Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seismomēter“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 838839
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Seismomēter. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 838–839. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seismom%C4%93ter (Version vom 09.09.2024)

[838] Seismomēter (Seismograph, griech., Erdbebenmesser), ein Apparat, welcher bei Erdbeben teils die Richtung des Stoßes, teils die Eintrittszeit desselben registriert. Staatlich eingerichtete Beobachtungsstationen (Vesuvobservatorium unter Palmieris Leitung, die Stationen in Japan etc.) sind mit komplizierten elektrischen Registrierapparaten ausgerüstet. Von einfachen Instrumenten, zunächst zur Registrierung der Stoßrichtung, nennen wir das Malletsche S. Etwa 30 cm hohe Säulen, aus Stein, Eisen oder Holz, verschieden im Durchmesser, werden auf trocknem Sand in zwei rechtwinkelig zu einander stehenden Richtungen in solcher Entfernung voneinander aufgestellt, daß sie sich bei eintretendem Fall nicht gegenseitig umstürzen können. Die Eindrücke im Sand geben beim Umstürzen die Richtung des Stoßes, das Umstürzen selbst der verschieden labilen Säulchen den ungefähren Grad des Stoßes an. Das von Lepsius verbesserte, zuerst von Cacciatore erfundene S. besteht aus einem runden, etwa 20 cm großen Gefäß aus Glas oder Thon, in dessen Mitte sich eine größere, mit Quecksilber vollkommen ausgefüllte Vertiefung befindet, umgeben von 16 kleinen peripherisch angeordneten Vertiefungen. Beim Eintritt eines Stoßes fließt ein Teil des Quecksilbers durch die Neigung in eins oder auch (bei einem Stoß mittlerer Richtung) zwei der peripherischen Näpfchen. Ferner hat man schon lange das Eintreten von Schwingungen im Ruhezustand aufgehängter Pendel benutzt, indem man einer etwa durch die Torsion veranlaßten Drehung der Schwingungsebene bei längerm, unbeobachtetem Schwingen durch ein Abkehren untergestreuten Sandes vermittelst eines Pinsels oder Stiftes am Pendel zu begegnen suchte. Lang verbesserte diesen Pendelapparat sehr wesentlich dadurch, [839] daß er das Pendel mit drei aus lauter kleinen Segmenten zusammengesetzten hölzernen Kreisen umgab. Das durch den Stoß in Schwingungen versetzte Pendel wirft je nach der Stärke des Stoßes einander gegenüberliegende Segmente des engsten, zweier oder aller dreier Kreise von der Unterlage herab, und die Holzstückchen werden, um die Reihenfolge des Wegdrückens zu bestimmen, in einem unter dem Apparat befindlichen Trichter, resp. dessen Röhre aufgefangen. Behufs einer exakten Zeitbestimmung des Eintritts eines Stoßes konstruierte Knop eine Erdbebenuhr mit horizontalem Zifferblatt. Der Zeiger, eine kleine aufgeschlitzte Rinne, mit feinstem Quarzsand gefüllt, steht im Gegensatz zu den gewöhnlichen Uhren fest, während sich zwei konzentrische, mit der Stunden- und Minuteneinteilung versehene Kreise unter ihm hindurch mit entsprechend verschiedener Geschwindigkeit bewegen. Durch das Schütteln bei einem Stoß stäubt aus dem Zeiger eine kleine Sandlinie über beide konzentrische Ringe, für welche die Zeit des Zusammenfallens beider Teile in eine Richtung auch bei nachträglicher Beobachtung eruiert werden kann. Lasaulx’ Seismochronograph arretiert bei eintretendem Stoß eine Pendeluhr. Zu dem Zweck wird ein kleiner, ausgelöst senkrecht zur Uhrwand stehender und das Pendel am Weiterschwingen verhindernder Hebel durch ein kleines, der Empfindlichkeit wegen halb aus Holz, halb aus Blei konstruiertes Gewicht angedrückt zur Uhrfläche erhalten; wird das Gewicht durch einen Stoß herabgeworfen, so springt der Hebel vor, und die Uhr wird arretiert. Das kleine Instrument war jahrelang an vielen Telegraphenuhren des Deutschen Reichs offiziell angebracht, wurde aber 1887 wieder entfernt, weil es sich zu wenig empfindlich erwies.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 756757
