Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Würzburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 784786
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Würzburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 784–786. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:W%C3%BCrzburg (Version vom 21.04.2023)

[784] Würzburg, ehemaliges reichsfreies Bistum in Franken, umfaßte einen Flächenraum von 4790 qkm (87 QM.) an den Flüssen Main, Saale, Tauber und Jagst und zählte 250,000 Einw. Sein Sprengel erstreckte sich vom Kocher bis zum Thüringer Wald, von der Werra bis zur Regnitz. Der Bischof war Suffragan von Mainz und hatte auf dem Reichstag auf der geistlichen Bank die fünfte Stelle, bei den fränkischen Kreistagen aber die erste Stimme. Das Bistum wurde 741 von Bonifacius gestiftet, der erste Bischof war St. Burkhard. Als Schutzpatron galt der heil. Kilian, der nach der Legende in W. 689 den Märtyrertod erlitten haben soll. Die Bischöfe erwarben im 10. und 11. Jahrh. die meisten Grafschaften innerhalb ihres Sprengels und die Gerichtsbarkeit über alle Hintersassen. Daraus entwickelte sich die herzogliche Gewalt in Ostfranken, deren hauptsächlichste Befugnisse seit dem 12. Jahrh. die Bischöfe von W. in Anspruch nahmen (s. Franken); jedoch ward der volle Titel: „Herzog von Franken“ erst im 15. Jahrh. üblich. In den folgenden Jahrhunderten kamen wiederholt Streitigkeiten mit den Städten des Stifts, vornehmlich mit W. selbst, vor, so unter Hermann von Lobdenburg (1225–54) und Gerhard von Schwarzburg (1372–1400). Albrecht II. von Hohenlohe (1345–72) erwarb 1354 die Burggrafschaft W., welche bisher die Grafen von Henneberg besessen hatten. Die Regierungszeit des Bischofs Melchior Zobel von Guttenberg (1544–58) ist durch die Grumbachschen Händel bekannt (s. Grumbach). Johann Gottfried von Aschhausen (1617–22) und Philipp Adolf von Ehrenberg (1622–31) waren heftige Gegner der Protestanten; deshalb hatte das Bistum im Dreißigjährigen Krieg viel zu leiden. Der schwedische Kanzler Oxenstierna gab 20. Juni 1633 dem Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar die Bistümer W. und Bamberg als Herzogtum Franken zu Lehen; doch konnte sich dieser nach der Niederlage bei Nördlingen nicht darin behaupten, und W. fiel 1634 wieder dem Bischof Franz von Hatzfeld zu. Dieser verwaltete, wie mehrere seiner Nachfolger, zugleich das Bistum Bamberg. Vortrefflich war die Regierung des Bischofs Franz Ludwig von Erthal (1779–95). Mit Georg Karl, Freiherrn von Fechenbach, schließt die Reihe der Würzburger Bischöfe. Infolge des Lüneviller Friedens wurde auch das Bistum W. säkularisiert und durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 dem Kurfürstentum Bayern als ein weltliches Erbfürstentum überlassen, mit Ausnahme von etwa 826 qkm (15 QM.), die andern Fürsten als Entschädigung zugewiesen wurden. Der Fürstbischof erhielt eine jährliche Pension von 60,000 Guld. und überdies 30,000 Guld. als Koadjutor des Bischofs von Bamberg. Bayern trat im Frieden zu Preßburg gegen Entschädigung das Fürstentum W. 1805 an den ehemaligen Großherzog Ferdinand von Toscana ab, der das ihm 1803 zur Entschädigung überlassene Kurfürstentum Salzburg an Österreich übertrug, wogegen nun W. zum Kurfürstentum erhoben wurde. Am 30. Sept. 1806 trat der Kurfürst [785] Ferdinand dem Rheinbund bei und nahm nun den Titel Großherzog von W. an. Mit der Auflösung des Rheinbundes endigte auch das Großherzogtum W. Durch Beschluß des Wiener Kongresses erhielt der Großherzog seinen Erbstaat Toscana, W. aber fiel größtenteils an Bayern zurück. Gegenwärtig bildet es einen Teil des Regierungsbezirks Unterfranken. Kleinere Teile davon kamen an Württemberg und Baden. 1817 wurde das Bistum in W. erneuert und dem Erzbischof von Bamberg unterstellt. Vgl. Eckhart, Commentarii de rebus Franciae orientalis et episcopatus Wirceburgensis (Würzb. 1729, 2 Bde.); Schöpf, Historisch-statistische Beschreibung des Hochstifts W. (Hildburghausen 1802); Clarmann, Geschichte des Stifts W. (Nürnb. 1803); Henner, Die herzogliche Gewalt der Bischöfe von W. (Würzb. 1874); Link, Klosterbuch der Diözese W. (das. 1873–76, 2 Bde.).

