Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Straßen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 895899
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Straßen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 895–899. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Stra%C3%9Fen (Version vom 26.06.2022)

[895] Straßen (Geschichte der Verkehrsstraßen). Da die S. von jeher gemeinnützigen Zwecken und der Vermittelung und Förderung der geistigen und materiellen Bedürfnisse der Menschen und Völker dienten, so ist ihre Kenntnis für die Beurteilung der Kultur der einzelnen Länder in den verschiedenen Zeitabschnitten notwendig. Je mehr ein Volk das Netz seiner öffentlichen Wege ausgebildet hat, auf einer desto höhern Kulturstufe muß es gestanden haben. Zur Erleichterung einer Übersicht der geschichtlichen Entwickelung der S. kann man unterscheiden: die prähistorischen S., das römische Straßennetz, die mittelalterlichen S. und die S. der Neuzeit.

Prähistorische Verkehrsstraßen.

Zu den prähistorischen oder vorgeschichtlichen S. rechnet man im allgemeinen solche Verkehrsverbindungen, die vor der Römerzeit bestanden haben. Die ältesten S. überhaupt treffen wir bei den Kulturvölkern Kleinasiens und Griechenlands. Die oft angeführte Straße dieser Art, welche Semiramis gebaut haben soll, läßt sich nicht mehr nachweisen. In Vorderasien kennt J. Euting aus eigner Anschauung nur eine einzige uralte Straße, nämlich die am Nahr el Kelb, 3 Stunden nördlich von Beirut, auf der alle alten Eroberer bis herunter zu den modernen gezogen sind. (Vgl. Delaborde, Voyage en Orient, 1837–62.) Die alten Monumente an dieser Straße sollen von Sesostris (Ramses II.) herrühren. Tiefer unten liegt die römische, noch heute im Gebrauch befindliche, mit Inschriften von Antoninus Pius versehene Heerstraße. Weil das Libanongebirge hier schroff an das Meer vortritt, waren alle Heereszüge genötigt, diesen Weg zu nehmen. Für die spätere Zeit der Kalifen dient das Buch von A. Sprenger („Die Post- und Reiserouten des Orients“, Leipz. 1864) zur geeigneten Belehrung. Die alten Griechen, namentlich die Athener, hatten gut gebaute S. zwischen ihren Hauptstädten, worunter namentlich auch die für die heiligen Züge nach Delphi hergestellten, sodann die von Athen zur Hafenstadt Piräeus. In Phönikien und Ägypten fehlte es nicht an kunstgemäß angelegten S., welche die Zufuhr der gewaltigen Baumaterialien zu den Tempel- und Pyramidenbauten vermittelten.

