Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 15 (1889), Seite 859860
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Troja. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 859–860. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Troja (Version vom 28.05.2023)

[859] Troja (Ilion, Ilios), mythische Hauptstadt des Volkes der Troer in der Landschaft Troas (s. d.), am Fuß einer Anhöhe des Ida an oder in der Küstenebene des Skamandros (heute Menderes) gelegen, war mit starken Mauern umgeben und wurde durch die feste, auf der Spitze der Anhöhe liegende Burg Pergamos beschützt, in welcher sich sämtliche Tempel, vor allen der der Pallas gewidmete Haupttempel, befanden. Nach der gewöhnlichen Annahme wurde T. 1184 (nach andern 1127) v. Chr. von den Griechen zerstört (s. Trojanischer Krieg). Die Lage dieses ältesten Homerischen T. wurde seit Le Chevalier, der 1785–86 die troische Ebene besuchte, auf dem Felsen von Bunarbaschi (144 m ü. M.) gesucht, wo einige aus Feldsteinen aufgeschüttete Hügel als „Grab des Priamos“, „Grab des Hektor“ etc. bezeichnet werden. Die dort vorhandenen Mauerreste stammen jedoch nach Schliemann meist erst aus hellenistischer Zeit; sie gehören einer Burg an, welche mit einer gegenüber, auf der andern Seite des Skamandros gelegenen Burg das Flußthal beherrschte. Weiter unterhalb macht der Menderes (Skamandros) eine Biegung nach WNW.; ihm parallel zieht sich weiter nördlich der Kalafatli-Asmak (das alte Bett des Skamandros) hin. Auf dessen nordöstlichem Ufer erhebt sich eine zweite Anhöhe, welche nordwärts zum Thal des Dumbrek-Tschai (des alten Simoeis) abfällt; es ist die Höhe von Hissarlyk, 50 m ü. M., 35 m über der Ebene. Hier war zur Zeit, als in Lydien die Mermnaden herrschten (689–546 v. Chr.), also vor der Unterwerfung Kleinasiens durch die Perser und lange nach der Zerstörung Trojas, ein neues äolisches Ilion entstanden, das in der Römerzeit eine gewisse Bedeutung

Kärtchen der Ebene von Troja. Plan von Troja (Ausgrabungen Schliemanns).

erlangte (Reste eines Athenetempels und eines Thorgebäudes), aber gegenwärtig in Trümmern liegt. Schliemann (s. d.) hat nun durch fortgesetzte, in den Jahren 1870–82 vorgenommene Ausgrabungen nachgewiesen, daß auf dem die Ebene um 18 m überragenden Felsen von Hissarlyk sieben verschiedene untergegangene „Städte“ (richtiger Burgen) übereinander gelegen haben. In der zweiten von ihnen, etwa 7–10 m unter der jetzigen Oberfläche glaubt er die Burg der Homerischen Stadt entdeckt zu haben, eine Annahme, die darin eine Stütze findet, daß die Trümmer von einer starken Schicht von Brandschutt überdeckt sind. Schliemanns Ausgrabungen (s. obenstehende Kärtchen) erstrecken sich auf mehrere Thore im S. und W. der Burg, die Mauern auf der Süd- und Westseite, zwei kleinere Gebäude, welche für Teile des ehemaligen Königspalastes gelten dürfen. Von weit höherer Bedeutung ist der sogen. Große Schatz, welcher unweit des Südwestthors in der obern Lehmziegelmauer gefunden wurde. Er enthält außer vielen Kupfergeräten eine Menge Gefäße (Becher, Schalen) und Schmuckgegenstände (Ketten, Armbänder, [860] Diademe, Ringe) aus Gold und Silber, welche eine dem 2. Jahrtausend v. Chr. angehörende Kulturstufe kennzeichnen. Sie sind zum größten Teil in das Museum für Völkerkunde zu Berlin, wenige ins türkische Museum im Serail zu Konstantinopel oder in Schliemanns Haus in Athen gelangt. Schliemanns Hypothese fand sofort die Anerkennung englischer Forscher, die deutschen wiesen sie zunächst zurück, wie z. B. R. Hercher, der noch 1876 behauptete, daß Homers Schilderung rein dichterisch die natürlichen Verhältnisse umgestaltet habe und durchaus nicht mit der wirklichen Örtlichkeit zu vereinigen sei. Erst neuerdings hat Schliemann auch in Deutschland mehr und mehr Anklang gefunden. Aus der reichhaltigen Litteratur über T. vgl. außer den ältern Werken von Le Chevalier („Voyage de la Troade“, 3. Aufl., Par. 1802, 3 Bde.), Webb („Topographie de la Troade“, das. 1844), Forchhammer (Frankf. a. M. 1850), Clarke (Edinb. 1863) hauptsächlich die Veröffentlichungen Schliemanns: „Trojanische Altertümer“ (Leipz. 1874), „Ilios“ (das. 1881), „Reise in der Troas“ (das. 1881), „Troja“ (das. 1883); ferner Christ, Topographie der trojanischen Ebene und die Homerische Frage (Münch. 1874); Eckenbrecher, Die Lage des Homerischen T. (Düsseld. 1875); O. Keller, Die Entdeckung Ilions zu Hissarlik (Freiburg 1875); Steitz, Die Lage des Homerischen T. („Jahrbücher für klassische Philologie“ 1875); Hercher, Über die Homerische Ebene von T. (Berl. 1876); Ed. Meyer, Geschichte von Troas (Leipz. 1877); E. Brentano: Alt-Ilion im Dumbrekthal (Heilbr. 1877), Zur Lösung der trojanischen Frage (das. 1881), T. und Neu-Ilion (das. 1882); Virchow, Beiträge zur Landeskunde der Troas (Berl. 1880).

