Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Stockholm“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 339340
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Stockholm. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 339–340. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Stockholm (Version vom 14.04.2021)

[339] Stockholm, schwed. Län, begreift den östlichen Teil von Upland und den nordöstlichen Teil von Södermanland, grenzt im W. an das Län Upsala, im SW. an Södermanland, ist zu fast 4/5 des Umfanges von der Ostsee und dem Mälar umgeben und hat (mit der Stadt S.) ein Areal von 7643,7 qkm (138,6 QM.). Die Küstenlandschaften sind bergig und bewaldet, während weiter im Innern offene Ebenen mit Seen und Wäldern und größere oder kleinere Bodenerhebungen abwechseln. Die Bevölkerung zählt ohne die Stadt S. (1888) 152,160 Seelen. Von der uralten Kultur Uplands zeugen unter anderm zahlreiche Runensteine. Der Boden ist im ganzen fruchtbar, doch nimmt das Ackerland nur 14,5 Proz. der Bodenfläche ein, während auf natürliche Wiesen 9 und auf Wald 51 Proz. entfallen. Angebaut werden vornehmlich Hafer (1886: 744,000 hl geerntet), Roggen (353,000 hl), Mengkorn, Gerste und Weizen. 1884 zählte man 21,397 Pferde, 84,389 Stück Rindvieh, 39,823 Schafe, 16,441 Schweine. Von großer Bedeutung sind Fischerei, Schiffahrt und Handel.

Wappen von Stockholm.

Stockholm (hierzu der Stadtplan, mit Karte der Umgebung von S.), Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Schweden, liegt am Ausfluß des Mälar in die Ostsee (Salzsee genannt), welche einen insel- und schärenreichen Busen bildet, und ist durch Eisenbahnen mit Malmö, Gotenburg, Christiania und Drontheim verbunden. Die einzelnen Teile der Stadt sind: Staden, die eigentliche Stadt, in der Mitte des Ganzen auf einer Insel gelegen, mit den dazu gehörigen kleinern Inseln Riddarholm und Helgeandsholm; Södermalm („Südvorstadt“) im Süden, groß und regelmäßig gebaut, aber sehr uneben, durch zwei Zugbrücken mit der eigentlichen Stadt verbunden; Norrmalm („Nordvorstadt“) im N., durch die aus Granitquadern erbaute neunbogige Nordbrücke und seit 1878 durch die westlich davon belegene Wasabrücke mit der Stadt und durch eine 1861 vollendete eiserne Brücke mit dem Skeppsholm („Schiffsinsel“) verbunden, von wo eine hölzerne Brücke nach dem Kastellholm führt, welche beide Inseln die Marineetablissements enthalten; Kungsholm („Königsinsel“) im W. von Norrmalm; Ladugårdslandet („Meiereiland“) im NO. von Norrmalm, jetzt Östermalm genannt, die Kasernen enthaltend. Hierzu kommt noch die mit dem vorigen Stadtteil zusammenhängende Tiergartenstadt mit Beckholm. Außerdem liegen bei Södermalm im Mälar die beiden Inseln Långholmen, mit Straf- und Besserungsanstalt, und Reimersholmen. Die Stadt enthält 40 öffentliche Plätze und ca. 300 Straßen und Gassen. Die Eisenbahn, welche über den Mälar mittels einer großen Brücke geführt ist, durchschneidet einen großen Teil der Stadt. Die eigentliche Stadt ist an der Salzsee und am Mälar mit einem Kai von Granit umgeben, welcher sich auch jenseit der Nordbrücke am Norrmalm noch eine gute Strecke fortsetzt und den Hafen begrenzt. An der Salzsee zieht sich eine breite Straße, die Schiffbrücke, hin, an der Westseite mit ansehnlichen Häusern besetzt (darunter die Bank und das Pack- oder Zollhaus). Am Fuß des mit einem hohen Obelisken von Granit gezierten Schloßbergs steht die Statue Gustavs III. (von Sergel) sowie zwischen dem Mälarsee und der Salzsee die Reiterstatue von Karl XIV. Johann (von Fogelberg). Plätze am Mälar sind: der Ritterhausplatz (mit der Statue Gustav Wasas), von wo man über eine Brücke auf den Riddarholm gelangt, welcher außer der als Königsgruft benutzten Riddarholmskirche (mit 90 m hohem Turm, zum Teil Gußeisen, seit 1839) mit fast lauter öffentlichen Gebäuden (Haus des Reichstags, Hofgericht etc.) besetzt und mit der Statue des Birger Jarl, des Gründers der Stadt, geziert ist. Für den täglichen Verkehr bestimmt sind die Plätze: Mönchsbrücke, Fleischmarkt und Kornhafen. Unter den Plätzen der innern Stadt ist nur der Große Markt bemerkenswert wegen des Stockholmer Blutbades vom 8. Nov. 1520, mit dem schönen Börsengebäude. Auf Norrmalm sind der Gustav Adolfsplatz, mit der Reiterstatue des Helden und dem königlichen Theater, sodann der Brunkebergsplatz, der Heumarkt und der Platz Karls XIII. an der Salzsee (mit der Statue des Königs), endlich auf Blasiiholm der Berzeliusplatz, mit der Statue des berühmten Chemikers (von Quarnström), zu bemerken. Die schönsten Straßen hat Norrmalm, darunter die Regierungs- (Regeringsgata) u. Königinstraße (Drottninggata).

