Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Segelsport“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 818819
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Segelsport. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 818–819. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Segelsport (Version vom 21.03.2023)

[818] Segelsport, die dem Vergnügen und der Erholung dienende Ausübung der Segelkunst. Im engern Sinn die Beteiligung an Segelwettfahrten, bei welchen es gilt, ein gestecktes Ziel vor den Mitbewerbern zu erreichen. Der Sieg hängt hier nicht bloß von der Geschicklichkeit des Steuermannes und der Mannschaft, sondern in noch höherm Grad von der Gestalt des Jachtrumpfes und von der Beschaffenheit der Besegelung ab. Die Segelwettkämpfe haben demgemäß nicht allein zur Heranbildung von seetüchtigen Mannschaften, sondern noch mehr zur Entwickelung der Schiffbaukunst beigetragen. Der S. hat seinen Hauptsitz in England und den Vereinigten Staaten, diese beiden Länder weisen eine Flotte von 7000–8000 dem Vergnügen gewidmeten Jachten auf, von den winzigen Dreitonnern bis zu den stolzen Schiffen, welche selbst Fahrten um die Welt zu unternehmen wagen, und es finden auf dieser Flotte 20–30,000 Seeleute ihr Brot. Frankreich beginnt diesem Beispiel zu folgen und auch größere, seegehende Jachten zu bauen. Deutschland besitzt dagegen zwar zahlreiche dem Sport gewidmete Segelfahrzeuge, doch keins von mehr als 16 m Länge, also keine Jacht, die den Gefahren des Ozeans trotzen könnte. Dagegen werden von den deutschen Sportsmännern häufig Fahrten in der Nord- und Ostsee unternommen. Hauptsitze des deutschen Segelsports sind: Berlin mit seinen zahlreichen Seen, Hamburg, Bremen, Kiel und Königsberg. Die Engländer bevorzugen schmale, tiefe Fahrzeuge mit sehr schweren Bleikielen (sogen. Kieljachten); die Amerikaner dagegen, und nach ihnen die Deutschen, ziehen meist breitere, weniger tief gehende Jachten vor, die mehr über die Wasserfläche

Fig. 1. Amerikanische Schwertjacht. Englische Kieljacht.

hingleiten und zur Verhütung des Abtreibens mit einem versenkbaren Kiel, dem Schwert, versehen sind (Schwertboote). Den Unterschied in der Bauart veranschaulicht Fig. 1, Abbildungen der augenblicklich für die besten Renner geltenden Jachten Mayflower (amerikanische Schwertjacht) und Galatea (englische Kieljacht). Die erforderliche Stabilität, das Vermögen, die ungeheure Segelfläche zu tragen, erlangen die Segeljachten durch Ballast, den man möglichst tief anbringt. In neuerer Zeit wird fast ausschließlich Blei dazu verwendet, welches zum größten Teil an den Kiel durch Bolzen befestigt wird. So trägt Galatea 81,000 kg Blei ausschließlich am Kiel, [819] Mayflower dagegen 6000 kg am Kiel und 42,000 kg im Kielraum. Dieser Ballast macht die Kielboote absolut unkenterbar, selbst wenn sie sich so weit legen, daß die Segel das Wasser berühren; die Schwertjachten entbehren dieses Vorzugs zum guten Teil, weil deren Schwerpunkt nicht so tief liegt, doch besitzen sie dafür die gute Eigenschaft, daß sie sich infolge ihrer Breite nicht so leicht legen und sich ihres

Fig. 2. Kuttertakelung.

geringen Tiefganges wegen besser für seichtere Küsten und Binnengewässer eignen. Segeljachten sind ausschließlich mit sogen. Gaffelsegeln und Stagsegeln ausgestattet, welche in der Normallage parallel zur Kielrichtung stehen. Am weitesten verbreitet ist die Kuttertakelung, welche in England entstanden ist. Diese (Fig. 2) besteht aus einem Mast nebst darüber aufgesetzter, einziehbarer Stenge. Dieser Mast trägt hinten ein trapezförmiges Segel, das

Fig. 3. Yawl.

Großsegel, welches unten an den Baum, oben an die Gaffel angereiht ist. Darüber heißt man bei leichtem Wind ein Toppsegel. Vor dem Mast liegt die Fock und weiter der Klüver, welcher an den Klüverbaum oder Bugspriet angeholt wird. Der Mast wird seitlich sowie vorn und hinten durch Wantenstage gestützt, ebenso der Klüverbaum. Abarten des Kutters sind die Sloop mit nur einem Segel vor dem Mast und höherm Großsegel; der Yawl (Fig. 3), welcher ein kleineres Großsegel, dafür aber hinten am Steuer einen kleinen Mast mit einem kleinen, trapezförmigen Segel trägt; endlich das Catboat mit nur einem Segel und dem entsprechend ganz vorn angeordneten Mast. Bei schwerem Wind wird die Segelfläche mittels besonderer Reffvorrichtungen verkleinert. Die Kunst des Segelns besteht, abgesehen von den zu Seefahrten nötigen nautischen Kenntnissen, hauptsächlich in der richtigen Handhabung des Steuers, in der Führung einer dem Wind angepaßten Segelfläche und in der richtigen Stellung der Segel, damit der Wind möglichst ausgenutzt wird. Am schnellsten fährt eine Jacht bei Dreiviertelwind, d. h. wenn der Wind mit dem Kiel einen Winkel von etwa 45° bildet; am langsamsten, wenn es an den Wind geht, d. h. wenn der Wind beinahe von vorn weht, wenn die Jacht also durch Aufkreuzen (Fahren im Zickzack) ein Ziel erreichen will, von welchem aus der Wind weht. Das Aufkreuzen erfordert die höchste Geschicklichkeit seitens des Steuermanns und der Mannschaft und bildet eigentlich den Kern des Segelsports. Vgl. Dixon Kemp, Manual of yacht and boat sailing (5. Aufl., Lond. 1886); Muchall-Viebrook, Seglers Handbuch (Berl. 1889), und die Wochenschrift „Wassersport“ (das., seit 1883).