Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 837838
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Seine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 837–838. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seine (Version vom 09.09.2024)

[837] Seine (spr. ssähn, bei den Alten Sequana), einer der vier Hauptströme Frankreichs, entspringt 471 m ü. M. im Departement Côte d’Or auf dem Plateau von Langres am Fuß des Mont Tasselot bei Chanceaux, durchströmt in nordwestlicher Hauptrichtung die Departements Côte d’Or, Aube, Seine-et-Marne, Seine-et-Oise, Seine, Eure und Niederseine, macht sehr viele Krümmungen und mündet nach 776 km langem Lauf zwischen Le Havre und Honfleur in 10 km breiter, einem Meerbusen ähnlicher Mündung in den Kanal (La Manche). Die S., der kleinste, aber nächst dem Rhône wichtigste unter den vier großen Flüssen Frankreichs, wird bei Marcilly (von der Mündung der Aube an) schiffbar, von Rouen an auch für die Seeschiffahrt zugänglich und hat sehr lebhafte Dampfschiffahrt. Ihr Stromgebiet, welches ausschließlich Frankreich angehört, beläuft sich auf 77,769 qkm (1412 QM.); den natürlichen Mittelpunkt des ganzen Seinebeckens bildet Paris. Dort mündet der größte Nebenfluß, die Marne, wenig unterhalb die Oise, in ihren Thälern konvergieren zahlreiche Land- und Wasserstraßen auf Paris, von wo an der Fluß zahlreiche Kurven beschreibt, somit langsamer fließt und höhere Schiffbarkeit erlangt. Nur Rouen hat außerdem noch höhere Bedeutung. Ihre bedeutendsten Nebenflüsse sind neben den genannten rechts noch die Aube, links die Yonne, Loing und Eure. Ihr Becken ist nur von wenigen Bergen umgeben, und oft läuft die Wasserscheide über niedrige Hügel hin. Durch ein treffliches Kanalsystem ist sie mit der Somme, Schelde, Maas, dem Rhein, Rhône, der Saône und Loire in Verbindung. Nach der S. sind vier französische Departements genannt (s. unten). Vgl. Préaudeau, Manuel hydrologique du bassin de la S. (Par. 1884); Lavoinne, La S. maritime et son estuaire (das. 1885); Lennier, L’estuaire de la S. (das. 1885, 2 Bde.).

Das Departement Seine, ein Teil der ehemaligen Landschaft Isle de France, ganz eingeschlossen von dem Departement Seine-et-Oise, ist das kleinste Departement Frankreichs, mit einem Areal von 479 qkm (8,69 QM.), aber durch die darin liegende Stadt Paris zugleich das volkreichste. Seine Bevölkerung betrug:

1801: 631,600
1821: 822,200
1841: 1,194,600
1861: 1,953,660
1881: 2,799,329
1886: 2,961,089

Das Land ist meist eben; die einzigen Höhen sind am rechten Ufer der Seine Montmartre und Buttes Chaumont, am linken Ufer der Mont Valérien und Bicêtre (169 m). Flüsse sind außer der Seine die Marne und Bièvre. Der Boden ist zwar leicht und dürr, aber doch durch trefflichen Anbau sehr ergiebig. Produkte sind: Weizen, Hafer, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Gemüse, Wein, Obst etc., dann die gewöhnlichen Haustiere (darunter 76,674 Pferde), Milch, Butter etc., doch alles für die ungeheure Bevölkerung bei weitem nicht ausreichend. Bemerkenswert sind noch die zahlreichen Stein- und Gipsbrüche sowie die Mineralquellen von Passy. Von höchster Bedeutung sind Industrie und Handel, welche sich beinahe vollständig in Paris konzentrieren (näheres s. Paris, S. 723 f.). Das Departement wird eingeteilt in die drei Arrondissements: Paris, St.-Denis und Sceaux. Hauptstadt ist Paris.

