Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Steuerruder“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 314
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Steuerruder. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 314. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Steuerruder (Version vom 05.12.2022)

[314] Steuerruder (Ruder), Vorrichtung zum Lenken des Schiffs, bestehend aus einem hölzernen oder eisernen Blatt, welches in vertikaler Ebene, drehbar am Hintersteven des Schiffs, ähnlich wie eine Thür in ihren Angeln, befestigt ist. Man unterscheidet am S. das Ruderblatt, welches sich ganz oder zum größten Teil unter Wasser befindet, und den Ruderhals mit dem Ruderkopf, welche, wenn erforderlich, wasserdicht durch die Schiffswand geführt, in den innern Schiffsraum hineinragen. Am Ruderkopf greift die Ruderpinne an, ein hölzerner oder eiserner einarmiger Hebel, oder das Ruderjoch, ein eiserner zweiarmiger Hebel. Während die Pinne gewöhnlich mit dem Ruderblatt in einer Ebene liegt, steht das Ruderjoch im allgemeinen querschiffs. Durch Drehung der Pinne oder des Jochs wird das Ruder um einen ebenso großen Winkel aus der Symmetrieebene des Schiffs herausgedreht und dadurch die Symmetrie des den Schiffskörper umgebenden Wasserstroms gestört, vorausgesetzt, daß ein solcher infolge der bis dahin geradlinigen Bewegung des Schiffs vorhanden ist. Das Schiff wird dadurch gezwungen, von seiner bisherigen Bahn in der Weise abzuweichen, daß der Mittelpunkt der vom Schwerpunkt des Schiffs beschriebenen Bahnlinie auf derjenigen Seite des Schiffs liegt, nach welcher das Ruderblatt gedreht wurde. In neuerer Zeit ist bei einzelnen größern Schiffen (König Wilhelm) das Balanceruder zur Anwendung gekommen, ein Ruder, dessen Drehachse die Fläche des Ruderblattes ungefähr in dem Verhältnis von 1 : 2 teilt, so daß ein Drittel des Flächeninhalts des Blattes vor der Drehachse liegt. Ein Balanceruder bedarf einer kleinern Kraft zum Drehen als ein ebenso großes gewöhnliches Ruder und kann infolgedessen schneller gedreht werden. Anderseits kehrt es nicht so schnell in seine neutrale Lage zurück wie dieses. Die Bewegung der Pinne erfolgt bei kleinern Schiffen direkt mit der Hand, bei größern Schiffen durch Flaschenzüge, Zahnradübersetzungen, Schraubenräder, hydraulische Pressen etc. Die Kraft wird am Steuerrad eingeleitet, einem mit Griffen versehenen, um eine horizontale Achse drehbaren Speichenrad, welches eventuell in mehrfacher Ausführung vorhanden sein muß, um eine größere Anzahl von Leuten zum Drehen des Ruders verwenden zu können. Der Widerstand des um einen gewissen Winkel gedrehten Ruders ist unter sonst gleichen Umständen proportional mit dem Quadrat der Schiffsgeschwindigkeit; steigert man diese auf das Doppelte, so wächst dadurch der Widerstand des Ruders auf die vierfache Größe. Es ist daher erklärlich, daß bei den neuesten Schiffen mit Geschwindigkeiten bis zu 20 Knoten und darüber zur Bewegung des Ruders Menschenkraft nicht mehr ausreicht, um das Schiff Bahnlinien von starker Krümmung beschreiben zu lassen. Dies ist die Veranlassung zur Einführung des Dampfsteuerapparats, einer kleinen, zweicylindrischen Dampfmaschine, welche die Achse der bisherigen Steuerräder nach Steuerbord oder Backbord in Rotation versetzt. Die Verrichtung des Mannes am Ruder beschränkt sich alsdann auf das Anlassen dieser Maschine in der einen oder andern Richtung und deren rechtzeitige Arretierung.