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[756] Seismometer. Die Erdbebenmesser zerfallen in zwei Klassen: Seismoskop und Seismograph. Erstere lassen nur erkennen, daß zu einer Zeit ein Erdbeben stattgefunden hat; will man dagegen die Periode, Dauer und Richtung von den Schwingungen kennen lernen, welche ein Erdbeben ausmachen, so wendet man solche Instrumente an, welche die Bewegung eines Erdpartikels während einer Erschütterung messen und auf eine Fläche übertragen. Die intensive Erdbebenforschung der letzten Jahrzehnte, wie sie namentlich von E. de Rossi und Palmieri in Italien, von John Milne in Japan betrieben wird, hat zur Erfindung einer Reihe von Instrumenten geführt, deren Prinzipien folgende sind. Am verbreitetsten sind die Pendelinstrumente, von denen eine Gruppe so eingerichtet ist, daß die Pendel zur Zeit des Stoßes in Schwingung geraten und dadurch die Richtung der Bewegung angeben, während andre gerade in Ruhe verharren und einen festen Punkt abgeben. Wird mit einem Pendel der letztern Art ein Zeiger verbunden, der nach unten gerichtet ist und bis auf eine ebene Fläche reicht, die mit dem Erdboden in Verbindung steht, so zeichnen sich auf dieser die Bewegungen der Erdoberfläche vermittelst ihrer eignen Bewegung ab. Umgekehrt kann die Einrichtung derart sein, daß das Pendelgewicht die Fläche bildet, auf welche ein vom Erdboden aufwärts reichender Stift die Bewegung schreibt. In Japan wandte man in den letzten Jahren bis zu 40 Fuß lange Pendel an, die Kugeln im Gewicht von 80 Pfd. trugen. Die frei schwingenden Pendel werden angewandt, um aus der Schwingungsrichtung die Bewegungsrichtung der Erde zu entnehmen. Da jedoch alle Pendel beim Schwingen die Neigung haben, ihre Oszillationsebene zu verändern, anderseits die Bewegungsrichtung bei einem Erdbeben nicht konstant ist, so sind die Angaben des Pendels in Bezug auf die Richtung nicht zuverlässig. Auch die Pendel der erstern Art, die den Bewegungen der Erde gegenüber ruhig bleiben sollen, geraten häufig in Schwingungen und zwar infolge der Reibung des Schreibstiftes an der ebenen Fläche. Um diesem vorzubeugen, hat man die frei schwingenden Pendel mit einem solchen Reibungswiderstand versehen, daß sie für geringe Schwankungen unempfindlich sind. Dadurch treten diese Pendelapparate in die Reihe der Seismographen. Da die Stärke des Stoßes aber selbst bei einem u. demselben Erdbeben verschieden sein kann, so wendet man Pendel mit verschieden starker Hemmung an und beobachtet die schwachen Beben mit Pendeln, die nur mit einer schwachen Hemmung versehen sind. Ein großer Nachteil haftet allen Pendelseismometern infolge des Umstandes an, daß gewöhnlich bei einem Erdbeben mehrere Stöße aufeinander folgen. Fallen die Stöße mit der Schwingungsdauer des Pendels zusammen, so kann es kommen, daß selbst bei geringer Erschütterung das Pendel bedeutende Ausschläge macht, während anderseits ein heftiger einmaliger Stoß oder mehrere Stöße, die das Pendel von verschiedenen Seiten beeinflussen, nur einen geringen Ausschlag bewirken können. Man sucht diesen Übelstand dadurch zu vermeiden, daß man mehrere Pendel von verschiedener Länge anwendet. Diese störenden Fehler des Pendelseismographen [757] werden bei den Träger- oder Angelseismometern großenteils vermieden. Der Apparat besteht im wesentlichen aus einem schweren Gewicht, das sich wie eine Thür um ihre Angeln in einem Rahmen um eine Vertikalachse bewegen kann. Der untere Arm des Rahmens ist mit einem Multiplikatorzeiger versehen, der die Bewegung in einem bestimmten Verhältnis vergrößert auf eine Tafel überträgt. Bei einem Stoß wird nun, falls die Stoßrichtung nicht mit der Thürebene zusammenfällt, die Thür träge bleiben, während die Stützpunkte eine Bewegung ausführen. Stöße, welche in die Richtung der Thürebene fallen, haben keine