Würzburg (Wirceburgum, Herbipolis), Hauptstadt des ehemaligen Fürstbistums W., jetzt unmittelbare Stadt und Hauptstadt des bayr. Regierungsbezirks Unterfranken, liegt in reizender Gegend zu

Wappen von Würz­burg.

beiden Seiten des Mains, über den hier eine ältere, 198 m lange und eine neue (Luitpold-) Brücke führen, während eine dritte an der Südseite der Stadt bereits projektiert ist, im Knotenpunkt der Linien Treuchtlingen-Aschaffenburg. Bamberg-W. und Passau-W. der Bayrischen sowie Heidelberg-Eberbach-W. der Badischen Staatsbahn, 181 m ü. M. Die Stadt galt bis 1866 als Festung. Der Hauptteil dieser, der Marien- oder Frauenberg, liegt am linken Mainufer auf dem 265 m hohen Leistenberg u. war bis 1720 Sitz der Bischöfe. Die mit einem vollständigen Ring von prächtigen öffentlichen Anlagen sowie einer Ringstraße und dem Mainkai umschlossene Stadt ist im Innern unregelmäßig gebaut. Unter den 33 Kirchen ist die Domkirche (862 gegründet, 1042 neu erbaut) mit der prachtvollen Schönbornschen Kapelle und vielen Denkmälern von Bischöfen die hervorragendste. Die Haugerstiftskirche, ein stolzer Bau im Stil der italienischen Renaissance, mit Doppeltürmen und hoher Kuppel, ward 1670–91 erbaut und neuerlich geschmackvoll restauriert. Die ursprünglich romanische Neumünsterkirche (von 1000?) bewahrt in der Krypte die Gebeine des heil. Kilian. Ferner sind zu nennen: die Universitätskirche mit der Sternwarte (auf dem Turm), die Deutschhauskirche und die Marienkapelle, zwei der schönsten Denkmäler altdeutscher Baukunst, letztere mit 14 Statuen von Tilman Riemenschneider aus dem 15. Jahrh., und die Kirche auf der Feste, die älteste in Franken. Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden zeichnen sich aus das durch Balthasar Neumann von 1720 bis 1744 erbaute königliche Residenzschloß (früher Residenz der Fürstbischöfe, dann des Großherzogs), eins der schönsten Fürstenschlösser, mit dem Kaiser- und dem Spiegelsaal, letzterer mit Gemälden auf Spiegelglas, und herrlichem Garten; das große, reiche und trefflich eingerichtete Juliushospital, an welchem sich gleichfalls ein großer, schöner Garten mit einer prächtigen Brunnengruppe befindet; das Gebäude der Universität, das Anatomiegebäude, das Rathaus, das Regierungsgebäude, das Theater, das Zucht- und Arbeitshaus, der Zentralbahnhof etc. Projektiert ist (1888) ein großartiges Justizgebäude an der Südseite der Stadt. Vor dem Juliushospital steht die Statue des Fürstbischofs Julius (von Widnmann, von Miller in Erz gegossen); ein Denkmal zur Erinnerung an Walther von der Vogelweide (von Halbig, seit 1843) befindet sich in einer Nische der Neumünsterkirche, in deren Kreuzgang der Dichter 1230 begraben ward; ein Denkmal ist vor der Ludwigshalle dem Bürgermeister v. Zürn errichtet worden, während an der Südseite der Stadt, in der Ottostraße, sich ein Denkmal des Japanreisenden Professor v. Siebold befindet.