Aber auch der Norden Europas hatte schon vor der Römerzeit seine Handelsverbindungen mit den griechischen und italienischen Kulturvölkern, deren Kenntnis für uns von großem Interesse ist, da gerade diese schon bestehenden Wege von den Römern bei ihren Eroberungszügen benutzt und in ihr strategisches Straßennetz eingereiht wurden. J. Schneider („Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken im Deutschen Reich“, Heft 6, Düsseld. 1888) gibt ein Verzeichnis solcher vorgeschichtlicher Handelsverbindungen an und zwar: 1) Die Straße von Marseille zur Wesermündung, welche zuerst von Massilioten, sodann von den Römern in ihrer ganzen Ausdehnung als Heerstraße benutzt und kunstmäßig unterhalten wurde. Bei Neuwied war der Übergang über den Rhein. 2) Der zweite Handelsweg ging von Nizza nach der Rheinmündung. Derselbe soll, die Seealpen übersteigend, nach Turin und Aosta (Augusta Praetoria) und von da über den Großen St. Bernhard nach Avenches (Aventicum) und Vindonissa, sodann von da bis Mainz geführt haben. Dieser bedeutende Handelsweg [896] wurde in seiner ganzen Ausdehnung von den Römern übernommen und als Hauptmarschroute benutzt. Die zur Römerzeit unwirtlichen Zustände des obern rechtsseitigen Rheinthals zwischen Basel und Mainz erforderten die Anlage einer neuen römischen Militärstraße längs des linksseitigen Hochgestades des Rheines. (Vgl. Näher, Die römischen Militärstraßen und Handelswege in der Schweiz und Südwestdeutschland, Straßb. 1887.) 3) Ein ebenso wichtiger vorgeschichtlicher Handelsweg war der von Genua nach der Elbemündung, über die Apenninen nach Mailand (Mediolanum), den Splügen überschreitend, nach Bregenz. Von da ist es zweifelhaft, ob diese Straße dem westlichen Ufer des Bodensees folgte, oder ob sie über Augsburg führte. Den Übergang über die Rauhe Alb nehmen wir bei Heidenheim an, ebenso, daß der Weg bei Miltenberg den Main erreichte. Von dort soll er unter dem Namen Eselspfad dem Höhenrücken des Spessart gefolgt sein und die Kinzig bei Wirtheim überschritten haben. Das nächste Ziel war der Vogelsberg, dann Alsfeld und Kassel, wo eine Strecke desselben noch erhalten und unter dem Namen Bremer Straße bekannt ist. Von hier aus zieht der Weg östlich am Bad Hofgeismar vorbei bis zur Weser bei Herstelle. Jenseit des Flusses läuft der alte Weg dem Sollinger Wald entlang nach Holzminden, in das Thal der Leine bis Hannover und zieht sodann, eine nordwestliche Richtung einhaltend, über Zeven nach Bremervörde und Kuxhaven. Durch Italien und die Schweiz ist dieser vorgeschichtliche Weg die spätere römische Heerstraße, wie sie im Werke von Näher beschrieben und aufgezeichnet ist. 4) Als einen weitern größern vorgeschichtlichen Handelsweg bezeichnet Schneider den von der Donau in nordwestlicher Richtung nach der Emsmündung führenden. Er soll von dem berühmten Handelsplatz Carnuntum an der Donau über Preßburg und Wien nach Böhmen (Budweis und Pilsen) gezogen sein. Von Eger aus weiter führte er über den Frankenwald und über den Rücken des Thüringer Waldes, wo er unter dem Namen Rennsteig bekannt ist, nach Kassel. Von hier aus setzte er sich über Warburg und Paderborn nach Rietberg fort, von wo er der Ems bis Bingum (Leer) folgte. 5) und 6) Von der Ems aus sollen noch zwei vorgeschichtliche Handelswege in östlicher Richtung zur Elbe geführt haben; der eine von Lathen aus, der als eine rein germanische Völkerstraße zu betrachten ist und auch urkundlich 788 den Namen Falkweg führte; der andre Weg ging von Bingen aus ab, überschritt bei Minden die Weser und zog über die Gegend von Braunschweig nach Magdeburg an die Elbe. Einzelne Strecken dieses Weges sind noch unter den Namen: Kriegerstraße, Heerstraße bekannt. 7) Eine bekanntere vorgeschichtliche Straße, welche die Römer später zu Kriegszwecken benutzten, ist die von Xanten am Rhein bis zur Elbe bei Stade. Bedeutende römische Münzfunde sowie auch die Funde von Bronzegeräten, Bernsteinstücken längs dieser Straße bekunden, daß hier schon vor den Römern ein Tauschhandel zwischen dem Norden und Süden stattgefunden hat. Einen lehrreichen Überblick über diese vorgeschichtlichen Handelswege und über die von den Römern später übernommenen und zu Kriegszwecken benutzten Strecken derselben in dem Tiefland zwischen dem Rhein und der Elbe gewährt die Karte in Heft 9 des angeführten Werkes von Schneider.

