umgebungen (Wetzlar 1882); Riemann, Beschreibung des Bergreviers W. (Bonn 1878).