Die Bevölkerung beläuft sich (1885) mit der Garnison (ein Infanteriereg. Nr. 9, 2 Abtlgn. Feldartillerie Nr. 2 und ein Trainbat. Nr. 2) auf 55,010 Seelen (gegen 26,814 im J. 1840), darunter 42,882 Katholiken, 9641 Evangelische und 2387 Juden. Die Industrie besteht in Fabrikation von Tabak, Möbeln, Maschinen, chirurgischen, mathematischen und musikalischen Instrumenten, Kunstwolle, Eisenbahnwagen, Baumaterialien, Spielkarten, Goldleisten, Vaselin, Lampen, Metallwaren, Essig, Likör, Malz, Schokolade, Schaumwein etc., in Bierbrauerei, Eisengießerei und Ziegelbrennerei. Großartig sind die in dem ehemaligen Cistercienserkloster Oberzell (s. d.) von König und Bauer gegründeten Etablissements zur Herstellung von Schnellpressen. Außerdem sind noch zu nennen: Schiffbau, Kunst- und Dampfsägemühlen, Obst-, Getreide-, Gemüse-, vor allem aber Weinbau. In der ganzen Umgebung der Stadt liegen zahlreiche Weinberge (ca. 1200 Hektar), welche in guten Jahren einen Ertrag von 5 Mill. Mk. liefern. An dem südlichen Abhang des Frauenbergs, der sogen. Leiste, wächst der berühmte Leistenwein, an dem nach Veitshöchheim a. M. sich hinziehenden Steinberg der Steinwein (s. Frankenweine). Der Handel, unterstützt durch die Handels- und Gewerbekammer von Unterfranken, durch einen Handelsverein, eine Reichsbanknebenstelle, die königliche Filialbank, Bayrische Notenbank, Würzburger Volksbank und zahlreiche andre Bankgeschäfte sowie durch das Eisenbahnnetz und die Mainschiffahrt, für welche W. einen Hafen besitzt, ist besonders bedeutend in Wein, Holz und Kohlen; auch hat W. drei Messen, einen Wollmarkt, eine Getreideschranne, Viktualien- und Viehmärkte. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine Pferdeeisenbahn.

Unter den Bildungsanstalten ist zunächst die Universität zu nennen. Dieselbe wurde 1403 vom Bischof Johann von Egloffstein gegründet, ging aber bald wieder ein. Erst 1582 gründete der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn eine neue Hochschule, welche seit der Vereinigung Würzburgs mit Bayern den Namen Julius Maximilians-Universität erhielt. Zur Beförderung der von jeher rührig betriebenen medizinischen Studien dient vornehmlich das Juliushospital, mit welchem ein Entbindungshaus und ein Krankenhaus für Epileptische sowie eine Augenheilanstalt (v. Welzsche Marienstiftung) und ein hygieinisches Institut in Verbindung stehen. Die Bibliothek enthält über 100,000 Bände (meist aus alten Klöstern). Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1889 auf 1588 (worunter beinahe die Hälfte Mediziner). Ferner hat W. 2 Gymnasien, ein Realgymnasium, eine Kreisrealschule, ein Priester-, ein bischöfliches Knaben- und ein Schullehrerseminar, Lateinschulen, Schulen des Polytechnischen Vereins, eine Landwirtschaftsschule, eine jüdische Lehrerbildungsanstalt, eine Musik-, eine Obst- und eine Weinbauschule, eine Taubstummen- und eine Blindenanstalt, eine Hebammenschule etc. sowie die Wegnersche Kunstsammlung der Universität, eine [786] städtische Gemälde- und Münzsammlung und ein Theater. Unter den Vereinen sind eine Physikalisch-medizinische Gesellschaft, eine Gesellschaft zur Beförderung und Vervollkommnung der Künste und Gewerbe, ein Historischer Verein für den Regierungsbezirk Unterfranken und ein Weinbauverein nennenswert. An Wohlthätigkeits- und andern Anstalten besitzt W. außer dem Juliushospital, welches 500 Kranke aufnimmt, mehrere Spitäler (darunter das Josephshospital für weibliche Dienstboten), ein Waisenhaus, eine Irrenanstalt, ein Siechenhaus, ein Stadtarmeninstitut, 9 Klöster, eine Diakonissenanstalt, ein Zuchthaus etc. Die städtischen Behörden zählen 19 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete. Die Stadt ist Sitz der Regierung für Unterfranken, eines Landrats, eines Bezirksamts, eines Landgerichts, eines Oberpost- und eines Oberbahnamts, ferner eines Bischofs und eines bischöflichen Konsistoriums und eines Distrikts-Rabbinats. Von militärischen Behörden befinden sich dort das Generalkommando des 2. bayrischen Armeekorps, der 4. Division, der 7. Infanterie- und der 2. Feldartilleriebrigade. In der Nähe von W. liegt der Nikolausberg mit der Wallfahrtskirche Käppele und reizender Aussicht. Der lateinische Name Herbipolis („Kräuterstadt“) wurde der Stadt im 12. Jahrh. beigelegt. Zum Landgerichtsbezirk W. gehören die zwölf Amtsgerichte zu Arnstein, Aub, Brückenau, Dettelbach, Gemünden, Karlstadt, Kitzingen, Marktbreit, Ochsenfurt, Wiesenthal und W. I und II.

