MKL1888:Vollblütigkeit
[276] Vollblütigkeit (griech. Plethora), eine Körperkonstitution, bei welcher die Blutgefäße dauernd einen hohen Füllungsgrad darbieten, bei der die Gewebe gut ernährt werden und ein ziemlich reichlicher Fettansatz besteht. Die V. ist also nicht als Krankheit, sondern als normaler Zustand aufzufassen. Hiervon zu unterscheiden ist die abnorme V. einzelner Organe, namentlich in dem venösen Teil ihrer Blutgefäße, welche durch mechanische Hindernisse im Kreislauf, wie man sagt „durch Blutstauung oder Stockung“, zu stande kommt (s. Hyperämie). Beinahe veraltet ist der Ausdruck der serösen Vollblütigkeit, bei welcher man sich eine Vermehrung der Blutmenge denkt, welche nur in einseitiger Zunahme des Blutwassers ohne gleichzeitige Zunahme der roten Blutkörperchen ihren Grund findet. Die sogen. seröse V. ist eigentlich das Gegenteil von dem, was der Name besagt, nämlich eine Verarmung des Bluts an zelligen Bestandteilen bei etwa normaler Menge des Plasmas; sie kommt bei bleichsüchtigen Personen sowie nach bedeutenden oder oft wiederholten Blutverlusten vor. Eine krankhafte V. gibt es nicht, da exakte Versuche von Worm-Müller bewiesen haben, daß der Organismus jedes Zuviel an Blut, das ihm künstlich durch Transfusion zugeführt wird, sofort durch Zerfall der Blutkörper und Ausscheidung derselben durch den Harn ausgleicht. Vgl. Cohnheim, Allgemeine Pathologie (2. Aufl., Berl. 1882).