MKL1888:Stillen der Kinder

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Stillen der Kinder“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 327
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Stillen der Kinder. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 327. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Stillen_der_Kinder (Version vom 07.02.2023)

[327] Stillen der Kinder, die Ernährung der Kinder in den ersten Lebensmonaten durch die Mutter- oder Ammenmilch. Für das neugeborne Kind, den Säugling, ist die Milch seiner Mutter die natürlichste und gesündeste Nahrung. Anderseits ist das Stillen ihrer Kinder für die Mutter eine natürliche Pflicht und für die Erhaltung ihrer eignen Gesundheit, zumal während des Wochenbettes, erforderlich. Bleibt die Mutter gesund, und wird die Milchabsonderung nicht gestört, so genügt die Mutterbrust dem Kind bis zu der Zeit, wo mit dem Durchbruch der Zähne sich der Trieb nach festen Nahrungsmitteln äußert. Mit dem ersten Anlegen des Kindes darf man nicht warten, bis die Brüste reichlichere und wirkliche Milch geben. Gerade durch das Saugen des Kindes wird die Milchabsonderung am besten befördert, und das Kolostrum, welches vom Kind zuerst verschluckt wird, begünstigt den Abgang des Kindspechs aus dem Darm. Schon in den ersten 24 Stunden nach der Geburt, am besten, sobald das Kind ordentlich aufgewacht ist, legt man dasselbe an die Brust und wiederholt dies etwa alle 3 Stunden, im allgemeinen um so häufiger, je schwächlicher das Kind ist, und läßt es dann um so weniger auf einmal trinken. Sonst aber läßt man es saugen, bis es satt ist, d. h. bis es zu trinken aufhört, oder bis es einschläft. Man läßt das Kind nun so lange schlafen, bis es von selbst aufwacht, und gibt ihm dann wieder die Brust. Nach einigen Monaten braucht dem Kinde die Brust nur in größern Zwischenräumen gereicht zu werden, und es pflegt dann um so größere Portionen auf einmal zu trinken. Wegen der nachteiligen Wirkung auf die Milchabsonderung und somit auch auf den Säugling darf dieser niemals gleich nach einem heftigen Gemütsaffekt, Zorn oder Ärger, der Mutter an die Brust gelegt werden; man kennt viele Fälle, wo Kinder unter solchen Umständen plötzlich erkrankt und selbst gestorben sind. Nach jedesmaligem Trinken muß der Mund des Säuglings mit einem zarten, in Wasser getauchten Leinwandläppchen sorgfältig gereinigt werden. Es ist dies das sicherste Mittel gegen Schwämmchenbildung auf der kindlichen Mundschleimhaut sowie gegen das Wundwerden der Brustwarzen. Mit der Entwickelung der Zähne müssen dem Kind noch andre Nahrungsmittel als Milch gereicht werden, und jetzt, wenn das Kind die Mutterbrust beißen kann, soll es von derselben entwöhnt werden, gewöhnlich etwa nach Vollendung des ersten Lebensjahrs, oft aber auch erst später. Je schwächlicher und kränklicher das Kind, je schlechter es genährt ist, um so später ist dasselbe zu entwöhnen, desgleichen bei bestehendem Verdacht auf erbliche Anlage zu gewissen Krankheiten. Hier fahre man womöglich mit dem Stillen über das erste Zahnen hinaus fort. Überhaupt warte man mit dem Entwöhnen eine Zeit ab, wo das Kind ganz gesund ist, und nehme es womöglich erst im Frühjahr oder Sommer vor. Immer sollte das Kind schon vorher mit Vorsicht und allmählich an dünnen Milchbrei, Suppen mit Zwieback, Arrowroot u. dgl. gewöhnt werden. Dem entwöhnten Kind gibt man täglich vier- bis fünfmal einen dünnen Brei aus feinem Weizenmehl, fein gestoßenem Zwieback und Milch mit wenig Zucker. Nebenher gibt man dem Kind gute, erwärmte, nicht abgekochte Kuhmilch, unter Umständen mäßig verdünnt, zu trinken. Wird das Kind stärker, so reicht man ihm Kalbfleisch- und Hühnerfleischbrühe, später auch andre Fleischbrühsuppen mit Grieß, Reis u. dgl., die aber durchgeseiht und einem dünnen Brei ähnlich sein müssen, bis man endlich nach dem Zahndurchbruch zu festern Nahrungsmitteln übergeht.