MKL1888:Streichinstrumente

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Streichinstrumente“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 385
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Streichinstrumente. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 385. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Streichinstrumente (Version vom 06.10.2022)

[385] Streichinstrumente. Die heute allein in der europäischen Kunstmusik gebräuchlichen S.: Violine, Bratsche, Violoncello und Kontrabaß sind das Schlußergebnis einer vielleicht tausendjährigen langsamen Entwickelung; sie sind sämtlich nach demselben Prinzip gebaut, wie schon ein flüchtiger Blick auf ihre äußern Umrisse lehrt. Diese der Bildung eines edlen, vollen Tons günstigste Bauart wurde etwa zu Ende des 15. Jahrh. zunächst für die Violine gefunden und allmählich auf die größern Arten der S. übertragen, so daß Cello, Bratsche und Kontrabaß erheblich später die ältern S., welche Violen hießen (Viola da braccio, Viola da gamba und Violone), verdrängten (vgl. Viola und Violine). Wie alt die S. sind, ist nicht recht festzustellen; noch ist kein Denkmal aus vorchristlicher Zeit aufgefunden, welches die Abbildung eines Streichinstruments aufweist. Nach gewöhnlicher Annahme ist der Orient die Wiege der S.; doch ist dieselbe schlecht genug begründet, nämlich damit, daß die arabischen Musikschriftsteller des 14. Jahrh. die S. Rebab oder Erbeb und Kemantsche kennen. Obgleich nichts auf eine wesentlich frühere Existenz dieser Instrumente bei ihnen hinweist, hat man doch daraus geschlossen, daß das Abendland sie von den Arabern nach der Eroberung Spaniens erhalten habe, während auf der andern Seite eine große Zahl Beweise vorhanden sind, daß seit dem 9. Jahrh., wo nicht länger, das Abendland Instrumente dieser Art kannte. Es genüge hier, darauf hinzudeuten, daß die älteste Abbildung eines Streichinstruments (in Gerberts „De musica sacra“ wiedergegeben), eine einsaitige „Lyra“, die dem 8. oder 9. Jahrh. angehört, eine der spätern Gigue sehr ähnliche Gestalt aufweist, daß wir aus dem 10. Jahrh. eine Abbildung der keltischen Chrotta (s. d.) haben, und daß bereits im 11.–12. Jahrh. mancherlei verschiedene Formen der S. nebeneinander bestanden. Es hielten sich jahrhundertelang nebeneinander zwei prinzipiell verschiedene Formen der S., von denen die (vermutlich minder alte) mit plattem Schallkasten aus der Chrotta hervorging, die andre mit mandolinförmig gewölbtem Bauch aber (die altdeutsche Fidula) wahrscheinlich germanischen Ursprungs ist. Auch das frühere Vorkommen der Drehleier deutet auf einen abendländischen Ursprung der S. Die ältesten S. hatten keine Bünde; diese tauchen erst zu einer Zeit auf, wo die nachweislich von den Arabern importierte Laute anfing, sich im Abendland auszubreiten, d. h. im 14. Jahrh., und um dieselbe Zeit tauchen auch allerlei andre Wandlungen im Äußern der S. auf (große Saitenzahl, die Rose), welche den Einfluß der Laute verraten. Im 15.–16. Jahrh. finden wir zahlreiche verschiedene Arten großer und kleiner Geigen nebeneinander, die dann sämtlich von den Violineninstrumenten verdrängt wurden. Zur Erklärung der so verschiedenartigen äußern Umrisse der S. älterer Zeit sei noch darauf hingewiesen, daß für diejenigen, welche eine größere Saitenzahl (über 3) und demzufolge einen höher gewölbten Steg hatten, die Seitenausschnitte nötig wurden, und man ging in der Vergrößerung der letztern so weit, daß schließlich Instrumente zu Tage kamen, deren Schallkörper beinahe die Gestalt eines hatte. Für die Instrumente mit höchstens 3 Saiten bedurfte es der Saitenausschnitte nicht, u. sie behielten daher auch ihren birnenförmigen Schallkasten noch lange Zeit (s. Gigue).