Troja, Stadt in der ital. Provinz Foggia, Kreis Bovino, am Celone, Bischofsitz, hat ein geistliches Seminar, eine 1093 gegründete schöne Kathedrale und (1881) 6722 Einw. T. ward im 10. Jahrh. von Griechen angelegt; hier 1462 Sieg Ferdinands I. von Aragonien über die Anhänger des Herzogs von Anjou.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 924928
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[924] Troja (Hissarlik). Zwischen den Jahren 2000 und 1000 v. Chr. lag etwa 6 km südlich von der nordwestlichen Spitze Kleinasiens an der Südseite des Hellespont, wo dieser in das Ägeische Meer mündet, bespült vom Skamanderflusse, eine nach damaligen Begriffen stark befestigte Burg. Sie lag auf der Nordspitze eines größern Plateaus und war von diesem durch eine vielleicht künstlich vertiefte Einsenkung getrennt. Heute trägt der Hügel den türkischen Namen Hissarlik (Burg), der sich auch sonst wiederfindet. An der oben genannten Nordwestspitze Kleinasiens liegt heute das Dardanellenfort Kum Kaleh. Mit dem Volke, welches diese Burg erbaut hatte, mußten die einwandernden Griechen äolischen Stammes harte Kämpfe bestehen; die Nachricht von dieser Heldenzeit kristallisierte sich in den Sagen vom Zuge des Agamemnon nach Troja, und sie bilden den Kern der noch heute vorhandenen Homerischen „Ilias“. Als durch die Ionier die ursprünglich in äolischem Dialekte lebenden Heldenlieder weiter ausgebildet wurden, war die Erinnerung an die Kämpfe um jene Burg noch lebendig, und als deren Zeugen standen die Mauern des sagenumsponnenen Kastells noch aufrecht. Je weiter der Zwischenraum zwischen den wirklich geführten Kämpfen und der ausschmückenden und weiterbildenden Dichtung wurde, desto unsicherer ward die lokale Tradition. Wenn auch Land und Meer mit den vorliegenden Inseln, Berge und Flüsse von den Sängen der „Ilias“ aus Anschauung richtig geschildert wurden, so wuchs doch mit der steigenden Kultur das Stadtbild in der Phantasie immer [925] mehr, bis es endlich bei Vergil zu einer großen Stadt mit Palästen, Tempeln, weiten Gassen, hohen Türmen wurde. Als man nun später bei Beginn historischer Forschung Troja zu suchen begann, machte gerade dieser Umstand irre, daß eine so große und zugleich so alte Stadt in der deutlich bezeichneten Gegend sich nicht finden ließ. Man glaubte zeitweilig sogar, daß ein Troja in Wirklichkeit nie existiert hätte, und löste die gesamten Kämpfe um die Mauern der alten Burg in mythologischen Dunst und Nebel auf, indem man sie als einen Streit zwischen Sonnenglut und Wassermassen zu deuten suchte. Anfangs der 70er Jahre schwankte man über die Stelle, wo Troja zu suchen sei, und das Urteil neigte sich überwiegend einem bedeutend mehr landeinwärts gelegenen Felsen, Bunarbaschi, zu. Daß wir heute genauer Bescheid wissen, ist das bleibende Verdienst Heinrich Schliemanns.