Das Departement Seine-Inférieure (Niederseine), gebildet aus der obern Normandie und zwar aus den Landschaften Bray, Caux und Teilen von Vexin und Roumois, wird östlich von den Departements Somme und Oise, südlich von Eure, westlich und nördlich vom Kanal (La Manche) begrenzt und hat einen Flächenraum von 6036 qkm (109,62 QM.). Die Küste wird von Kreidefelsen von ansehnlicher Höhe gebildet, hat außer der Seinemündung keine Buchten und außer dem Cap de la Hève keine Vorsprünge. Das Land besteht aus fruchtbaren Thälern und bewaldeten Hügeln und gehört zu den reichsten, bestangebauten, bevölkertsten und industriellsten von ganz Frankreich. Der Hauptfluß ist die Seine, welche den Südwesten des Departements durchfließt, aus demselben nur noch kleine Zuflüsse aufnimmt und hier mündet; außerdem wird dasselbe noch durch zahlreiche Küstenflüsse bewässert, von welchen die Bresle, Arques mit Béthune, Saane und Durdent die bedeutendsten sind. Das Klima ist ziemlich veränderlich. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 833,386 Einw. Von der Oberfläche kommen 366,752 Hektar auf Äcker, 73,837 auf Wiesen, 92,470 auf Waldungen, 39,705 Hektar auf Baumpflanzungen. Produkte sind: Getreide, vorzüglich Weizen und Hafer (je 21/2 Mill. hl) nebst Roggen und Gerste, außerdem Kartoffeln, Gemüse, Hülsenfrüchte, Zucker- und Futterrüben, Flachs, Raps (über 4 Mill. kg Ölertrag), Obst (Äpfel und Birnen, woraus Cider, das Hauptgetränk der Bewohner, bereitet wird), viel Vieh (77,606 Pferde, 246,635 Stück Rindvieh, 85,197 Schweine, 261,667 Schafe), Geflügel, Fische und Bienen sowie mannigfaltige Steinarten. Unter den Mineralquellen sind die zu Forges les Eaux am meisten besucht. So wie Ackerbau und Viehzucht, steht auch die Industrie auf sehr hoher Stufe. Ihre hauptsächlichsten Zweige sind: die Baumwollspinnerei (1,5 Mill. Spindeln) und -Weberei (14,000 mechanische Webstühle, welche Kalikos, Sacktücher und sogen. Rouenneries liefern), die Schafwollspinnerei (80,000 Spindeln), die Tuch- und Modewarenfabrikation (860 Kraft- und 3640 Handstühle), die Leinenspinnerei und -Weberei, die Erzeugung von Tüll, Blonden und Ledertuch, die Druckerei, Färberei und Appretur. Außer der Textilindustrie werden die Verhüttung von Eisen, Kupfer und Blei, die Fabrikation von Weißblech, Maschinen u. Metallwaren, Glas, chemischen Produkten, Papier, Branntwein, Rübenzucker, Schokolade, Leder etc. und der Schiffbau im Departement betrieben. Von der größten Wichtigkeit ist der Handel, welcher zur See, auf der Seine und zu Land (mit Hilfe der Eisenbahn Paris-Rouen-Havre und deren Zweigbahnen nach Fécamp, St.-Valéry, Dieppe, Tréport und Abancourt) betrieben wird. Außer dem Hafen von Le Havre (nach Marseille dem bedeutendsten von ganz [838] Frankreich) hat das Departement noch zehn Hafenplätze (Rouen, Eu, Tréport, Dieppe, St.-Valéry en Caux, Fécamp, Harfleur, Caudebec, Duclair, Croisset). Administrativ zerfällt es in fünf Arrondissements: Dieppe, Havre, Neufchâtel, Rouen und Yvetot, und hat Rouen zur Hauptstadt. Vgl. Corneille, La Seine-Inférieure industrielle et commercielle (Rouen 1873); Bunel, Géographie du département de la Seine-Inférieure (das. 1879).

