Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tanzwut“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 515
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Tanzwut. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 515. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tanzwut (Version vom 10.10.2021)

[515] Tanzwut (Tanzsucht), epidemische Volkskrankheit des Mittelalters, welche besonders in den Jahren 1021, 1278, 1375 und 1418 herrschte. Von religiösem Wahnsinn ergriffen, tanzten Tausende, bis ihnen Schaum aus dem Mund quoll, Zuckungen sich einstellten und der Unterleib unförmlich aufschwoll. Dabei gaben sie vor, während des Tanzes himmlische Visionen zu haben, und zogen häufig, wie die Flagellanten (s. d.), mit bekränztem Haupt von Ort zu Ort. Da man die Tänzer für vom Teufel Besessene hielt, nahm der Klerus allerlei Beschwörungen vor, obwohl fruchtlos, und die Angehörigen wandten sich mit Gebet um Hilfe an St. Johannes und St. Veit (daher Veitstanz). Im 14. Jahrh. trieben am Niederrhein die Johannistänzer ihr Wesen, welche ihren Tanz zu Ehren des St. Johannes aufführten. Auch der Tanz der Derwische und der Schüttlersekten in Nordamerika kann zu diesen Exaltationszuständen gerechnet werden. Manche mit tanzähnlichen Bewegungen verbundene körperliche Krankheitszustände, wie die Reitbahn- oder Manegetouren, gehören in das Gebiet der sogen. Zwangsbewegungen. S. auch Tarantel und Veitstanz. Vgl. Hecker, Die T., eine Krankheit im Mittelalter (Berl. 1832); Derselbe, Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters (das. 1865).