Schliemanns Ausgrabungen.

Der gelehrten Schulbildung bar, den Streitfragen der Professoren fernstehend, ging Schliemann mit der gläubigen Naivität eines Kindes an die Lektüre der Alten, und wenn die Gelehrten zu wenig davon glaubten, so nahm er zwar zu viel an, aber er fand doch dasjenige, was die Gelehrsamkeit verloren hatte: den faktischen Kern von Wirklichkeit, wenigstens in topographischer Hinsicht, welchen die alten Sagen umkleideten. Mit seinem scharfen Blicke für das Thatsächliche entschied er sich auf einer Orientierungsreise 1868 sofort für Hissarlik und beschloß, dort zu graben. Leider machten sich bei diesen Ausgrabungen bald die Schattenseiten seiner Autodidaktenbildung geltend. Der Hissarlikhügel ist nicht ein völlig natürliches Produkt, sondern einem Schutthaufen zu vergleichen. In den vielen Kämpfen, welche um die alte Burg geführt wurden, ward sie nicht nur einmal, sondern mehrmals zerstört; auf der Trümmerstätte wurde wieder eine neue Niederlassung erbaut, ja, in der bedeutendsten Periode fanden sowohl in betreff der Stadtmauern als auch der einzelnen Gebäude zahlreiche Umbauten statt, so daß sich der Hügel immer mehr erhöhte, gerade so, nur noch schneller, als in einer großen Stadt das Pflaster. Bei den zahlreichen Um- und Neubauten ließ man die alten Fundamentmauern stehen, füllte die Zwischenräume mit Schutt und baute auf dem neu geschaffenen Planum. Dadurch wurde sowohl die Höhe als auch der Umfang des Hügels immer größer. Auch scheint der Ort im ganzen Altertum nicht verlassen worden zu sein, wie denn auch der Name Ilion, soweit wir verfolgen können, an der Stelle haften blieb. Dem alten Ilion war sogar eine neue Blüte beschieden, als einer der Nachfolger Alexanders d. G., Lysimachos, sich im J. 301 des vordern Kleinasien bemächtigte. Er erbaute auf der alten Stelle eine neue Burg und legte auf dem anstoßenden Plateau eine Stadt an, welche eine Ringmauer von 40 Stadien (ca. 7–8 km) umschlossen haben soll.

Auf die Reste dieser alten Stadt, welche deutlich sichtbar zu Tage lagen, stieß Schliemann zuerst; aber da es ihm nicht um das Ilion der makedonischen Zeit, sondern um das des Homer zu thun war, trug er ohne Bedenken die Trümmer ab und grub durch den ganzen Hügel einen breiten Graben von N. nach S. Wir haben allmählich gelernt, wie im Sinne geschichtlicher Forschung eine Ausgrabung geleitet werden muß. Die geschichtliche Betrachtung sucht nicht nur nach einer Periode, sondern betrachtet alle übereinander liegenden Schichten einer Kultur mit gleicher Aufmerksamkeit. Wer also eine menschliche Niederlassung oder auch eine geologische Schichtung, die sich im Laufe der Zeit allmählich erhöht hat, wissenschaftlich ausgraben will, muß gerade umgekehrt verfahren, wie die Geschichte oder die schaffende Natur. Wo diese aufhörte, muß er anfangen. Eine solche Grabung also muß jede einzelne Schicht horizontal abtragen, geometrisch ihren Plan und womöglich zeichnerisch ihre Ansicht aufnehmen. Dann erst darf die Schicht zerstört und die nächstuntere in Angriff genommen werden. Hätte Schliemann diese Methode gekannt, so würde er sich und andern viele unnütze Mühe, Verdruß und Ärger erspart haben, und wir würden über manche Dinge genauer Bescheid wissen, die wir nur noch erraten können oder als völlig verloren ansehen müssen. Es kommt hinzu, daß gerade die lebhafte Phantasie, welche ihn zu seiner Unternehmung begeisterte, sein Beobachtungsvermögen trübte. Er war wissenschaftlich durchaus ehrlich und wollte nichts falsch darstellen; aber er benannte seine Funde sofort mit den bestimmtesten Namen, und eine ärmliche Hütte erschien seiner Begeisterung als der Palast des Priamos. So kommt es, daß seine ersten Ausgrabungsberichte fast nicht zu brauchen sind, zumal da er keine Pläne und Zeichnungen aufnahm. Wir verfolgen die einzelnen Ausgrabungskampagnen nicht im einzelnen und heben nur hervor, daß Schliemann in seinem ersten Eifer die ganze Nordseite der Burgmauer, die er für wertloses Getrümmer hielt, abreißen ließ, so daß die nördliche Ausdehnung der Burg heute nicht mehr genau festgestellt werden kann. Seine Berichte wurden besser, je mehr er sich auf das eigentliche Ausgraben beschränkte und die Beschreibung und wissenschaftliche Verarbeitung andern überließ. So machte Burnouf den ersten Plan der dritten Niederlassung, Virchow besuchte seine Ausgrabungen und führte ihn dadurch in die Gelehrtenwelt ein, doch hatte auch er für architektonische Dinge, um welche es sich namentlich handelte, kein Verständnis; völlig brauchbar werden die Ausgrabungsberichte erst, als Schliemann den Architckten Dörpfeld, bekannt und wohlgeschult von der olympischen Ausgrabung her, zum technischen Beirat mit sich nahm. Ihm verdanken wir den ersten guten Plan der Burg (Fig. 1, S. 926). Außer in vorläufigen Schriften stellte Schliemann die Resultate seiner Grabungen in drei wichtigen Büchern dar: 1) „Ilios, Stadt und Land der Trojaner“ (Leipz. 1881, noch ohne Dörpfelds Mitarbeit); 2) „Troja“ (das. 1884, unter Dörpfelds Mithilfe, jedoch so, daß Schliemann noch mit Hilfe der Dörpfeldschen Beobachtungen selbst den Text schrieb und dadurch manche Unklarheit hineinbrachte); 3) das kleinste und beste, welches nach seinem Tode erschien: „Schliemann, Bericht über die Ausgrabungen in Troja im J. 1890, mit Beiträgen von Dörpfeld“ (1891). Hier endlich gibt im zweiten Teile Dörpfeld allein eine Beschreibung des Thatbestandes.