W. ist schon im 7. Jahrh. entstanden, ward 741 Bischofsitz und unter Karl d. Gr. königliche Pfalz. Später ward es eine bischöfliche Stadt. Unter Kaiser Heinrich IV. nahm diese die Partei des Königs, vertrieb den Bischof, wurde 1086 von dem Gegenkönig Hermann und mehreren bayrischen Großen belagert, nach der Niederlage bei Bleichfeld eingenommen, aber von Heinrich bald wieder entsetzt. Unter den Reichstagen, die in W. abgehalten, sind die wichtigsten der von 1180, auf welchem Heinrich der Löwe geächtet wurde, und der von 1209, welcher mit der Verlobung Ottos IV. und der Tochter Philipps, Beatrix, dem Reich einstweilen den Frieden brachte. Am 7. Mai 1525 wurde die Stadt von den aufständischen Bauern unter Götz v. Berlichingen eingenommen; doch die Feste Marienberg leistete energischen Widerstand, und schon 7. Juni mußte sich die Stadt dem vereinigten Heer des Schwäbischen Bundes, von Pfalz und Trier ergeben. 1558 ward sie von Wilhelm v. Grumbach überrumpelt, 18. Okt. 1631 von Gustav Adolf besetzt. Am 3. Sept. 1796 erfochten hier die Österreicher unter Erzherzog Karl einen Sieg über die Franzosen unter Jourdan. 1803 fiel W. an Bayern, 1805 an den Erzherzog Ferdinand, 1815 an Bayern zurück. Vom 23. Okt. bis Ende November 1848 tagte hier eine Versammlung der deutschen Bischöfe, welche in einer Denkschrift (29. Nov.) die Trennung von Staat und Kirche verwarfen, für letztere aber volle Selbständigkeit verlangten. Vom 23. bis 27. Nov. 1859 fand hier die unter dem Namen Würzburger Konferenzen bekannte Zusammenkunft der Minister und Bevollmächtigten der deutschen Mittel- und Kleinstaaten behufs engern Zusammenwirkens in Bundesangelegenheiten statt, die jedoch ebensowenig zu einem Resultat führte wie die von ebendiesen 18. und 19. Febr. 1864 gehaltenen Konferenzen zum Zweck gemeinsamen Verhaltens in der schleswig-holsteinischen Frage. Am 27. Juli 1866 wurde die Festung von den Preußen beschossen. Nach dem Waffenstillstand besetzten die Preußen 2. Aug. die Stadt, die Festung blieb jedoch in den Händen der Bayern. Vgl. Heffner, W. und seine Umgebungen (2. Ausg., Würzb. 1871); Hubert, Führer durch W. (2. Aufl., das. 1882); Scharold, Beiträge zur ältern und neuern Chronik von W. (Bamb. 1818–19, 2 Bde.); Ögg, Entwickelungsgeschichte der Stadt W. (hrsg. von Schäffler, Würzb. 1881); Urlichs, Baugeschichte Würzburgs (das. 1878); Wegele, Geschichte der Universität W. (das. 1882); Cronthal, Die Stadt W. im Bauernkrieg (das. 1888).