MKL1888:Unterschweflige Säure

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Unterschweflige Säure“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 1032
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Unterschweflige Säure. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 1032. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Unterschweflige_S%C3%A4ure (Version vom 30.03.2023)

[1032] Unterschweflige Säure (hydroschweflige Säure) H2SO2 entsteht, wenn man Eisen oder Zink in einem verschlossenen Gefäß in wässeriger schwefliger Säure löst. Der dabei frei werdende Wasserstoff reduziert im Entstehungsmoment die schweflige Säure. Die tiefgelbe Lösung wirkt sehr kräftig reduzierend und fällt aus Silber- und Quecksilbersalzen die Metalle. Das Natronsalz entsteht, wenn man eine konzentrierte Lösung von saurem schwefligsaurem Natron in einer verschlossenen Flasche mit Zink versetzt und gut abkühlt; es kristallisiert in Nadeln, absorbiert begierig Sauerstoff, wirkt reduzierend, wie die Säure, und dient daher in der Färberei und Zeugdruckerei zur Reduktion des Indigos. Bis zur Entdeckung dieser Säure durch Schützenberger nannte man u. S. (dithionige Säure, Thioschwefelsäure) eine Säure H2S2O3, welche im freien Zustand nicht bekannt ist, aber eine Reihe beständiger Salze (Thiosulfate, Hyposulfite) bildet, deren Lösung auf Zusatz von Säuren Schwefel abscheidet und dann schweflige Säure enthält. Diese Salze entstehen auf verschiedene Weise. So bildet sich unterschwefligsaures Natron, wenn man schweflige Säure in eine Lösung von Schwefelnatrium leitet oder schwefligsaures Natron mit Schwefel kocht; die meisten Thiosulfate kristallisieren gut, enthalten Kristallwasser und werden gewöhnlich erst bei der Zersetzungstemperatur wasserfrei. Sie bilden auch gern Doppelsalze, und daher lösen sich die unlöslichen Thiosulfate in einer Lösung des Natriumsalzes, welches auch Chlor-, Brom-, Jodsilber, Jodblei, schwefelsaures Blei und Gips löst. Man gewinnt das unterschwefligsaure Natron (Natriumthiosulfat) Na2S2O3 in der oben angegebenen Weise, häufiger aus Sodarückständen, indem man dieselben an der Luft sich oxydieren läßt, auslaugt und die Lösung, welche neben unterschwefligsaurem Kalk viel Schwefelcalcium enthält, in einem Koksturm einem erwärmten Luftstrom entgegenlaufen läßt, um das Schwefelcalcium zu unterschwefligsaurem Kalk zu oxydieren. Diese Oxydation kann auch durch Einblasen von Luft oder schwefliger Säure erreicht werden. Man konzentriert dann die Lösung durch Verdampfen und versetzt sie mit schwefelsaurem Natron, wodurch schwefelsaurer Kalk gefällt wird, während unterschwefligsaures Natron in Lösung bleibt, welches durch Kristallisation gewonnen und durch Umkristallisieren gereinigt wird. Es bildet große, farblose, luftbeständige Kristalle mit 5 Molekülen Kristallwasser vom spez. Gew. 1,73, schmeckt kühlend, bitter schweflig, löst sich leicht in Wasser, nicht in Alkohol, verwittert bei 33°, schmilzt bei 45–50°, wird bei 215° wasserfrei und zersetzt sich bei 220°. Die Lösung ist wenig beständig und zersetzt sich namentlich beim Kochen. Man benutzt das Salz als Antichlor in der Papierfabrikation und Zeugbleicherei, zum Bleichen von Wolle, Stroh, Elfenbein, Knochen, Haar etc. (da es beim Versetzen der Lösung mit Salzsäure reichlich schweflige Säure entwickelt), als bequemes Mittel zur Darstellung von schwefliger Säure im allgemeinen, als Beize in der Zeugdruckerei, als gärungswidriges Mittel in der Zuckerfabrikation, zum Fixieren der Photographien, zur Darstellung von Zinnober, Antimonzinnober und verschiedenen künstlichen Farbstoffen, zur Bereitung von Indigküpen, zum Extrahieren von Silbererzen, zur Bereitung von Vergoldungs- und Versilberungsflüssigkeiten etc. Es wurde 1799 von Chaussier zuerst dargestellt und von Vauquelin genauer untersucht. Unterschwefligsaures Bleioxyd PbS2O3 wird aus der Lösung eines Bleisalzes durch unterschwefligsaures Natron gefällt, ist farblos, wenig löslich, zersetzt sich in höherer Temperatur bei Abschluß der Luft in Schwefelblei und schweflige Säure, verglimmt an der Luft und dient zum Vulkanisieren von Kautschuk und Guttapercha. Unterschwefligsaures Goldoxydnatron wird erhalten, indem man Goldchloridlösung mit Kalkmilch digeriert und den ausgewaschenen Niederschlag in unterschwefligsaurem Natron löst. Es wird unter dem Namen Sel d’or in der Photographie benutzt. Unterschwefligsaurer Kalk CaS2O3 entsteht in großer Menge bei der Verwertung der Sodarückstände, wird aber meist auf unterschwefligsaures Natron verarbeitet. Es bildet farblose, beständige Kristalle, löst sich leicht in Wasser, nicht in Alkohol und wird wie das Natronsalz benutzt.