MKL1888:Spezīfische Wärme

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Spezīfische Wärme“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 132134
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Spezīfische Wärme. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 132–134. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Spez%C4%ABfische_W%C3%A4rme (Version vom 21.06.2024)

[132] Spezīfische Wärme (Wärmekapazität), die Wärmemenge, welche 1 kg eines Körpers bedarf, um sich um 1° C. zu erwärmen. Gleiche Massen verschiedener Stoffe erfordern für die gleiche Temperaturerhöhung einen sehr ungleichen Aufwand von Wärme. Will man z. B. 1 kg Wasser und 1 kg Quecksilber von 0° auf 100° erwärmen, so bemerkt man leicht, daß bei gleicher Wärmezufuhr das Quecksilber viel rascher die gewünschte Temperatur erreicht als das Wasser. Ja sogar, wenn man von beiden Flüssigkeiten je 1 Lit. nimmt, also dem Gewicht nach 13,6mal soviel Quecksilber als Wasser, wird man bei jenem mit einer Heizflamme das Ziel schneller erreichen als bei diesem mit zwei ebensolchen Flammen. Erkaltet ein warmer Körper wieder auf seine ursprüngliche Temperatur, so gibt er die Wärmemenge, welche er vorher zu seiner Erwärmung verbraucht hatte, an seine Umgebung wieder ab; man wird daher, indem man diese Wärmeabgabe beobachtet, zugleich den zur Erwärmung nötigen Wärmebedarf kennen lernen; alle Verfahrungsarten zur Ermittelung der „spezifischen Wärme“ der Körper beruhen in der That aus der Bestimmung der beim Erkalten abgegebenen Wärmemenge. Erwärmen wir drei gleich

Fig. 1. Eiskalorimeter von Lavoisier und Laplace.

schwere Kugeln von Kupfer, Zinn und Blei in siedendem Wasser auf 100° u. bringen sie rasch auf eine Wachsscheibe, so fällt die Kupferkugel sehr bald durch das Loch, das sie aufgeschmolzen hat, die Zinnkugel dringt tief in die Scheibe ein, während die Bleikugel nur ganz wenig einsinkt. Es ist hierdurch augenfällig, daß das Kupfer die größte Wärmemenge abgegeben hat und demnach unter diesen Metallen die größte s. W. besitzt, das Zinn eine mittlere, das Blei die kleinste. Genaueres über das Verhältnis der spezifischen Wärmen dieser Körper erfahren wir jedoch durch diesen Versuch nicht; hierzu wäre es notwendig, die abgegebenen Wärmemengen wirklich zu messen, d. h. in „Wärmeeinheiten“ auszudrücken. Als Einheit der Wärmemenge oder Wärmeeinheit hat man diejenige Wärmemenge festgesetzt, welche erforderlich ist, um 1 kg Wasser um 1° C. zu erwärmen, oder, was dasselbe ist, man hat die s. W. des Wasser = 1 angenommen. Vorrichtungen zur Messung von Wärmemengen nennt man Kalorimeter. Um die s. W. eines Körpers nach dem Schmelzverfahren zu bestimmen, kann das Eiskalorimeter von Lavoisier und Laplace (Fig. 1) dienen. Dasselbe besteht aus drei sich der Reihe nach umhüllenden Blechgefäßen, von denen das innerste c siebartig durchlöchert ist oder auch nur aus einem Drahtkorb besteht. Der Zwischenraum aa zwischen dem äußersten und mittlern Gefäß sowie der hohle Deckel des letztern [133] werden mit Eisstücken gefüllt, die dazu dienen, die Wärme der äußern Umgebung von dem Raum bb zwischen dem mittlern und innersten Gefäß, der ebenfalls mit Eisstücken gefüllt ist, abzuhalten; das in dem Raum aa durch die äußere Wärme erzeugte Schmelzwasser fließt durch den Hahn d ab. Bringt man nun einen Körper von bekanntem Gewicht und bekannter Temperatur (z. B. eine in den Dämpfen siedenden Wassers auf 100° erhitzte eiserne Kugel) in das innerste Gefäß, so wird derselbe, indem er von dieser Temperatur auf 0° erkaltet, eine gewisse Menge Eis schmelzen, welche man durch Wägung des durch den Hahn e abgelaufenen Schmelzwassers ermittelt. Da man nun weiß, daß zur Schmelzung von 1 kg Eis 80 Wärmeeinheiten erfordert werden (s. Schmelzen), so kann man leicht die Wärmemenge berechnen,