Auch im Südwesten von Deutschland lassen sich zahlreiche vorgeschichtliche oder keltische Wegverbindungen nachweisen. Sind doch gerade die in der neuesten Zeit gemachten Funde an Bronzegeräten, Bein- und Thongeschirren sowie an Steinbeilen bei den Pfahlbauten ein untrüglicher Beweis, daß schon vor den Römern Handelsverbindungen zwischen den keltischen Niederlassungen an den Seen der Schweiz und des Binnenlandes von Schwaben bestanden haben, welche bestimmte Wegrichtungen einhielten. Da die Lage der Ansiedelungen der ersten indogermanischen Stämme in Westeuropa bekannt ist, so kann man auch mit Wahrscheinlichkeit auf die ersten Handelswege schließen. Cäsar und Tacitus führen die Kelten als Urbewohner des Oberrheins an; diese behaupteten damals die Donauländer, die Schweiz und Frankreich und standen, als die Römer sie kennen lernten, auf einer hohen Stufe der Kultur. Schon etwa 200–300 Jahre v. Chr. fingen die Einwanderungen der germanischen Stämme, der Sueven, Vangionen, Nemeter, Tribeker etc. an. Nur die erstern wurden nach der Niederlage ihres Führers Ariovist wieder nach Osten zurückgedrängt. Die zahlreichen keltischen Städte, die schon Ptolemäus in den Gebieten des Rheins, Neckars, des Mains und der Donau angibt, ferner die Beibehaltung der rein keltischen Benennungen für unsre meisten Berge, Flüsse, Gaue, Tiere, Pflanzen und Geräte etc. während der Römerherrschaft beweisen zur Genüge, daß die Kelten in der Kultur nicht so weit zurück waren, wie die römischen Schriftsteller sie schilderten. Bär („Chronik der S. im Großherzogtum Baden“) weist bei der Beschreibung mancher Straße auf den keltischen Ursprung derselben hin und sagt ganz richtig: „Der beste Beweis, daß die römischen S. den keltisch-germanischen folgten, liefert der älteste Verkehr zwischen Italien und dem Norden.“ Alle diese Straßenzüge liefern mehr oder weniger Funde von Bernstein aus der Nordsee (der ostpreußische Bernstein kam erst im Anfang unsrer Zeitrechnung in den Handel), Zinn aus Britannien sowie etruskische und keltische Bronzearbeiten. Am Oberrhein müssen wir namentlich die beiden sogen. Bergstraßen, welche einerseits den Vorhügeln des Schwarzwaldes und Odenwaldes, anderseits ebenso dem Vogesen- und Hardtgebirge folgten, auf keltischen Ursprung zurückführen. An diese schließen sich nach W. und O. Wege an, die längst vor der Römerzeit von den Ureinwohnern benutzt wurden, so von der Gegend von Schaffhausen über Stockach nach Ulm, von Breisach über Freiburg nach Zarten (Tarodunum) und von da über den sogen. Turner nach Villingen und dem obern Donauthal. Von Straßburg (Argentoratum), einer alten keltischen Niederlassung, ging ein sehr alter Handelsweg über die Hausberge (bei der Musau) und den Göftberg in ziemlich gerader Richtung nach Zabern. Mittels einer starken Steige erreichte dieser Weg das Gebirge und die lothringische Hochebene bei Saarburg und zog von da nach Metz, der Hauptstadt der keltischen Mediomatriker. Diese Straße wurde als eine wichtige Operationslinie aus dem Herzen Galliens an den Oberrhein von den Römern übernommen und unterhalten. Ein andrer sehr alter Handelsweg zog von Metz über Saarbrücken nach Kaiserslautern und von da über Alzey nach Mainz. Rechtzeitig war die Gegend von Heidelberg, namentlich Lopodunum (Ladenburg), schon vor der Römerzeit von Kelten und Galliern bewohnt und mit Verbindungswegen versehen. Speier (Noviomagus) war die Hauptniederlassung der Nemeter, und es dürften die Wegverbindungen nach Kaiserslautern, nach Worms und anderseits nach Heidelberg und Worms ebenfalls auf keltischen Ursprung zurückzuführen sein. [897] Ähnliches läßt sich noch von manchen alten Verkehrsverbindungen anführen.

Römische Heerstraßen und Handelswege.