Der Nekropolenstreit.

Eine Folge dieser sehr allmählichen Verbesserung der Schliemannschen Berichte war es, daß ihm zunächst nur Achselzucken bei den Gelehrten begegnete. Erst die mykenischen Ausgrabungen mit ihren ungeahnten Erfolgen zwangen auch die Mißgünstigen zur Beachtung; jene Ungenauigkeit der Berichte erweckte ihm aber auch einen Gegner, welcher ihm sein geliebtes Troja, die Burg des Priamos und Hektors in einen Schutthaufen verwandeln wollte, welcher seine Entstehung der allmählichen Aufhäufung der Brandasche von Tausenden von Leichenverbrennungen verdankte: den Hauptmann Bötticher, welcher in vielen Zeitungsartikeln und zwei Büchern: „La Troie de Schliemann, une nécropole à incinération à la manière [926] assyro-babylonienne“ (Louvain 1889) und „Hissarlik, wie es ist“ (Berl. 1890), die Ansicht vertrat, daß Hissarlik eine Feuernekropole gewesen sei. Die Auffindung wirklicher Feuernekropolen in Babylonien sowie die nicht zu leugnende Unklarheit und Ungenauigkeit in Schliemanns ersten Berichten bewirkten es, daß Böttichers Ansicht eine ganze Anzahl Anhänger fand; und in der That, wären Schliemanns erste Berichte wirklich richtig, so müßte Hissarlik wenigstens zeitweise eine Nekropole gewesen sein. Schliemann nannte zu Beginn seiner Ausgrabungen

A B Königspalast, A Megaron der Männer (A1 Vorhalle), C Propylon, ca Fundort des großen Schatzes, FM Südwestthor, FN altes Südthor, FO neues Südthor, FL Westthor, D E H 1890 aufgedeckte Gebäude.
Fig. 1. Plan von Troja-Hissarlik nach Schliemanns letzten Ausgrabungen 1890. Nach Dörpfeld.