Fig. 2. Eiskalorimeter von Bunsen.

welche jener Körper bei seinem Erkalten abgegeben hat, und erfährt sonach auch die Wärmemenge, welche derselbe für 1 kg und für 1° C. enthielt, d. h. seine s. W. Das weit genauere Eiskalorimeter von Bunsen gründet sich auf die Thatsache, daß beim Schmelzen des Eises eine Zusammenziehung stattfindet, indem das entstandene Schmelzwasser einen kleinern Raum einnimmt als das Eis (s. Ausdehnung). In das weitere Glasgefäß W (Fig. 2), welches sich unten in das umgebogene und wieder aufsteigende Glasrohr QQ fortsetzt, ist das Probierröhrchen w eingeschmolzen; das Gefäß W wird mit luftfreiem Wasser gefüllt, welches durch das im untern Teil von W und in der Röhre befindliche Quecksilber QQ abgesperrt ist. Indem man tief erkalteten Weingeist durch das Proberöhrchen w strömen läßt, umkleidet sich dasselbe mit einer Eishülle E. Wirft man nun einen auf bekannte Temperatur erwärmten Körper in das Proberöhrchen, welches etwas Wasser von 0° enthält, so wird etwas Eis geschmolzen, infolge der eintretenden Raumverminderung tritt mehr Quecksilber in das Gefäß W, und in dem engen Glasröhrchen q, welches mittels eines Korks in das Rohr Q eingesetzt ist, zieht sich der Quecksilberfaden zurück; aus der Größe seiner Verschiebung ergibt sich die Menge des entstandenen Schmelzwassers und demnach auch die von dem Körper an das Eis abgegebene Wärmemenge.

Vermischt man 1 kg Wasser von 10° mit 1 kg Wasser von 50°, so zeigt die Mischung, wenn alle Wärmeverluste vermieden wurden, die mittlere Temperatur von 30°. Das eine Kilogramm Wasser gab nämlich, indem es von 50° auf 30° erkaltete, die 20 Wärmeeinheiten ab, welche notwendig waren, um das andre Kilogramm Wasser von 10° auf 30° zu erwärmen. Mischt man dagegen 1 kg Wasser von 10° mit 1 kg Terpentinöl von 60°, so zeigt das Gemisch nur etwa 24°. Um die 14 Wärmeeinheiten zu liefern, welche zur Erwärmung des einen Kilogramms Wasser von 10° auf 24° erforderlich waren, mußte also das Kilogramm Terpentinöl um 36° erkalten; umgekehrt werden diese 14 Wärmeeinheiten auch wieder hinreichen, um 1 kg Terpentinöl um 36° zu erwärmen. Zur Erwärmung von 1 kg Terpentinöl um 1° sind daher 14/36 oder 0,4 Wärmeeinheiten erforderlich, oder 0,4 ist die s. W. des Terpentinöls. Um dieses Mischungsverfahren mit der erforderlichen Genauigkeit auszuführen, bediente sich Regnault der in Fig. 3 abgebildeten Vorrichtung. Der obere Teil wird von drei einander umhüllenden Blechcylindern gebildet, deren innerster A oben durch einen Kork, in welchem ein Thermometer steckt, unten durch einen leicht abnehmbaren

Fig. 3. Wasserkalorimeter von Regnault.