Mit der Herrschaft der Römer begann eine weitere und sehr wichtige Fortentwickelung des Straßenbaues. Zum erfolgreichen Fortgang ihrer Eroberungen und zur Behauptung der unterworfenen Länder bedurften die Römer eines Netzes von durch Kastelle und Stationen gesicherten Straßenverbindungen (viae militares). Schon in Italien zeichnete sich dieses große Kulturvolk besonders durch die Anlage großartiger S. aus, von welchen die 40 deutsche Meilen lange sogen. Appische Straße (via Appia) zwischen Rom und Capua, die 315 v. Chr. erbaut und später bis Brundusium verlängert wurde, die berühmteste ist. In Verbindung mit derselben stand die vom Kaiser Domitian angelegte via Domitiana von Sinuessa bis nach Puteoli. Zu den ältesten römischen Militärstraßen gehört ferner die via Flaminia, 220 v. Chr. vom Zensor C. Flaminius angelegt, von Rom durch Etrurien nach Ariminum, mit zwei Fortsetzungen: der vom Konsul M. Ämilius Lepidus 188 v. Chr. angelegten via Aemilia, von Ariminum nach Aquileja führend, und der gleichnamigen von M. Ämilius Scaurus 115 v. Chr. angelegten Straße, die über Pisa und Cumä nach Ligurien führte. Eine Seitenstraße der via Appia war die nach Kampanien führende via Campana, die mit der via Albana und Tusculana in Verbindung stand. Die via Cassia führte von Rom nach der Militärkolonie Florentia in Etrurien (dem heutigen Florenz). Eine der schönsten und längsten römischen S. war die via Valeria, welche von Rom durch das Gebiet der Sabiner, Äquer und Marser bis an das Gebiet der Päligner sich erstreckte, als Fortsetzung der via Tiburtina, die in östlicher Richtung nach Tibur führte. Die via Latina führte vom capenischen Thor durch das Liristhal bis Teanum und mündete schließlich in die via Appia. Die via Ostiensis ging auf der Westseite des Tiber bis zur Mündung desselben bei Ostia. Die via Postumia verband Cremona und Mantua. In den jenseit der Alpen liegenden schnell unterworfenen Ländern benutzten die Römer die angeführten Handelswege zum raschen Vorschieben ihrer Legionen, aber es waren doch auch noch, namentlich an der germanischen Grenze, zum Schutze derselben neue Marschlinien nötig.

Zur Zeit der Römerherrschaft bestanden schon folgende S. über die Alpen zur Verbindung von Italien mit Gallien und Germanien: 1) Über die Cottischen Alpen von Augusta Taurinorum (Turin) nach Arelate (Arles) im Süden von Gallien. 2) Über den Kleinen Bernhard (Alpes Grajae) von Augusta Praetoria nach Vienna (Vienne) und Lugdunum (Lyon). 3) Über den Großen Bernhard (Summus Poeninus) von Aosta nach Octodurum (Martigny) und von da über Vevey, Avenches nach Augusta Rauracorum (Augst bei Basel). 4) Die S. von Mediolanum (Mailand) über die Rätischen Alpen nach Brigantium (Bregenz): a) über den Splügen, b) über den Septimer von Chiavenna aus, c) von Como aus über den Bernhardin nach Chur. 5) Die Straße von Verona über den Arlberg nach Brigantium. Diese Straße, von hier mit Augsburg in Verbindung, ist unter dem Namen via Claudia bekannt. 6) Die Straße über den Brenner und von da über Partenkirchen nach Augsburg wurde erst in der letztern Zeit der Römerherrschaft nutzbar gemacht. An diese S. reiht sich die Hauptquerverbindung von Lyon und Vienne an dem Rhône nach Genf und Vevey an. Ebenso von Bedeutung waren die S. von Lousanna (Lausanne) über den Jura nach Vesontio (Besançon) und von da über das heutige Belfort nach dem Oberrhein, nämlich nach Augusta Rauracorum und nach Argentoratum (Straßburg).

