Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seiltänzer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 836
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Seiltänzer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 836. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seilt%C3%A4nzer (Version vom 09.12.2023)

[836] Seiltänzer, Personen, welche auf einem gespannten Seil einherschreiten, tanzen und allerlei Künste ausführen, kommen schon bei den Griechen, viel häufiger aber bei den Römern vor, welche Funambuli, die auf starken Seilen, und Neurobatae, die auf Darmsaiten tanzten, unterschieden. Letztere hießen auch Aërobatae („Lufttänzer“), weil sie bei der Dünne der Saiten aus der Entfernung in freier Luft zu tanzen schienen. Seiltänzerkunststücke finden sich auf Vasen und Wandgemälden abgebildet, und auf einigen Münzen von Kyzikos ist sogar das Besteigen des Turmseils dargestellt. Später kamen von Indien und Ägypten aus S. nach Konstantinopel, und im Mittelalter kannte man indische, persische, morgenländische Gaukler dieser Art. Der S. Arcangelo Tuccaro verfaßte eine illustrierte Schrift über seine Kunst (Par. 1599). In neuerer Zeit zeichneten sich besonders Italiener als S. aus, und namentlich die Chiarinis, welche sich Akrobaten nannten, während sich andre früher als Äquilibristen bezeichnet hatten, erlangten großen Ruf. Unter den Deutschen brachte Kolter die Kunst zu staunenswerter Vollendung und erstieg zuerst auf einem scharf gespannten Seil einen Turm. Später hat man dies ohne Balancierstange und selbst mit einer Bürde beladen ausgeführt, auch oben allerlei Kunststücke, Umkleidungen etc. vorgenommen, Feuerwerke abgebrannt etc. In neuerer Zeit erregte Charles Blondin (geb. 1824 zu St.-Omer in Frankreich), der auf einem gespannten Seil wiederholt den Niagarafall überschritt, allgemeine Aufmerksamkeit. Auch Tiere sind vielfach durch Dressur zu Seilkünstlern ausgebildet worden.