Wirkung; man benutzt daher stets zwei Instrumente dieser Art und stellt sie so auf, daß ihre Ebenen einen rechten Winkel bilden, so ergänzen sich ihre Aufzeichnungen. Zu derselben Gruppe gehören die konischen Pendelseismographen. Das Instrument besteht aus zwei Pendeln, die in rechtwinkelig zu einander stehenden Ebenen aufgehängt sind. Das Gewicht eines jeden Pendels ist in geringer Entfernung von dem einen Ende eines Hebels angebracht, dessen kürzeres Ende gegen einen Pfosten ruht, um den sich derselbe in Angeln drehen kann, während das längere Ende den Registrierzeiger trägt. Das Gewicht hängt an einem Drahte, dessen andres Ende an einer Schraube senkrecht über der Angel des Hebels befestigt ist. Pendel- und Angelseismographen verzeichnen nur die horizontale Komponente eines Erdbebenstoßes; um auch die vertikale kennen zu lernen, gebraucht man meistens eine durch ein Gewicht beschwerte Feder, welche die vertikalen Verschiebungen notiert. Den Zeitpunkt, in welchem ein Erdbeben eintritt, kann man auf verschiedene Weise feststellen. Die Methode, eine Uhr im Augenblick des Stoßes durch irgend einen Apparat zum Stehen zu bringen, ist ungenügend und unzuverlässig. Milne vermeidet alle die Schwierigkeiten, welche sich für die Zeitbestimmung aus dem Stillstehen der Uhr ergeben, indem er die Stellung der Enden von Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger im Augenblick des Eintreffens eines Erdstoßes mechanisch registriert. Die Übertragung der Bewegung eines Seismographen geschieht entweder auf eine berußte Glasscheibe oder auf einen Papierstreifen, der wie beim Telegraphen um einen Trommelapparat gewickelt ist. Erstere Art hat den Vorzug, daß sich das Diagramm leicht durch Photographieren vervielfältigen läßt, was bei der andern Art mit Schwierigkeiten verknüpft ist; doch hat der Trommelapparat den Vorzug, daß der Papierstreifen mit dem aufgezeichneten Diagramm sich leicht aufbewahren läßt. Trommel und Glasscheibe stehen entweder still und werden erst beim Eintreffen des Erdstoßes durch eine mechanische Vorrichtung oder auf elektrischem Weg in Bewegung gesetzt, oder man läßt, was vorzuziehen ist, beide Apparate durch ein Uhrwerk fortwährend laufen. Auf der Glasscheibe zieht in diesem Fall der Zeiger des Seismographen stets denselben Kreis, bis ihm durch eine Erderschütterung eine andre Bewegung mitgeteilt wird, infolge welcher der Kreis durch unregelmäßige Wellenlinien geschnitten wird. Ein vollständiger Seismograph soll also die horizontale und vertikale Bewegungskomponente eines Erdbebens registrieren und gleichzeitig den Augenblick des Beginns markieren. Ein solcher Apparat ist von Gray und Milne konstruiert worden, der allen Anforderungen entspricht, die man an ihn stellen muß (s. Abbild.). Die beiden rechtwinkeligen Komponenten der horizontalen Bewegung, die nordsüdliche und ostwestliche, werden auf einen Streifen

Seismograph von Gray und Milne.

geschwärzten Papiers registriert. Derselbe bewegt sich fortwährend um zwei durch ein Uhrwerk getriebene Trommeln B und C, die im Augenblick des Erdstoßes durch eine mechanische Vorrichtung O in schnellere Bewegung gesetzt werden können. Im gleichen Augenblick werden durch ein Zahnrad D, das mit der Uhr K in Verbindung steht, Zeichen auf dem Papierstreifen markiert, welche die Sekunden angeben. Die horizontale Bewegung wird durch zwei konische Pendel auf den Papierstreifen übertragen; das eine von diesen Pendeln hängt vor der Trommel B an einem horizontalen Hebel, der sich um die horizontale Säule bewegen kann, das andre hängt rechts von dieser letztern; die vertikale Komponente des Erdbebens registriert ein Federseismograph, so daß das schließliche Diagramm die beiden Komponenten vereinigt auf der Trommel C zeigt. Der Apparat ist somit vollständig selbstregistrierend. Vgl. J. Milne, Earthquakes and other earth movements (Lond. 1888).