Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seeamt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 802
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Seeamt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 802. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seeamt (Version vom 13.09.2022)

[802] Seeamt, die auf Grund des deutschen Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 mit der Untersuchung von Seeunfällen, welche Kauffahrteischiffe betreffen, betraute Behörde. Die Seeämter (in Brake, Bremerhaven, Danzig, Emden, Flensburg, Hamburg, Königsberg i. Pr., Lübeck, Rostock i. M., Stettin, Stralsund und Tönning) sind Landesbehörden, welche jedoch unter der Oberaufsicht des Reichs stehen, indem ihre Bezirke durch den Bundesrat abgegrenzt sind. Bei jedem S. ist vom Reichskanzler ein Kommissar bestellt, welcher den Verhandlungen beizuwohnen, Anträge zu stellen und die Anordnung einer Untersuchung bei dem Reichskanzler zu beantragen befugt ist, falls der Vorsitzende des Seeamtes die Einleitung der Untersuchung verweigert. Der Vorsitzende muß die Fähigkeit zum Richteramt haben; er wird für die Dauer seines etwanigen Hauptamtes oder auf Lebenszeit ernannt. Die vier Beisitzer werden für jeden einzelnen Fall vom Vorsitzenden berufen nach einer alljährlich im voraus aufgestellten Liste der hierzu geeigneten Personen. Das Verfahren ist öffentlich und mündlich; es sollen die Ursachen des Seeunfalls sowie alle mit demselben zusammenhängenden Thatumstände ermittelt werden. Insbesondere ist festzustellen, ob Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder des Steuermanns und (nach dem Reichsgesetz vom 11. Juni 1878) auch des Maschinisten die Schuld tragen. Ist dies der Fall, so kann auf Antrag des Reichskommissars dem Schuldigen die Befugnis zur Ausübung seines Gewerbes abgesprochen werden. Sowohl dem also Verurteilten als im Fall der Freisprechung dem Reichskommissar steht das Recht der Beschwerde an das Oberseeamt in Berlin zu. Dies ist eine Reichsbehörde, deren rechtskundiger Vorsitzender vom Kaiser ernannt wird. Von den sechs Beisitzern müssen wenigstens drei der Schiffahrt kundig sein. Ein ständiger schiffahrtskundiger Beisitzer wird von dem Kaiser ernannt, während die andern fünf vom Vorsitzenden für jeden Beschwerdefall besonders berufen werden, und zwar auf Grund einer Liste sachkundiger Personen, von denen jeder Bundesseestaat je drei auf drei Jahre in Vorschlag gebracht hat. Die entzogene Befugnis kann dem Schiffer, Steuermann oder Maschinisten nach Ablauf eines Jahrs vom Reichsamt des Innern wieder verliehen werden. Das S. ist übrigens zur Einleitung der Untersuchung nur dann verpflichtet, wenn bei dem Seeunfall Menschenleben verloren gegangen sind, wenn ein Schiff gesunken oder aufgegeben ist, oder wenn der Reichskanzler die Untersuchung anordnet. Außerdem ist dem Vorsitzenden des Seeamtes das Einschreiten überlassen.