Das Departement Seine-et-Marne, gebildet aus Teilen von Isle de France, der Champagne, Brie und Gâtinais, grenzt nördlich an die Departements Oise und Aisne, östlich an Marne und Aube, südlich an Yonne und Loiret, westlich an Seine-et-Oise und hat einen Flächenraum von 5736 qkm (104,18 QM.). Das Land ist ziemlich eben, nur hier und da etwas hügelig, hat fruchtbaren Boden, wird vortrefflich angebaut und von der Seine (mit Yonne, Loing und Yères) und der Marne (mit Ourcq, Petit-Morin und Grand-Morin) bewässert. Das Klima ist angenehm und gesund. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 355,136 Einw. Von der Oberfläche kommen 416,281 Hektar auf Äcker, 26,317 auf Wiesen, 8819 auf Weinberge, 105,105 Hektar auf Waldungen (darunter der Wald von Fontainebleau mit gegen 17,000 Hektar). Produkte sind: Getreide und zwar Weizen (fast 3 Mill. hl), Hafer (über 3 Mill. hl), dann Roggen und Gerste, Kartoffeln, Gemüse, Zuckerrüben (5 Mill. metr. Ztr.), Futterrüben, Flachs und Hanf, Wein (150,000 hl), Obst, Holz und die gewöhnlichen Haustiere, insbesondere Schafe (525,568 Stück). Wichtig sind die Steinbrüche, in denen namentlich Bau- und Mühlsteine bearbeitet werden. Kalte Mineralquellen finden sich zu Provins. Die Industrie ist vorzugsweise durch Fabrikation von Papier, Rübenzucker, Porzellan und Fayence, Glas, Schokolade, Leder, Handschuhen, Kerzen etc., durch Druckerei, Brauerei und Branntweinbrennerei vertreten. Der Handel vertreibt vorzüglich Getreide, Mehl, Wein und Obst, Holz, Mühlsteine und die Erzeugnisse der Viehzucht (berühmte Käse, fromages de Brie). Das Departement wird von vier aus Paris auslaufenden Eisenbahnen (in der Richtung nach Soissons, Châlons und Troyes, dann über Fontainebleau einerseits nach Dijon, anderseits nach Nevers) durchzogen, von welchen noch mehrere Zweigbahnen ausgehen. Von schiffbaren Kanälen enthält das Departement den Loing- und den Ourcqkanal. Es zerfällt in fünf Arrondissements: Coulommiers, Fontainebleau, Meaux, Melun und Provins; Hauptstadt ist Melun.

Das Departement Seine-et-Oise, ebenfalls aus einem Teil von Isle de France (Hurepoix, Mantais, Vexin Français) gebildet, wird nördlich vom Departement Oise, östlich von Seine-et-Marne, südlich von Loiret und westlich von Eure-et-Loir und Eure begrenzt, umschließt das Departement S. und umfaßt einen Flächenraum von 5604 qkm (107,77 QM.). Das Departement ist völlig von Paris abhängig; mit der Entfernung von der Hauptstadt wird auch die Bevölkerung dünner. Namentlich gilt dies vom Vexin im N. und der Beauce im Süden, obwohl der meist ebene Boden gut angebaut und fruchtbar ist. Seine, Oise, Marne und Essonne sind die Hauptflüsse. Das Klima ist mild und gesund. Mineralquellen befinden sich zu Enghien, St.-Germain und Abbécourt. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 618,089 Einw. Von der Oberfläche kommen 384,601 Hektar auf Äcker, 16,985 auf Wiesen, 6614 auf Weinberge, 105,978 Hektar auf Waldungen. Die wichtigsten Produkte liefert der Ackerbau, insbesondere Weizen (über 2 Mill. hl), Hafer (über 3 Mill. hl), Roggen und Gerste, dann Kartoffeln, Gemüse, Zucker- und Futterrüben (41/2 Mill. metr. Ztr.), Wein (144,000 hl), Obst, Holz, Torf, die gewöhnlichen Haustiere (insbesondere 351,572 Schafe, darunter ausgezeichnete, aus der Musterschäferei zu Rambouillet stammende Merinoschafe). Von Belang sind auch die Fischerei und die Bienenzucht. Neben Ackerbau und Viehzucht sind auch mehrere Industriezweige, namentlich die Fabrikation von Papier, Rübenzucker, die Baumwoll-, Schafwoll- und Leinenspinnerei, die Wirkerei und Posamentierwarenerzeugung, die Eisengießerei und Weißblecherzeugung, die Fabrikation von Maschinen, Lampen, Zündhütchen, Kerzen, chemischen Produkten, Glas, Branntwein etc., sowie der Handel von Bedeutung. Die zahlreichen Eisenbahnen, die von Paris ausgehen, durchschneiden das Departement nach allen Richtungen. Es zerfällt in sechs Arrondissements: Corbeil, Etampes, Mantes, Pontoise, Rambouillet und Versailles, und hat Versailles zur Hauptstadt.