Im obern Rheinthal von Basel bis Mainz hatte nur die linksseitige Rheinebene für die Römer einen strategischen Wert, und die von denselben besonders auf dem Hochgestade angelegte Militärstraße diente als eine Operationsbasis zur Deckung Galliens gegen die Einfälle der Germanen. Im rechtsseitigen Rheinthal längs der Schwarzwaldvorberge und längs des Odenwaldes, das für die Römer keinen militärischen Wert hatte, finden wir keine von den Römern angelegten S. Die sogen. Bergstraße, keltischen Ursprungs, diente als Handelsweg zwischen den wenigen keltischen und römischen Niederlassungen. Von einiger Bedeutung war die Querverbindung von Straßburg über Baden (Aquae Aureliae) und Pforzheim nach der Station Clarenna (Kannstatt) an der Straße nach Reginum (Regensburg). Diese letztere Straße begann nach der sogen. Peutingerschen Tafel (einer römischen Straßenkarte aus der Zeit des Kaisers Alexander Severus) in Vindonissa (Windisch), ging bei Zurzach über den Rhein, gewann sodann den Hohenranden und erreichte bei der Station Brigobanna das Donauthal. Von hier aus überschritt die Straße die Wasserscheide von Donau und Neckar und folgte dem linksseitigen Höhenrücken desselben über den Schönbuchwald nach Kannstatt. Eine Station weiter erreichte sie den limes (Pfahlhag), die Grenzwehr des römischen Reiches, und zog von da, einen weiten Bogen linksseitig der Donau beschreiben, nach Regensburg (Reginum). Auch von Heidelberg, d. h. von Wisloch, aus bestand eine Querverbindung mit den Stationen am limes. Alle diese römischen S. mit den Stationen, Niederlassungen und Fundorten sind auf einer von Paulus zusammengestellten archäologischen Karte für das Königreich Württemberg angegeben. Was die elsässische und pfälzische Rheinthalebene anbelangt, so war dieselbe zur Römerzeit sowohl von Kelten (Galliern) und von den deutschen Stämmen der Triboker, Nemeter und Vangionen als auch von den Römern bewohnt. Wir treffen daher auch hier außer der Militärstraße längs des Rheinhochgestades und der Bergstraße noch verschiedene Abzweigungen derselben. Alle diese S. ermöglichten einen raschen Aufmarsch der Legionen an den bedrohten Punkten und trugen wesentlich dazu bei, daß die Römer das gallische Rheinland noch ca. 150 Jahre länger behaupten konnten als das sogen. Zehntland oder das rechtsseitige Vorland des Rheins. Bezüglich der römischen S. am Unterrhein bieten die Angaben von Schneider die beste Belehrung. Im großen ganzen haben wir die Hauptmarschrouten, welche die Römer übernahmen, schon bei den vorgeschichtlichen S. erwähnt.

In der Tiefebene Norddeutschlands schreibt man jetzt die sogen. Bohlenwege durch die Moore ebenfalls den Römern zu. Sie sollen in ihrem Anfang und ihrer Richtung nach mit dem Eindringen der Römer in Verbindung stehen, da sie von W. nach O. liegen. Diese Wege sind angeblich die von Tacitus erwähnten pontes longi und bestehen aus gegen den Kern gespaltenen, auf Langschwellen ruhenden Blöcken von hartem Holz. Im sumpfigen Hochland von Lothringen werden die aus Lagen von gebrannten Lehmplatten bestehenden Überbrückungen (briquetage de la Seille) ebenfalls auf römischen Ursprung zurückgeführt.

[898] Die Beschreibung des Oberbaues der römischen Kunststraßen von Plinius und Vitruv ist für unsre römischen Straßenbauten nicht maßgebend. Eine Art Beton (Substrat) mit Steinplattenschichten als Unterlage des eigentlichen Planums (summum dursum) kommt bei uns nicht vor. Die Lokaluntersuchungen von Näher im Elsaß an den noch aus der Römerzeit gut erhaltenen S., der Militärstraße von Basel nach Straßburg, haben ergeben, daß hier die ganze Unterlage in einer ca. 3,5 m breiten und ca. 0,4 m hohen Kiesanschüttung bestand. Dieser Kies wird bei den Wegen schon nach 20–30 Jahren so fest, daß man die Schicht für eine Betonmasse halten könnte. Im Elsaß und jenseit des Rheins bestehen nur noch kleinere Reste von alten Straßenpflasterungen mit Geleisen von Rädern, welche von manchen auf römischen Ursprung zurückgeführt werden, aber ebensogut einer spätern Zeit angehören können. Auch die Lage (bis 1 m unter dem jetzigen Kulturboden) entscheidet nicht über den römischen Ursprung, da ein verlassener mittelalterlicher Weg schon in 100 Jahren vom Kulturboden bis zu 0,5 m Höhe überwuchert sein kann. Die eigentümliche Tracierung der altkeltischen Wege blieb auch in der römischen Zeitepoche maßgebend. In den gebirgigen Gegenden war bis auf die neueste Zeit die gesicherte Lage, der trockne Untergrund und die Verfolgung von kürzern Richtungen für die Tracierung der S. maßgebend.

