Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Waffentanz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 315316
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Waffentanz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 315–316. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Waffentanz (Version vom 19.10.2024)

[315] Waffentanz, ein im Altertum namentlich bei den Griechen und Römern beliebter und an den großen öffentlichen Festen, bei Siegesfeiern etc. von bewaffneten Männern, im Mars-, Minerva- und Dianenkult auch von Priestern und Priesterinnen aufgeführter Tanz, meist ein mimisch-kriegerisches, in rhythmischen Bewegungen vor sich gehendes Kampfspiel darstellend, wobei altertümliche Ideen von der Abwehr des durch Dämonen über das Land gebrachten Unheils vorwalteten. Am berühmtesten war die Pyrrhiche, als deren Erfinder die Kureten galten. Bei den Römern finden wir die Waffentänze der Salier, die bei den circensischen Spielen zur Aufführung kamen. Bei den Germanen wurden zu Ehren des Schlachtengottes Tyr (s. d.) und auch sonst in Verbindung mit Opferfesten und Aufzügen Schwerttänze aufgeführt, die Tacitus beschrieben hat. Im Mittelalter besaßen an vielen Orten die Messer- und Waffenschmiede das Vorrecht, in der Karnevalszeit einen öffentlichen Schwertertanz veranstalten zu dürfen. Im Departement Niederalpen wird noch heute ein altertümlicher W. am Rochusfest, Bachuber genannt (also wohl zur Vertreibung der Pestdämonen), aufgeführt, wobei die Weiber in der Mitte stehen und einen alten Gesang anstimmen, während die jungen Leute ihre altertümlichen, in der Kirche bewahrten Schwerter bald schirmend gegen die Mitte ihres Kreises halten, bald laut aneinander schlagen. Auch in Deutschland ist hier und da der Schwertertanz (Eifelgebirge) um Weihnachten und Ostern im Schwange (vgl. Müllenhoff, Über den Schwerttanz, Berl. 1871), und im Norden Englands herrscht zur Weihnachtszeit der Gebrauch, daß Gesellschaften von 15 Personen, mit Schwertern in den Händen, eine Art Spiel und Tanz mit Gesang und Musikbegleitung aufführen. Vgl. Dixon, Ancient poems, ballads and songs of the peasantry of England (2. Aufl., Lond. 1861). Bei einer großen Zahl von Naturvölkern findet man ähnliche Tänze: bei den Australiern zünden die Weiber dazu nachts ein Feuer an, setzen sich in einiger Entfernung auf den Boden, trommeln auf ein über das Knie gelegtes Opossumfell und singen dazu eintönige Weisen; dann erscheinen die Tänzer mit Speeren und Feuerbränden in den Händen, und unter wildem Geheul, wobei die Speere gewaltig aneinander geschlagen und die Fackeln hin- und hergeschwungen werden, geht allmählich der Tanz in ein tolles Rennen und Jagen im Kreis über. Auf Neuseeland führten die Maori, bevor es zur Schlacht [316] kam, einen ungemein wilden Tanz auf, wozu man besondere Lieder sang. Auf den Antillen (auf Jaragua) wurden schon die spanischen Entdecker mit Tänzen und Waffenspielen empfangen. In Südamerika haben die Passe einen Tanz (Ur-u-kapy), welcher nur von bewaffneten Männern ausgeführt wird, ebenso die Uaupe. Eine noch größere Rolle spielt der W. bei den Indianern Nordamerikas. Wer unter ihnen einen Kriegsgesang anstimmt, den Kriegstanz ausführt und eine Gefolgschaft zusammenbringt, ist Anführer; dagegen wird bei ihnen der „Skalptanz“, eine hohe religiöse Zeremonie, gleichsam als Siegesfeier nach gewonnener Schlacht, nur von Frauen ausgeführt. Auch die Ostjaken in Asien ehren ihren Gott Yelan durch heilige Schwerttänze.