jedes gefundene Gefäß eine Aschenurne und betrachtete allen Schutt als Holzasche. Da also in seinen ersten Berichten von massenhaften Aschenurnen und massenhafter Holzasche die Rede war, so war der Schluß richtig, daß hier längere Zeit Leichen verbrannt und beigesetzt worden seien. Der Streit wurde so heftig, daß Schliemann sich zu einer neuen Ausgrabung entschloß und Hauptmann Bötticher selbst nach Troja einlud, um in Gesellschaft Dörpfelds, des Architekten Niemann und des Majors Steffen sowie Schliemanns selbst das Ruinenfeld zu studieren. Bötticher hat sich zwar nicht besiegt gegeben, aber doch von seinen frühern Meinungen so viel zurückgenommen, daß seine Hypothese als gefallen zu betrachten ist. Aber auch Schliemann mußte Belehrung annehmen und die sämtlichen, ganz unberechtigt von ihm so bezeichneten Aschenurnen als gewöhnliche, zum Gebrauche der Bewohner bestimmte Gefäße bezeichnen und in seiner Holzasche zum großen Teil verbrannten Ziegelschutt erkennen. Namentlich aber wurden bei der neuen Ausgrabung neue Exemplare jener großen Gefäße gefunden, in welchen Botticher die Verbrennungsöfen, resp. die Särge suchte, in denen aber nicht etwa Asche oder Skelette sich befanden, sondern allerlei Feldfrüchte, wie dies von vornherein von seinen Gegnern vorausgesetzt worden war. Noch andre Gründe, z. B. das Vorhandensein hölzerner Thürbekleidungen, sprachen gegen die Annahme der Feuernekropole.

Die Hypothese beruhte auf Irrtümern, die noch durch eigne Irrtümer Böttichers vermehrt wurden, und mußte denn schließlich in sich selbst zerfallen. Einen ruhigen, objektiven Bericht hat der Baudirektor Durm, welcher 1890 Hissarlik besuchte, über die ganze Frage geschrieben: „Zum Kampfe um Troja“ (Berl. 1890). Hätten von vornherein wissenschaftliche Ausgrabungsberichte vorgelegen, so wäre die ganze Frage nicht entstanden; heute ist sie in dem Sinne Schliemann-Dörpfelds erledigt: Hissarlik war nicht eine Feuernekropole, sondern eine Burg.

Der Thatbestand.

Eine scheinbare Stütze für Bötticher war die Kleinheit der ganzen Anlage; die Burg von Troja ist [927] nicht mehr als ca. 100 m lang und breit, von N. nach S. vielleicht noch weniger: eine Fläche, welche ungefähr dem Berliner Zeughause entspricht (Fig. 2). Eine Vergleichung mit mittelalterlichen Burgen aber, welche Durm anstellt, ergibt, daß eine ganze Reihe von ihnen nicht größer war. Somit brauchen wir an Trojas Kleinheit uns nicht zu stoßen; nur ist festzuhalten, daß der Hissarlikhügel nur die Burg des Königs war, die Trojaner werden ringsum in offenen

Fig. 2.
Zeughaus in Berlin. Troja. 

Dörfern, höchstens durch Graben und Palissaden geschützt, gewohnt haben, wie dies z. B. auch in Tiryns und Mykenä der Fall war. Die Burgmauer bestand aus einem Unterbau von Hausteinen, zum Teil stark geböscht, um dem Erddrucke Widerstand zu leisten, an gefährdeten Stellen durch nahe aneinander liegende Türme von kleiner Grundfläche noch verteidigungsfähiger gemacht, ähnlich wie die Stadtmauern assyrischer und syrischer Städte, die wir kennen, durch zahlreiche, nahe aneinander liegende kleine Türme verstärkt waren. Auf dem Unterbau von Bruchsteinen erhob sich eine senkrechte Mauer von an der Luft getrockneten Lehmziegeln, welcher durch eingelegte hölzerne Querbalken festerer Halt gegeben war. Bei dem Brande der Burg gerieten auch sie in Brand, und

Fig. 3. Schutthügel von Hissarlik (Troja). Nach Durm.

die umgebenden Lehmziegeln verschlackten oder verglasten dann. Daher die Asche und die verglasten Ziegelbrocken. Die Luftsteine haben eine Dicke von 10–15 cm bei einer Länge bis zu 65 cm; die Thorschwellen der Gebäude bestanden aus großen Platten von Kalkstein, die Thüren waren mit Holzbalken verkleidet, welche zur Sicherung gegen die Nässe des Bodens auf erhöhten Steinplatten ruhten. Auch sie trugen zur Erzeugung der Aschenschicht beim Brande bei. Die aus verschiedenen Materialien kreuz und quer übereinander ausgeführten Mauern, welche die obenstehende Abbildung (Fig. 3) zeigt, beweisen zweifellos, daß wir es nicht mit Bauwerken aus einer Zeit zu thun haben, sondern daß verschiedene Katastrophen über den Burghügel weggegangen sind, welchen verschiedene Ansiedelungen folgten, von denen die eine auf den Trümmern der andern ihre Bauwerke aufführte; denn es stehen nicht Grundmauern auf Grundmauern.