Unter den Kirchen ist keine von besonderer architektonischer Bedeutung. Die Hauptkirche St. Nikolai (aus dem 13. Jahrh., 1736–43 umgebaut) wird als Krönungskirche benutzt. Unter den weltlichen Gebäuden nimmt das königliche Schloß, am nördlichen Ende der eigentlichen Stadt, den ersten Rang ein. Es wurde 1697–1753 nach Nik. Tessins Plänen im edelsten neuitalienischen Stil aufgeführt und bildet ein großes Viereck mit vier niedrigern Flügeln an den Ecken und zwei halbrunden, frei stehenden Flügelgebäuden an der Westseite. Sonst sind von Gebäuden noch zu nennen: der Palast des Oberstatthalters; in Norrmalm der Palast des Erbprinzen (gegenwärtig unbewohnt), die Akademie der Wissenschaften, das Observatorium, das Nationalmuseum (1850–65 nach Stülers Zeichnungen aufgeführt), der große Zentralbahnhof, das Gebäude der Reichsbibliothek (ca. 250,000 Bände) u. a.; auf Kungsholm die Krankenhäuser und außerhalb der Stadt die Kriegshochschule Marieberg u. a. Die Stadt besitzt seit 1861 eine treffliche Wasserleitung. Promenaden sind: das Stromparterre, der Humlegarten, besonders aber der Tiergarten im O. der Stadt, mit Villen, Wirtshäusern, Theater, dem königlichen Lustschloß Rosendal etc. Die Bevölkerung der Stadt betrug Ende 1887: 227,964 Seelen, meist Lutheraner (1880 nur 577 Römisch-Katholische und 1259 Juden). Die Industrie ist lebhaft. Die meisten Gewerbe werden fabrikmäßig betrieben; außerdem gibt es mehrere Zuckerraffinerien, Tabaks-, Seiden- und Bandfabriken, mechanische Werkstätten (darunter 3 große), Stearin- und Talgfabriken, Lein- und Baumwollzeugwebereien, Lederfabriken, Eisengießereien etc. 1883 besaß die Stadt 292 Fabriken, deren Fabrikate einen Wert von 33½ Mill. Kronen hatten. Der Handel, durch die Lage der Stadt und gute Häfen sehr begünstigt, ist zwar noch sehr lebhaft; doch beginnen andre Städte des Landes, namentlich Gotenburg, mit S. erfolgreich zu rivalisieren. Drei Wasserwege führen durch die Schären zur Stadt: im N. bei Furusund, im O. bei Sandhamn und im Süden bei Landsort an Dalarö vorbei. Da aber diese Wege lang und schwierig sind und der Hafen jährlich 3–5 Monate lang durch Eis gesperrt ist, so ist die Anlage eines äußern Hafens bei dem Gut Nynäs, etwa 50 km von der Stadt, projektiert, welcher durch Eisenbahn mit S. in Verbindung gesetzt werden soll. Die Stockholmer Schiffsdocks sind neuerdings sehr erweitert worden. Die Stadt besaß

[Ξ]

UMGEBUNG VON STOCKHOLM.
1 : 150000.

[Ξ]

STOCKHOLM.
1 : 20.000
Adolf Fredriks-Kyrka BC1
Arfprinsens-Pal. C3
Baptist-K. C2
Bibliotheket D1
Blasiholmen D3
Bangården B3
Börsen CD4
Djurgården F3,4
Dramat. Teater D3
Drottninggatan BC1-3
Gustav Adolfs-Torg C3
Helgeandsholm C3
Hötorget C2
Humlegården D1
Jakobs-Kyrka C3
Johannis-K. C1
Kanzli C3,4
Karl Johanns-K. E4
Karl XIII. Torg CD2,3
Kastellholmen E4
Katharina-K. D5
Konigl. Slottet D3,4
Konigl. Stora Teater C3
Konst-Akademi C3
Kungsholms Kyrka A3
Ladugårdslands-K. D2
Lif Gardets-Kas. E2
Mosebacke D5
Musik-Akademi B3
National-Museum D3
Nia Teater D3
Nikolai-K. CD4
Nord. Museum B2
Norrbro C3
Norska Statsmin-Hôt. D3
Posthuset C3
Radhuset C4
Regeringsgatan C1-3
Riddarholmen C4
Riddarholms-K. C4
Riddarhuset C4
Riksbanken D4
Serafimer Laz. B3
Skeppsbron D3,4
Skeppsholmen E4
Slöjdskolan C2
Slussen D5
Stortorget CD4
Strömparterren CD3
Svea Lif-Gardets-Kas. F2
Synagoge D2,3
Trädgårdsgatan CD2,3
Tyska Kyrka D4
Vetenskaps-Akad. BC1
Wasabro C3
Westerlångatan CD4
Wasagatan BC2,3