Von der kommerziellen und technischen Tracierung, welche jetzt von einer Kunststraße verlangt wird, hatten die Kelten und Römer keine Ahnung. Doch bekundete immerhin die planmäßige Eindeckung der S. mit Kies, die Pflasterung der Straßendecke, die Überbrückung der Flüsse und die sorgfältige Unterhaltung der S. zur Römerzeit einen großen Fortschritt in der Entwickelung des Straßenbauwesens.

Anerkennenswert war auch die Fürsorge der Römer für die Bestimmung der Entfernungen zwischen den Stationen ihrer S. durch die Aufstellung der sogen. Meilenzeiger oder Leukenzeiger. In Rom, dem Zentrum des römischen Straßennetzes, stand der goldene Meilenstein (milliarium aureum), den Kaiser Augustus auf dem Forum errichten ließ. In der Provinz Germania und in Gallien behielt man die altkeltische Rechnung mit Leuken bei (1 Leuca = 1500 röm. Schritt, 2 Leuken = 1 Wegstunde = 4440 m). Den Göttern der Doppelwege, Dreiwege und Kreuzwege wurden Altäre errichtet. Daß die römische Verwaltung auch im Zehntlande für die Unterhaltung der S. Sorge trug, beweist der bei Kannstatt aufgefundene Votivstein eines curator reficiendarum viarum (Straßenmeister).

Mittelalterliche Straßen und Handelsverbindungen.

Nach der Vertreibung der Römer erhielten sich deren Hauptstädte, und es blieben auch die römischen S. in Benutzung. Nur im weniger gebirgigen Gelände, wo die germanischen Orte in den Thalgründen entstanden, verlegte man auch hierher die Wege, und es verödete der auf dem Gebirgsrücken liegende alte Römerweg, der alsdann sehr oft als Banngrenze fortbestand. Mit dem Aufblühen der an den Hauptverbindungsstraßen zwischen Italien und Norddeutschland liegenden Städte, wie Augsburg, Ulm, Nürnberg, Frankfurt, Basel, Straßburg, Mainz, Köln etc., entwickelte sich ein großer Verkehr, welcher einen bessern Zustand der S. bedingte. Der durchgehende Handelsverkehr zwischen der Lombardei und Norddeutschland bediente sich vorzugsweise der Alpenstraße über den Brenner nach Augsburg und über den Arlberg nach Bregenz oder auch der Straße über den St. Gotthard nach Basel.

Nach der Entdeckung Amerikas behielt der durchgehende Handel, wie heute noch, den Zug von Holland und Belgien aus rheinaufwärts, vorzugsweise auf den alten Handelsstraßen. Es entstand im Mittelalter eine Menge von neuen Verkehrsverbindungen zwischen den aufblühenden freien Reichsstädten, Gaugrafensitzen und reichen Abteien, doch gingen viele derselben im Dreißigjährigen Krieg wieder zu Grunde. Die außerordentliche Zersplitterung der Territorien verhinderte in Deutschland die kunstgerechte Durchführung und Unterhaltung längerer Verkehrsverbindungen, wie sie in Frankreich entstanden, wo übrigens auch die alten römischen Militärstraßen bis in die Neuzeit als die Hauptverkehrsverbindungen beibehalten wurden. In Flandern namentlich und den angrenzenden französischen Departements sind die Römerstraßen in den oft stundenlang in geraden Linien führenden Landstraßen erhalten und als sogen. Brunehildenstraßen (auch in den Karten) bezeichnet. Der Herzogin Brunehilde von Flandern wird die Wiederherstellung dieser alten römischen Heerstraßen zugeschrieben. Einen wesentlichen Fortschritt im Verkehrswesen zeigen die schon im 12. und 13. Jahrh. in den deutschen Reichsstädten angeordneten Pflasterungen und die im 15. und 16. Jahrh. ausgeführten größern steinernen Brückenbauten (Regensburg, Frankfurt etc.).

Die Straßen der Neuzeit.

