Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Truthuhn“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 875
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Truthuhn. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 875. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Truthuhn (Version vom 18.07.2021)

[875] Truthuhn (Meleagris L.), Gattung aus der Ordnung der Hühnervögel (Rasores) und der Familie der Hokkovögel (Cracidae), große, hochbeinige, kurzflügelige und kurzschwänzige Vögel mit unbefiedertem, warzigem Kopf und Oberhals, zapfenförmiger, ausdehnbarer Fleischklunker an der Oberschnabellade und schlaffer Haut an der Gurgel, kurzem, starkem, oben gewölbtem und gebogenem Schnabel, ziemlich hohen, langzehigen Füßen, sehr gerundeten Flügeln und aufrichtbaren Schwanzfedern; einzelne Federn der Vorderbrust wandeln sich in borstenartige Gebilde um, welche das übrige Gefieder an Länge weit überragen. Das T. (Puter, kalikutisches Huhn, M. Gallopavo L.), 100–110 cm lang, bis 150 cm breit, ist oberseits bräunlichgelb, metallisch schimmernd, mit schwarz gesäumten Federn, am Unterrücken und an den Schwanzdeckfedern dunkelbraun, grün und schwarz gebändert, auf der Brust gelblichbraun, am Bauch und an den Schenkeln bräunlichgrau, in der Steißgegend schwarz, Schwingen und Steuerfedern schwarzbraun, letztere schwarz gewellt, an den nackten Kopf- und Halsteilen blau mit roten Warzen; der Schnabel ist hornfarben, das Auge gelbblau, der Fuß violett oder rot. Das T. lebt in Ohio, Kentucky, Illinois, Indiana, Arkansas, Tennessee und Alabama in großen Waldungen, zeitweilig gesellig, macht unregelmäßige Wanderungen, geht im Herbst in Gesellschaften, die nur aus Männchen oder aus Weibchen mit den Jungen bestehen, in das Tiefland des Ohio und Mississippi, immer zu Fuß wandernd und nur mit Überwindung größere Ströme überfliegend. Nachts ruhen sie auf Bäumen. Die Henne legt in einer seichten Vertiefung 10–15 oder 20 bräunlichgelbe, rot punktierte Eier und bebrütet diese mit großer Treue; namentlich gegen Ende der Brutzeit verläßt die Henne das Nest unter keiner Bedingung. Bisweilen benutzen mehrere Hennen ein gemeinsames Nest. Das T. frißt Gras und Kräuter, besonders Pekannüsse und die Früchte der Winterrebe, Getreide, Kerbtiere etc. Nicht selten mischen sich abgemattete Truthühner gezähmten Hühnern bei, gehen in die Ställe, begatten sich auch mit zahmen Truthennen. Von letztern ausgebrütete Eier der wilden Hühner liefern Junge, welche fast vollständig zahm werden. Man jagt das T. mit großem Eifer, ähnlich wie den Auerhahn, fängt es aber auch ohne Mühe in Fallen. Schon früh hat man angefangen, es zu züchten, und gegenwärtig ist es sehr verbreitet. Man findet es überall auf Hühnerhöfen, doch ist es seines jähzornigen, zanksüchtigen Wesens halber wenig beliebt; seine Dummheit ist erstaunlich, und namentlich wenn es Küchlein führt, gebärdet es sich oft lächerlich. Man hält auf einen Hahn 4–10 Hennen und läßt sie ein-, auch zweimal im Jahr brüten. Die Zahl der Eier beträgt 12–24. Die Henne brütet sehr eifrig vier Wochen (man benutzt sie auch als zuverlässigste Brüterin in der Hühnerzucht), und man muß Futter und Wasser ganz in die Nähe stellen, den Hahn aber und andre Hennen entfernt halten. Die jungen Hühnchen sind sehr weichlich, dumm und ungeschickt und müssen sehr sorgfältig vor Nässe, auch vor zu starker Hitze geschützt und mit gekochten Eiern, gemischt mit Brotkrume, Grütze, gequetschtem Hanfsamen und gehacktem Grünzeug gefüttert werden. Nach vier Monaten kann man sie auf Stoppelfelder und Wiesen treiben. Für den Markt werden sie gemästet. Zweijährige Truthühner wiegen oft 10–15 kg. Das Fleisch ist sehr geschätzt, und ein mit Trüffeln gefüllter Truthahn gilt namentlich in Frankreich als beliebtester Braten. Das T. kam ziemlich früh nach Europa, Gyllius erwähnt es als Hausvogel der Europäer; in England soll es 1524, in Deutschland zehn Jahre später, bald darauf auch in Frankreich eingeführt worden sein. 1557 war es aber noch so kostbar, daß der Rat von Venedig bestimmte, auf welche Tafel „indische Hühner“ kommen durften. Gegenwärtig ist es wohl am häufigsten in Spanien, wo man Herden von mehreren hundert Stück trifft. Vgl. Rodiczky, Monographie des Truthuhns (Wien 1882); Mariot-Didieux, Die Truthühnerzucht (2. Aufl., Weim. 1873); Schuster, Das T. (Kaisersl. 1879).