Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seehund“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 805
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Seehund. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 805. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seehund (Version vom 12.09.2022)

[805] Seehund (Phoca L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Robben und der Familie der Seehunde (Phocina), Robben mit normalen Eckzähnen, ohne äußeres Ohr, mit verkürzten, den Körper nicht tragenden Gliedmaßen, von innen nach außen an Größe abnehmenden Vorderzehen, Hinterzehen, von denen die innere und äußere am größten, die mittlern klein sind, und behaarter Sohle und Schwimmhaut. Der gemeine S. (Phoca vitulina L., s. Tafel „Robben“) wird bis 1,9 m lang (die Weibchen sind größer als die Männchen), mit eirundem Kopf, kurzer Schnauze, kahler, zwischen den Nasenlöchern tief gefurchter Schnauzenspitze, mit steifen Borsten besetzter Oberlippe, großem Auge, kurzem, dickem Hals, sehr kurzem Vorderfuß, breitem, wohl entwickeltem Hinterfuß und stummelhaftem Schwanz, ist gelblichgrau, oberseits bräunlich bis schwarz gefleckt. Er bewohnt alle atlantischen Küsten Europas, die Ostseeküsten und die des Weißen Meers, Spitzbergens, Grönlands, Nordamerikas, erreicht bisweilen selbst Südamerika, geht meilenweit in die Flüsse und macht wenigstens im Norden, wo er sich am häufigsten findet, größere Wanderungen. Im allgemeinen entfernt er sich nur 30 Seemeilen von der Küste. Er schwimmt und taucht vortrefflich, verweilt aber nicht länger als etwa 8 Minuten unter Wasser. Er schläft im Wasser, rutscht aber gewöhnlich, um zu ruhen, sich zu sonnen oder zu schlafen, aufs Land, wo er sehr unbeholfen ist, aber doch recht schnell vorwärts kommt. Auch auf Eisschollen ruht er gern in der Sonne, und im Winter hält jeder einzelne S. ein oder mehrere Atemlöcher in der Eisdecke offen. Seine Stimme ist ein heiseres Gebell. Seine Sinne sind gut und gleichmäßig entwickelt. Er nährt sich von Fischen, Weichtieren und Krebsen. Das Weibchen wirft an öden, unbewohnten Stellen ein, selten zwei Junge, welche von den Alten mit großer Zärtlichkeit behandelt, auch tapfer verteidigt werden. Man stellt den Seehunden eifrig nach und benutzt das Fell, das Fleisch und Fett. Für die Grönländer ist der S. die Basis ihrer Existenz; sie verwerten auch die Därme, Knochen und Sehnen zu Geräten, Kleidungsstücken, Werkzeugen etc. Der grönländische S. (Sattelrobbe, P. groenlandica Nilss.), meist kleiner als der vorige, mit länglicher, kahler Schnauze, flacher Stirn, schwankt in der Färbung nach Alter und Geschlecht sehr stark; das erwachsene Männchen ist oberseits heller oder dunkler braungrau, unterseits heller, mit schwarzbraunem Gesicht und leierförmiger Rückenzeichnung. Letztere fehlt dem Weibchen, welches stark in der Färbung abweicht und viel kleiner ist. Die Sattelrobbe findet sich nur jenseit des 67.° nördl. Br. im Atlantischen Ozean und im Eismeer, geht aber auch durch die Beringsstraße in den Stillen Ozean. Sie meidet das feste Land, lagert sich nur auf Eisschollen und ist daher zu großen Wanderungen genötigt. Man jagt sie namentlich des Thrans halber.