Nach Dörpfelds ausgezeichnetem Berichte und seinem sorgfältigen und übersichtlichen Stadtplane lag auf dem natürlichen Felsboden eine ärmliche Niederlassung, deren Rest auf der Sohle des großen von Schliemann durch den ganzen Hügel gezogenen Nordgrabens zum Vorschein kamen. Sie wurde völlig überbaut von der zweiten Schicht, der Pergamos von Troja. Die zweite Niederlassung war die bedeutendste aller gefundenen Schichten. Auch in ihr aber lassen sich drei Perioden von Neubauten und Umänderungen unterscheiden, namentlich in den drei noch nachweisbaren Burgmauern. Das Niveau hat sich während der drei Perioden nur wenig verändert. Die älteste, erst 1890 aufgefundene Mauer hatte zwei Thore auf der Südseite (die Nordseite ist leider verloren), welche sich wesentlich von den Thoren der spätern Perioden unterscheiden. Während nämlich bei den spätern Thoren das Thor am obern Rande des Burghügels liegt und eine Rampe oder treppenförmiger Weg zu ihm hinaufführt (vgl. die Abbildung), liegen die ältern Thore am Fuße des Burghügels, sind mit einem mächtigen Turm überbaut, und der Thorweg führt erst im Innern der Burg allmählich zum Burgplateau hinauf. Später errichtete man ein wenig weiter außerhalb eine neue Burgmauer, wobei die alten Thore in Fortfall kamen, und man die beiden neuen Thore mit den Rampen symmetrisch neben die ältern setzte. Sie zeigen eine so grundverschiedene Bauart, daß sie wohl unter einem von außen kommenden Einfluß entstanden sind. Neben dem alten Westthore fand man 1890 noch eine kleine Ausfallspforte. Noch einen dritten Umbau erfuhr die Burgmauer, wobei die nach dem Stadtplateau errichtete Strecke mit den nahe bei einander liegenden Türmen verstärkt wurde. Die Mauer hatte, als sie noch unverletzt stand, mit Unterbau, Ziegelmauern und Galerie etwa eine Höhe von ca. 16 m und mag so einem früh lebenden, in der Belagerungskunst nicht geübten Geschlechte, wie dies nach den Homerischen Schilderungen die erobernden Griechen waren, derart imponiert haben, daß sie dieselbe für ein Werk der Götter hielten.

Wer durch den langen Thorgang des Südostthores das Innere der Burg betreten hatte, sah sich vor einer Abschnittmauer, durch welche ein kleines Thor zum Hauptraume der Burg führte. Diese Abschnittmauer, von der freilich nur ein Stück gefunden ist, ist an der Innenseite mit Strebepfeilern besetzt, welche vermutlich ein weitvortretendes Dach getragen haben. Der Hof war also wahrscheinlich wie in Tiryns mit Hallen umgeben. Die dem Thore gegenüberliegenden Gebäude bestehen aus einer Vorhalle und dem dahinter liegenden großen Herrengemache. Die Wandvorsprünge haben zwar steinerne Basen, auf welchen Holzpfosten, den spätern Arten entsprechend, sich erheben, aber zeigen keine Spur der Anwendung von Säulen. Die Kulturschicht, welcher sie angehören, kennt noch keine gemeinsamen Hausmauern, wenn zwei Gebäude nebeneinander stehen, sondern die Bauten sind durch ganz schmale Gänge voneinander getrennt, wie dies auch in Tiryns und Mykenä zu beobachten ist (der sogen. ambitus, Umgang, Traufgang).

Über die Einzelfunde, den reichen Goldschmuck, welchen Schliemann früher fand, ist nichts Neues zu sagen; wichtig ist, daß an einem Gebäude außerhalb der Burgmauer Vasen mykenischen Stiles gefunden wurden, wodurch dieses auf ca. 1400 v. Chr. datiert ist. Eine genaue Publikation über die neuen Ausgrabungen mit allen architektonischen Details, den Vasenscherben etc. ist in Aussicht gestellt.

[928] Von den beiden Tempeln, welche in der makedonischen Stadt standen, wurden neue Metopenfragmente entdeckt, am Nordabhange des Stadtplateaus ein kleines Theater und mehrere Inschriften. Über Schliemanns gesamte Thätigkeit orientiert: Schuchhardt, Schliemanns Ausgrabungen im Lichte der heutigen Wissenschaft (2. Aufl., Leipz. 1891).