Blechdeckel verschlossen ist. In der Mitte von A hängt an einem durch den Kork gehenden Faden ein ringförmiges Drahtkörbchen, welches den zu untersuchenden Körper, entweder in Stücken oder in dünnwandige Glasröhrchen eingeschmolzen, aufnimmt und in seiner innern Höhlung das Gefäß des Thermometers einschließt. In den Raum B wird aus einem seitlich aufgestellten Dampfkessel durch die Röhre a Wasserdampf eingeleitet, welcher den Körper auf 100° erwärmt und durch die Röhre c wieder abströmt. Ist diese Temperatur erreicht, so wird nach Wegnahme des untern Deckels das Drahtkörbchen in das mit einer gewogenen Wassermenge gefüllte Wasserkalorimeter D herabgelassen und die Mischungstemperatur beobachtet, woraus sich die von dem Körper an das Wasser abgegebene Wärmemenge und sonach auch seine s. W. leicht ableiten läßt. Durch einen mit kaltem Wasser dd angefüllten Blechmantel ist das Kalorimeter D vor Erwärmung von dem Dampfkessel oder dem Dampfraum BB her geschützt.

Ein drittes Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Wärme, das besonders von Dulong und Petit angewendete Abkühlungsverfahren, gründet sich auf den Satz, daß ein erwärmter Körper im luftleeren Raum, wo er nur durch Wärmestrahlung sich abkühlen kann, unter sonst gleichen äußern Umständen um so langsamer erkaltet, eine je größere Wärmemenge er enthält; bei gleicher Temperaturerniedrigung verhalten sich hiernach die von verschiedenen [134] Körpern abgegebenen Wärmemengen wie die Abkühlungszeiten.

Die spezifischen Wärmen der Körper nehmen mit höherer Temperatur zu, indem sie sich einem festen Endwert nähern; zwischen 0° und 100° ist indessen die Änderung so gering, daß man die s. W. innerhalb dieser Grenzen als unveränderlich betrachten kann.

Die spezifischen Wärmen einiger Grundstoffe sind:

Aluminium 0,214
Schwefel 0,203
Eisen 0,114
Kupfer 0,095
Zink 0,095
Silber 0,057
Zinn 0,056
Jod 0,054
Antimon 0,051
Quecksilber 0,033
Platin 0,032
Blei 0,031

und diejenigen einiger Flüssigkeiten:

Alkohol 0,566
Glycerin 0,555
Benzin 0,392
Chloroform 0,233

Die s. W. des Eises ist 0,505.

Dulong und Petit entdeckten das wichtige Gesetz, daß die spezifischen Wärmen der festen chemischen Elemente (Grundstoffe) sich umgekehrt verhalten wie ihre Atomgewichte, so daß das Produkt aus Atomgewicht und spezifischer Wärme für alle diese Körper unveränderlich das nämliche und zwar nahezu gleich 6 ist. Das Dulong-Petitsche Gesetz läßt sich sonach auch folgendermaßen aussprechen: die durch die Atomgewichte ausgedrückten Mengen der festen Elemente bedürfen zu gleicher Temperaturerhöhung gleich großer Wärmemengen, oder: die Atomwärmen der Grundstoffe sind gleich. Neumann wies ferner nach, daß auch die spezifischen Wärmen chemischer Verbindungen von ähnlicher Zusammensetzung im umgekehrten Verhältnis der Atomgewichte stehen, und Kopp stellte den Satz auf, daß die Molekularwärme einer chemischen Verbindung gleich der Summe der Atomwärmen ihrer Elemente sei (vgl. Wärme).

Die luftförmigen Körper bedürfen zur Erwärmung gleicher Raumteile auch gleicher Wärmemengen; und da nach dem Gesetz von Avogadro alle Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur in gleichen Raumteilen gleich viele Moleküle enthalten, so folgt, daß alle Gase gleiche Molekularwärme haben. Eine gegebene Gewichtsmenge eines Gases verbraucht bei gleicher Temperaturerhöhung eine größere Wärmemenge, wenn sie bei gleichbleibendem Druck sich ausdehnt, als wenn sie unter Steigerung des Drucks ihren Rauminhalt unverändert beibehält, d. h. die s. W. bei konstantem (unverändertem) Druck ist größer als diejenige bei konstantem Volumen; für atmosphärische Luft beträgt jene 0,2377, diese 0,1686. Für alle Gase ist das Verhältnis der spezifischen Wärme bei konstantem Druck zu derjenigen bei konstantem Volumen das gleiche, nämlich = 1,41 (vgl. Wärme).