MKL1888:Wellenberuhigung durch Öl

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wellenberuhigung durch Öl“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Wellenberuhigung durch Öl“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 17 (Supplement, 1890), Seite 825
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Wellenberuhigung durch Öl. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 825. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wellenberuhigung_durch_%C3%96l (Version vom 16.04.2023)

[825]  Wellenberuhigung durch Öl. Schon den Alten war es bekannt, daß die Wellen des stürmischen Meers durch etwas auf die Oberfläche gegossenes Öl alsbald geglättet werden, und die Taucher der Mittelmeerküsten, welche nach Korallen oder Schwämmen suchen, bedienen sich seit alten Zeiten einer kleinen Menge in den Mund mitgenommenen Olivenöls, um die Wasseroberfläche im gegebenen Moment des bessern Sehens halber zu glätten. Auch in Nordeuropa war das Verfahren nicht gänzlich unbekannt, denn Beda in seiner Kirchengeschichte erzählt, wieder heil. Aidan einem englischen Seefahrer ein Fläschchen geweihten Öls mit der Weisung mitgegeben, es in der höchsten Sturmesnot auf die Oberfläche des aufgeregten Meers zu gießen, um es zu beruhigen. Die Sache war fast in Vergessenheit geraten, obwohl Franklin 1772 den guten Erfolg mehreren Personen gezeigt hatte. In neuerer Zeit hat sich indessen William Shields das Verdienst erworben, das Verführen in größerm Maßstab zu erproben, indem er seit 1881 Versuche in dem Hafen von Peterhead (Schottland), der bei schlechtem Wetter fast unnahbar ist, anstellte. Er ließ auf dem Meeresgrund ein System metallener Röhren mit brausenartigen Öffnungen legen, um mittels einer an der Küste aufgestellten Druckpumpe in der Gegend der stets mit den bösesten Wogen bedeckten Hafenbarre (180 m vom Ufer) beliebige Ölmengen auszupumpen. Der Erfolg war, daß nach halbstündigem Pumpen die Oberfläche auch bei der stärksten Brandung so weit beruhigt war, daß selbst die kleinsten Barken ohne Gefahr einlaufen konnten. Shields empfahl deshalb allen in ähnlicher Lage befindlichen Häfen statt kostspieliger Bauten die Anlage eines solchen Apparats, dessen Kosten kaum 10,000 Mk. überstiegen. In der That wurden 1882 zu Aberdeen Versuche mit gleich glücklichem Erfolg angestellt, aber in der Folge zeigte sich, daß man mit viel geringern, von den Schiffen selbst ausgeschütteten Ölmassen ähnliche Erfolge erreichen könne. Im J. 1884 veröffentlichte das englische Admiralitätsamt einen Bericht über die zweckmäßigste Verwendung des Öls in Sturmesgefahr, aus dem hervorgeht, daß das Öl auf offener, tiefer See noch kräftiger als in der Brandung wirkt, daß die schwersten und dicksten Öle, wie z. B. Fisch- und Seehundsthran, am besten sind, solange das Wasser nicht so kalt ist, daß das Öl zu erstarren beginnt, daß man in diesem Fall rohes Petroleum anwenden kann, obwohl es viel weniger wirksam ist als fettes Öl: raffiniertes Petroleum erweist sich als fast wirkungslos. Die Ausgießung geschieht am besten mittels eines 1–2 Gallons Öl fassenden Hanfsackes, der auf der Windseite ins Wasser gehängt wird, bei stärkerm Sturm kann das Ausfließen durch einige Nadelstiche beschleunigt werden. Über die Ursache der eigentümlichen Wirkung sind eine Menge Vermutungen aufgestellt worden, schon seit den Tagen des Aristoteles, der von den mit Öl eingeriebenen Ringkämpfern, die dadurch schwerer packbar wurden, die Ansicht ableitete, der Wind gleite von dem schlüpfrigen Öl gleichsam ab. Neuere Physiker suchten die Wirkung in dem dünnen Ölhäutchen, welches sich schnell über die Wasseroberfläche verbreitet und von dem Wind verschoben würde, ohne daß die von ihm ausgeübte Kraft auf das Wasser voll übergehen könne. Diese Schicht wirkt nach den Untersuchungen des belgischen Physikers van der Mensbrugghe (1887) noch bei einer Dicke von 1/90,000 mm, weshalb in den Häfen, wo man die Dorschlebern ausnimmt, die geringen Ölmengen, welche dabei ins Meer gelangen, genügen, das Wasser glatt zu erhalten. Übrigens sucht dieser Physiker die Ursache in dem beständigen Auftrieb der durch die Bewegung in die Tiefe gerissenen Ölteile, welche der horizontalen Bewegung der Wellenteile entgegenarbeiteten. Daher wirkten auf das Wasser geschüttete leichte Körper, wie z. B. Sägespäne, ganz ähnlich wellenbrechend wie Öl, und selbst ein heftiger Platzregen beruhige wegen des Herabsinkens und Wiederaufsteigens der Süßwassertropfen den Wogengang merklich. Vgl. van der Mensbrugghe, Sur les moyens proposés pour calmer les vogues de la mer (Brüssel 1882); Rottok, Beruhigung der Wellen durch Öl (Berl. 1888).