MKL1888:Steinkohlenpech

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Steinkohlenpech“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 275
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Steinkohlenpech. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 275. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Steinkohlenpech (Version vom 19.02.2023)

[275] Steinkohlenpech, pechartige Masse, welche aus Steinkohlenteer gewonnen wird. Destilliert man aus letzterm die flüchtigern Öle ab, so erhält man als Rückstand Asphalt, etwa 80 Proz. vom Gewicht des Teers; destilliert man etwa 10 Proz. mehr ab, so bildet der Rückstand weiches und bei noch weiter fortgesetzter Destillation mittelhartes und hartes Pech. Seit Begründung der Anthracenindustrie destilliert man allgemein bis zur Bildung von hartem Pech, pumpt dann wieder schweres Teeröl in die Blase und erhält, je nach der Menge des letztern, weiches Pech, Asphalt, präparierten Teer oder künstlichen Stockholmer Teer. Weiches Pech erweicht bei 40° und schmilzt bei 60°, mittelhartes erweicht bei 60° und schmilzt bei 100°, hartes erweicht bei 100° und schmilzt bei 150–200°. Steinkohlenasphalt dient als Surrogat des natürlichen Asphalts und wird zu diesem Zweck mit Sand, Kies, Asche, Ziegelmehl, Kalkstein, Kreide etc. gemischt. Sehr verbessert wird er durch Erhitzen mit Schwefel, und ein derartiges Präparat bildet, vielleicht noch mit Zusatz von indifferenten erdigen Bestandteilen, den Häuslerschen Holzzement. Hartes Pech wird in weiches verwandelt (wiederbelebt), indem man es in Teer, Asphalt oder Schweröl schmelzt und mit Hilfe einer Schraube ohne Ende bis zu völliger Homogenität knetet. Das S. dient besonders zur Brikettfabrikation, eignet sich aber auch vortrefflich zur Darstellung von Ruß, als Reduktionsmittel bei chemischen Prozessen und zur Zementstahlfabrikation. Wird das Pech noch in der Blase mit sehr viel Schweröl verdünnt, so erhält man den präparierten Teer, der viel billiger ist als roher Teer, dabei aber für Anstriche, zur Dachpappenfabrikation, in der Seilerei etc. ungleich wertvoller als letzterer. Er dringt schneller und tiefer in Holz und Stein ein, trocknet schneller und ohne Risse (in 12–24 Stunden) und gibt einen schönen glänzenden Überzug. Als Surrogat des Holzteers (Stockholmer Teer) führt er den Namen künstlicher Stockholmer Teer. Einen feinern, noch schneller (in 4–6 Stunden) trocknenden Firnis für feinere Eisenwaren erhält man auf gleiche Weise aus Pech und Leichtöl, und endlich wird dieser noch mit Naphtha oder Petroleumäther u. dgl. gemischt, in welchem Fall der Lack in einer Stunde, ja in einer Viertelstunde trocknet. Alle drei Firnisse haften ungemein fest am Eisen und geben einen ziemlich harten, stark glänzenden und sehr glatten Überzug. Diese Verwendungsarten des Steinkohlenpechs konsumieren nur sehr wenig von der großen produzierten Menge, und man treibt deshalb die Destillation noch weiter, um schließlich nur Koks als Rückstand zu erhalten, für welche stets Absatz gefunden werden kann. Bei der Anwendung gußeiserner Retorten und eines Exhaustors, welcher zur Beförderung der Dampfentwickelung ein teilweises Vakuum in der Retorte erzeugt, erhält man zwischen 260 und 315° meist Naphthalin, dann bis 370° ein anthracenreiches Produkt und bei höherer Temperatur minder flüchtige Körper. Die Destillate geben beim Stehen einen Absatz, aus welchem Rohanthracen gewonnen wird, und das übrigbleibende Öl dient zum Schmieren. Der Ausführung der Pechdestillation im größern Umfang steht bis jetzt noch die Schwierigkeit entgegen, ein passendes Retortenmaterial zu finden. Vgl. Lunge, Die Industrie der Steinkohlenteer-Destillation etc. (2. Aufl., Braunschw. 1888).