Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Swinburne“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 452
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Swinburne. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 452. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Swinburne (Version vom 08.08.2021)

[452] Swinburne (spr. sswinnbö̆rn), Algernon Charles, engl. Dichter, geb. 5. April 1837 zu Henley an der Themse (Oxfordshire) aus einer ursprünglich dänischen Familie, erhielt seine Bildung in Eton und Oxford und schloß sich schon auf der Hochschule einer Gruppe junger Männer an, die den Zweck verfolgte, die englische Kunst umzugestalten. Ohne seine Universitätsstudien zu beenden, begab er sich dann auf Reisen und brachte einige Zeit in Florenz bei dem greisen Dichter W. Savage Landor zu, welchem er seitdem die größte Bewunderung erwies. Ähnliche Bewunderung hat er immer für Victor Hugo und für Mazzini ausgesprochen. Er trat zuerst 1860 mit den Dramen: „The queen mother“ und „Rosamond“ auf, die aber kaum Beachtung fanden. Dagegen erregte er bald darauf durch seine von glühender Sinnlichkeit und politischem und religiösem Radikalismus erfüllten, aber vom höchsten Wohllaut getragenen Dichtungen („Poems and ballads“, 1866) einen Sturm ebensowohl ästhetischer Bewunderung wie sittlicher Entrüstung, welch letztere sich so entschieden aussprach, daß S. sich in einer besondern Schrift: „Notes on poems and reviews“ (1866), verteidigte, sein Buch aber dem fernern Vertrieb durch den Buchhandel entzog. Gegenwärtig zählt ihn die Kritik, die ihn zuerst niederzuschlagen versuchte, zu den hervorragendsten Erscheinungen der Litteratur Englands. Seine Dramen, deren Stoff bald dem Altertum, bald der neuern Geschichte entlehnt und deren Form teils den Griechen, teils Shakespeare nachgeahmt ist, sind ihres hohen Schwunges, ihrer kraftvollen Schilderung und ihrer reichen poetischen Einbildungskraft ungeachtet teils durch antike Fremdartigkeit, teils durch übermäßige Länge zur Aufführung ungeeignet. Es sind: die Tragödie „Atalanta in Calydon“ (1864; deutsch von A. Graf Wickenburg, Wien 1878), die Trilogie „Chastelard“ (1865; deutsch von Horn, Brem. 1873), „Bothwell“ (1874, 3. Aufl. 1882), „Erechtheus“ (1876) und „Mary Stuart“ (1881), „Marino Faliero“ (1885) und „Locrine“, Tragödie (1887). Außerdem hat S. auf dichterischem Gebiet veröffentlicht: „A song of Italy“, ein Mazzini gewidmeter dithyrambischer Hymnus in republikanischem Sinn (1867); „Siena, a poem“ (1868); „Ode on the proclamation of the French republic“ (Victor Hugo gewidmet, 1870); die vortrefflichen „Songs before sunrise“ (1871), die zu seinen reifsten Schöpfungen gehören, und „Songs of two nations“ (1875); die „Songs of the springtides“ (1875), welche seine „Birthday ode“ an Victor Hugo enthalten; zwei neue Folgen von „Poems and ballads“ (1878 u. 1889), das epische Gedicht „Tristram of Lyoness“ (1882), eine Sammlung lyrisch-didaktischer Gedichte: „A century of roundels“ (1883), und „A midsummer holiday“ (1884). In den „Notes of an English republican on the Muscovite crusade“ (1876) trat er Gladstone und seinem russenfreundlichen Anhang mit Wucht entgegen. Ebenso bewährte er sich als scharfer Kritiker in einer Reihe von Schriften, wie: „William Blake“ (1868), „Under the microscope“, eine Verteidigung gegen die Anklage der Begründung einer „fleischlichen Schule der Poesie“ (1872), „George Chapman“ (1875), „A note on Charlotte Bronte“ (1877), „A study of Shakespeare“ (1879), „Studies in song“ (1881), „Study of Victor Hugo“ (1886), „Miscellanies“ (1886) u. a. Eine Sammlung seiner kleinern Prosaschriften erschien unter dem Titel: „Essays and studies“ (1875, 3. Aufl. 1888). S. schreibt auch französische Verse und hat den altfranzösischen Dichter Villon durch Übersetzungen in England eingeführt. Vgl. „Bibliography of A. C. S.“ (Lond. 1887).