[340] 1883 eine Handelsflotte von 277 Schiffen, davon 192 Dampfschiffe von 21,184 Ton. Die innere Kommunikation der Stadt wird durch viele kleine Dampfschiffe sowie Omnibusse und Pferdebahnen besorgt. Als Beförderungsmittel des Handels sind zu nennen: die Reichsbank, die Stockholmer Privatbank, die Börse, die Seeassekuranz etc. Die Einfuhr besteht vornehmlich in Getreide (Roggen, Weizen), Mehl, Wein, Reis, Heringen, Ölen und Ölkuchen, Kupfer, Zink, Baumwolle, Korkrinde, die Ausfuhr in Eisen und Stahl, Hafer, Teer, Thran, Asphalt. Im ausländischen Verkehr kamen 1886: 1769 Schiffe von 598,889 Ton. an, 1790 Schiffe von 605,572 Ton. gingen ab. Von Wohlthätigkeitsanstalten sind das große und das Freimaurerwaisenhaus, die Murbeksche Erziehungsanstalt, ein großes Entbindungshaus (auf Kungsholm), ein Taubstummen- und Blindeninstitut, das Irrenhaus auf Konradsberg zu bemerken. Von wissenschaftlichen Anstalten hat die Stadt eine Akademie der Wissenschaften mit Sternwarte und das naturhistorische Reichsmuseum sowie Akademien der Geschichte und Altertumskunde, der freien Künste, der Musik, der Kriegswissenschaften, des Landbaues (mit Versuchsstation). S. besitzt zahlreiche öffentliche Lehranstalten, darunter zwei für Ausbildung von Lehrerinnen, und gelehrte Schulen. Fachschulen sind außer der genannten Kriegshochschule: eine Artillerie- und eine Seekriegsschule, das Karolinische medizinisch-chirurgische Institut, das gymnastische Zentralinstitut, eine technische Hochschule, eine Gewerbeschule, Navigationsschule, Veterinärschule, ein pharmazeutisches und ein Forstinstitut. Eine Universität ist in der Bildung begriffen. Von Kunstinstituten verdienen Erwähnung das Nationalmuseum, welches Sammlungen ägyptischer und vorhistorischer Altertümer, von Skulpturen, Gemälden und Kupferstichen enthält, und das für die Völkerkunde des skandinavischen Nordens wichtige Nordische Museum. Von den fünf Theatern sind am bedeutendsten das Opernhaus, das Neue Theater und das Dramatische Theater. S. ist Sitz der sämtlichen höchsten Reichskollegien u. Regierungsdepartements sowie zahlreicher auswärtiger Gesandtschaften und Konsuln (darunter auch ein deutscher Berufskonsul). Die Ausgaben der Stadt beliefen sich 1884 auf 16,6 Mill. Kronen, das Vermögen auf 43,2 Mill. Kr., die Schulden auf 41,3 Mill. Kr. In der Umgebung Stockholms liegen das Lustschloß Haga mit Park, Ulriksdal und auf der Mälarinsel Lofö Drottningholm, das schönste der königlichen Lustschlösser, mit herrlichen Parkanlagen.

Die Stadt S. ist wahrscheinlich aus einem Fischerdorf entstanden, das auf einer der zahlreichen Inseln lag. Als 1187 die Esthen in Schweden einfielen, erbaute der König Knut Erikson, um die Räuber abzuhalten, an der Stelle, wo jetzt S. liegt, ein Schloß, um welches sich nach und nach ein Flecken bildete, den König Birger 1255 zur Stadt erhob. 1389 wurde S. von der Königin Margarete von Dänemark belagert und auf Befehl des gefangenen Königs Albrecht (von Mecklenburg) übergeben. In der Nähe erfochten 14. Okt. 1471 die Schweden unter Sten Sture jenen glänzenden Sieg über die Dänen, welcher der dänischen Herrschaft über Schweden ein Ende machte. 1497 ward hier von den Schweden ein abermaliger Sieg über die Dänen erfochten. Christian II. belagerte die Stadt 1518 vergebens, nahm sie aber 1520 nach einer neuen Belagerung durch Vertrag ein, worauf im November das berüchtigte Stockholmer Blutbad erfolgte, bei welchem Christian, um seinen Thron zu befestigen, mehrere hundert schwedische Edelleute und Bürger hinrichten ließ. Vgl. Ferlin, Stockholms stad (Stockh. 1854–58, 2 Bde.); Wattenbach, S., ein Blick auf Schwedens Hauptstadt (Berl. 1872); Lundin und Strindberg, Gamla S. („Das alte S.“, Stockh. 1882); Heurlin, Illustrated guide to S. (das. 1888).