Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wettersäulen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 980981
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Wettersäulen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 980–981. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wetters%C3%A4ulen (Version vom 21.03.2023)

[980] Wettersäulen. Der Gedanke, öffentliche Uhren und sonstige für jedermann wichtige Angaben, besonders Kennzeichnungen der jeweiligen und in nächster Zukunft zu erwartenden Wetterzustände an öffentlichen Ankündigungssäulen anzubringen, ist zuerst in den von Hamburg ausgegangenen meteorologischen Annoncen-Uhrensäulen in Europa verwirklicht worden, und zwar in vielen Städten Deutschlands und mit ansehnlichem pekuniären Erfolg, leider aber mit sehr unvollkommenen Leistungen in meteorologischer Hinsicht. Das Bedürfnis nach öffentlichen, zuverlässigen Zeitangaben und nach möglichster Zugänglichkeit meteorologischer Angaben wird überall anerkannt. Der gegenwärtige Zustand der öffentlichen Zeitangaben ist aber einer Vervollkommnung dringend bedürftig, und das von Zeitungen unabhängige meteorologische Nachrichtenwesen ist noch zu schaffen. Für die Zeitangaben ist eine nie versagende Basis durch das Telegraphen- und Telephonnetz geboten, und bei zweckentsprechender Einrichtung der Uhrenanlagen genügt es, das Leitungsnetz täglich für wenige Minuten in Anspruch zu nehmen, um das Problem der zentralen, d. h. in letzter Stelle von den Sternwarten ausgehenden Richtighaltung einer großen Anzahl von Uhren des ganzen Landes zu lösen. Die W., welche gleichzeitig für die Zeitangaben ausgenutzt werden können, sollen die jeweilige Temperatur, den Druck und die Feuchtigkeit der Luft für jedermann bequem ablesbar anzeigen und zugleich mannigfache meteorologische oder sonstige wissenschaftliche Belehrung bieten. Diese Aufgabe ist aber mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Die Säulen erweisen sich so ungünstig für die Aufstellung der Instrumente, daß deren Angaben, und zwar infolge der starken Erwärmung der Säulen durch die Sonne und der starken Abkühlung bei nächtlicher Ausstrahlung, stets mit großen Fehlern behaftet sind. Dies kann nur vermieden werden, wenn die Säulen mit einer Betriebskraft, einem starken Uhrwerk od. dgl., versehen werden, mittels welcher eine permanente und massenhafte Lufterneuerung um die Instrumente herum erzeugt wird, und wenn metallene, wenig Wärme absorbierende Schirme von geringster Masse zur Anwendung kommen. Wird hierdurch der richtige Gang der Instrumente verbürgt, dann kann man die W. mit Registrierapparaten versehen, welche fortlaufende selbstthätige Aufzeichnungen des Druckes, der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft liefern. Finden aber solche zuverlässig funktionierende W. in sehr vielen großen und kleinen Städten Aufstellung, so können dieselben nicht nur der Belehrung, sondern auch der meteorologischen Forschung und der gehörig begrenzten Voraussagung des Wetters sehr wesentliche Dienste leisten. Zur Regulierung des Zeitdienstes wird von einem Zentralpunkt aus jeden Tag in früher Morgenstunde in alle dort einmündenden elektrischen Leitungen ein Stromimpuls gesandt, der in allen Endpunkten dieser Linien die daselbst aufgestellten Uhren auf den Bruchteil einer Sekunde genau einstellt. Von allen diesen Punkten wird auf gleiche Weise selbstthätig wieder in alle von dort ausgehenden Linien ein Strom geschickt, der die an den Endpunkten dieser Linien befindlichen Uhren ebenfalls richtig stellt, und indem man dieses Spiel wiederholt, läßt sich den Ortsnormaluhren beliebig vieler Orte richtige Zeit mitteilen. Diese Signalgebung läßt sich völlig automatisch und bei Inanspruchnahme der einzelnen Telegraphenlinien auf den Bruchteil einer Sekunde genau, und zwar, ohne die Leitungen in ihrem eigentlichen Betriebe zu stören, bestens durchführen. Die richtig gestellten Ortsnormaluhren übermitteln unter Benutzung des Telephonnetzes die bis auf wenige Sekunden richtige Zeitangabe den bei allen Fernsprechteilnehmern aufgestellten Telephonuhren, u. von diesen werden wieder Gruppenbetriebsapparate in Thätigkeit gesetzt. Der Gruppenapparat gewährt auch demjenigen Teil des Publikums, der nicht zu den Fernsprechteilnehmern gehört, durch dünne, leicht und bequem zu legende Leitungen einen [981] Anschluß für die Richtigstellung seiner Uhren. Stündlich setzt die Telephonuhr den Gruppenapparat in Bewegung, und dieser erzeugt unter Benutzung der Wasserleitung in dem Leitungsnetz eine Luftverdünnung, welche alle Anschlußuhren richtig stellt und aufzieht. Letzteres geschieht auch von den Telephonuhren aus bei den Uhren der W. Stellt sich aber bei diesen ein mehr als zulässiger Fehler ein, so verhüllt sich, damit das Publikum nicht irregeführt wird, das Zifferblatt, und gleichzeitig wird nach der Zentralstation ein den Unfall anzeigendes Zeichen behufs Abstellung des Übelstandes gegeben. Die Einrichtung eines solchen Zeit- und Wetterdienstes durch die Gemeinden stößt der Kosten halber auf Schwierigkeiten, dieselbe ist aber unter der wissenschaftlichen und statistischen Oberleitung der „Urania“ in Berlin durch eine Gesellschaft ins Leben gerufen worden, welche die Säulen gleichzeitig für merkantile Ankündigungen ausnutzen und dem Unternehmen dadurch eine gesicherte geschäftliche Grundlage geben will. Mit Bezug auf diese Verbindung werden die Säulen Uraniasäulen genannt.