Schon zu Anfang des 18. Jahrh. begann in Deutschland ein regerer Sinn für das Straßen- und Brückenbauwesen, wozu die höhere Ausbildung der Genieoffiziere bei den großen Armeen wesentlich beitrug. Diese führten auch am Oberrhein unter Leitung ihrer Heerführer, wie Markgraf Ludwig von Baden und Prinz Eugen, später Erzherzog Karl und General Wurmser, bedeutende Straßenbauten als Marschlinien zu den mächtigen Verschanzungen bei Ettlingen, Weißenburg und Philippsburg aus. Hierher gehört die Straße von Mühlburg durch die Mitte des Hardtwaldes nach Heidelberg, der man sehr unberechtigt römischen Ursprung zugeschrieben hat; desgleichen die nun ebenfalls verlassene Straße von den Weißenburger Linien durch den Bienwald in der Richtung nach Speier. Bei Durlach von der Höhe bei Grötzingen an der sogen. Augustenburg vorbei wurde wahrscheinlich vom Markgrafen Ludwig von Baden eine Straße angelegt, bei welcher schon der Grundsatz eines gleichmäßigen Gefälles und der Ausgleichung von Auf- und Abtrag zur Geltung kam. Ein besseres Steinfundament wurde durchgeführt, doch besteht die Unterlage noch aus aufeinander gelegten Plattenstücken, während das jetzt allgemein eingeführte Gestück (aufrecht stehende Steine) erst in der Mitte des 18. Jahrh. Eingang fand.

In Frankreich zogen die unter Ludwig XIV. gebauten S. die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich; namentlich die 1737 angelegte neue Steige von Zabern über die Vogesen nach Pfalzburg, welche 10 m Breite und 8–9 Proz. Steigung hatte. Die französischen Straßenbauvorschriften fanden auch bald in den deutschen Gebieten Nachahmung. Es wurde im 18. Jahrh. eine große Anzahl S., besonders in dem schwäbischen Kreis, verbreitert und durch eine regelrechte Chaussierung mit Steinfundament und mit einer aus geschlagenen Steinen bestehenden Eindeckung verbessert. Die für den Verkehr lästigen Furten über die Flüsse wurden nach und nach überbrückt. Eigentliche Straßenkorrektionen, d. h. kunstgerechte Umgehungen der alten auf keltischen und römischen Ursprung zurückgehenden Steige, die oft noch [899] Gefälle bis zu 20 Proz. enthielten, kamen jedoch im 18. Jahrh. noch nicht vor. Auf guten S. in der Ebene konnten 2 Pferde höchstens 25 Ztr. fortbewegen, bei schlechten S. waren 4 Pferde hierzu nötig, und bei Steigungen wurden oft 10 oder mehr Vorspannpferde in Anspruch genommen. Das Haupthindernis der Durchführung größerer kunstgemäßer Straßenverbindungen in Deutschland war die große Anzahl der kleinen Territorien, die sich nicht einigen konnten und alle kostspieligen Brückenbauten vermieden.

Diese Hindernisse fielen zu Anfang dieses Jahrhunderts weg, und es begann auf dem Gebiete des Verkehrswesens eine Rührigkeit, welche wesentlich den Grund zur jetzigen Kulturentwickelung legte. Infolge der Aufhebung der Straßengelder, der Straßenfronen, der Zollschranken etc. hoben sich die Quellen des Erwerbes, und das Verlangen nach Straßenbauten, namentlich in den bisher verlassenen Thalgründen, wo die Wasserkräfte nur sehr mangelhaft durch ein paar Mühlen benutzt waren, wurde allgemein. Der Wunsch der Landgemeinden, die wichtigern Gemeindewege in Landstraßen umzuwandeln, fand bei den Volksvertretungen die entsprechende Würdigung und thatsächliche Unterstützung.

Die erste längere Kunststraße über das Gebirge zwischen Lahr und Biberach im Kinzigthal, die in Baden nach den neuesten Grundsätzen der Nationalökonomie angelegt wurde, fällt indessen erst in die Jahre 1821–30, und noch länger dauerte es, bis man die Hochstraßen in die Thäler verlegte und so den Gewerben die Benutzung der billigen Wasserkräfte aufzuschließen begann.