Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Sphinx“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 135
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Sphinx. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 135. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Sphinx (Version vom 21.06.2024)

[135] Sphinx, Schmetterlingsgattung aus der Familie der Schwärmer (Sphingidae oder Crepuscularia), zu welcher der Windig, Liguster-, Kiefernschwärmer u. a. gehören.

Sphinx, Name oft kolossaler Steinbilder, gewöhnlich aus Granit oder Porphyr, auch Kalkstein, von Löwengestalt mit Menschenkopf, liegend auf Postament, die Vorderbeine vorwärts gestreckt, die Hinterbeine untergeschlagen. Diese phantastischen Gebilde stammen aus dem Orient: aus Assyrien (Palast zu Nimrud und Portal von Chorsabâd) und insbesondere aus Ägypten. Hier standen sie meist am Eingang des Tempels, doch auch einzeln. Die ägyptischen Sphinxbilder sind immer männlichen Geschlechts und dienen meist zur Darstellung eines Königs, weshalb sie die Uräusschlange vor der Stirn tragen. Die kolossalste ist die S. bei den Pyramiden von Gizeh, aus dem Felsen gehauen, 55 m lang, an 20 m hoch, aus der ältesten Zeit der ägyptischen Geschichte vor Cheops stammend (s. Tafel „Baukunst III“, Fig. 1). Diese merkwürdige Bildung entsprach demselben Hang zum Mystizismus, der auch die Götterbilder mit Tierköpfen versah. Auch bei den Sphinxen beschränkte man sich nicht auf Mischung der Löwengestalt mit der menschlichen, sondern setzte auch wohl Widder- (Kriosphinxe, s. Tafel „Bildhauerkunst I“, Fig. 2) und Sperberköpfe auf. Im allgemeinen betrachtete man die Sphinxe als die mystischen Hüter und Schutzgeister der Tempel und Totenwohnungen. Ganze Alleen von riesigen Sphinxen führten oft zum Eingang des Tempels. Mannigfaltiger nach Gestalt und Bedeutung erscheinen die Sphinxe in Griechenland, wo sie immer als weibliche Gestalten aufgefaßt werden. Ursprünglich ein geflügelter Löwenkörper mit

Sphinx (Berliner Museum).

Kopf und Brust einer Jungfrau (s. Abbildung), wurden sie später von Dichtern und Künstlern in den abenteuerlichsten Gestalten dargestellt, z. B. als Jungfrau mit Brust, Füßen und Krallen eines Löwen, mit Schlangenschweif, Vogelflügeln, oder vorn Löwe, hinten Mensch, mit Geierkrallen und Adlerflügeln, und zwar nicht immer liegend, sondern auch in andern Stellungen. Berühmt ist die thebaische S. im böotischen Mythus, Tochter des Typhon und der Schlange Echidna, welche jedem, der ihr nahte, das Rätsel aufgab: Welches Geschöpf geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien, am Abend auf dreien? Wer es nicht lösen konnte, mußte sich vom Felsen in den Abgrund stürzen. Ödipus deutete es richtig auf den Menschen, worauf sich die S. vom Berg herabstürzte. Von der griechischen Kunst aus der ägyptischen und orientalischen frühzeitig übernommen und eigentümlich (immer weiblich) umgebildet, galt hier die S. als Sinnbild des unerbittlichen Todesgeschicks und ward daher auf Gräbern oft dargestellt (vgl. Bachofen, Gräbersymbolik der Alten, Bas. 1859). Auch an altchristlichen Kirchen kommen die Sphinxe manchmal vor. Wieder angewendet wurden sie von der Spätrenaissance, insbesondere häufig aber von der Barockkunst, die mit denselben Eingänge zu Palästen, Gärten u. dgl. verzierte.