Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schwungrad“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 777778
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Schwungrad. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 777–778. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schwungrad (Version vom 11.12.2023)

[777] Schwungrad, an einer Maschinenwelle (Schwungradwelle) befestigtes und mit dieser rotierendes Rad mit schwerem Kranz, welches infolge seines Beharrungsvermögens Unregelmäßigkeiten im Gang einer Maschine auszugleichen hat. Hat eine Maschine ohnehin schon schwere Teile, die als Schwungräder wirken, so ist ein besonderes S. entbehrlich. So wirken als Schwungräder die Läufersteine in den Mahlmühlen, die Schleifsteine bei Schleifmaschinen, die Flügel der Windmühlen, die Laufräder bei Turbinen und Zentrifugalpumpen etc. Zur Ausgleichung der durch die ungleiche Wirkung der bewegenden Kraft hervorgerufenen Unregelmäßigkeiten dienen die Schwungräder bei Motoren, bei welchen die Triebkraft mittels Kolbens, Kolbenstange und Bleuelstange auf eine Kurbel übertragen wird (Dampf-, Gaskraft-, Heißluft-, Feuerluftmaschinen, Wasserdruckmotoren etc.). Diese Motoren würden ohne Schwungräder in den toten Punkten (d. h. in denjenigen Endstellungen, in welchen die Kurbel mit der Bleuelstange in eine gerade Linie fällt und somit die motorische Kraft unwirksam ist) stehen bleiben. Das S. soll nicht nur über diese Stellungen hinweghelfen, sondern auch die fortwährenden Änderungen, welche der Druck auf die Kurbel zwischen den toten Punkten infolge der in jedem Augenblick wechselnden Kurbelstellung erleidet, aufnehmen und möglichst gleichmäßig auf die ganze Umdrehung verteilen. Die Ausgleichung der Schwankungen des Widerstandes ist besonders bei solchen [778] Arbeitsmaschinen von Wichtigkeit, bei welchen Arbeits- und Leergangsperioden miteinander abwechseln, z. B. bei vielen einfach wirkenden Pumpen, bei Stoß-, Durchstoß-, Präge-, Stanz-, Schienenrichtmaschinen, bei Walzwerken etc. Zum Betrieb einer solchen Maschine steht in der Regel eine dem Durchschnittswiderstand entsprechende Kraft zur Verfügung, die für sich zur Vollführung der Arbeitsperiode nicht ausreicht, weshalb die während der Leergangsperiode im S. aufgespeicherte lebendige Kraft zu Hilfe genommen werden muß. Die Schwungräder bestehen, wie alle Räder, aus dem Kranz, der Nabe und den beide verbindenden Armen oder Speichen, welch letztere bei kleinen Schwungrädern auch wohl durch eine volle Scheibe ersetzt sind. Der Kranz hat meist einen rechteckigen oder elliptischen Querschnitt, wird jedoch auch mehrfach nach Art von Zahnrädern, Riemen- oder Seilscheiben ausgebildet, um zugleich zur Kraftübertragung benutzt zu werden. Große Schwungräder wirken bei demselben Gewicht und derselben Umdrehungszahl kräftiger als kleine, weshalb man den Schwungrädern gern große Durchmesser gibt; doch darf man damit nicht zu weit gehen, weil sonst infolge der zu großen Umfangsgeschwindigkeit und der dadurch hervorgerufenen übermäßigen Zentrifugalkraft ein Zerreißen des Schwungrades (Schwungradexplosion) stattfindet, wobei durch die äußerst heftig fortgeschleuderten Stücke großer Schade angerichtet werden kann. Vgl. Köchy, Über Schwungradexplosionen (Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß, Berl. 1886).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 852
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[852] Schwungrad. Die sogen. Explosionen von Schwungrädern (Zerplatzen durch Zentrifugalkraft bei zu großer Umfangsgeschwindigkeit) hat man dadurch zu vermindern versucht, daß man das gewöhnliche Material der Schwungräder (Gußeisen) durch widerstandsfähigeres ersetzte. Man hat entweder das ganze S. aus Schmiedeeisen hergestellt, oder aber ihm nur einen schmiedeeisernen Schwungring gegeben. Im erstern Falle wurden die Speichen durch zwei geschlossene flachkegelförmige Scheiben von Kesselblech ersetzt, deren radiale Verbindungsstellen durch Laschen vernietet wurden, welche zugleich zum Abstützen dienten. Der Schwungring besteht dann aus Flacheisen, welche in mehreren Lagen mit versetzten Stößen entweder hochkantig oder flach gebogen zum Ringe zusammengebaut werden. Vielfach wurden auch die gußeisernen Schwungräder nur mit einem warm aufgezogenen Schmiedeeisenring verstärkt, wobei infolge des Schwindens des Ringes beim Kaltwerden ein für das feste Gefüge des Schwungringes vorteilhaftes Zusammenzwängen entsteht. Neuerdings hat Mannesmann, welcher zu seinem Schrägwalzverfahren sehr schwerer u. sehr schnell gehender Schwungräder bedarf, ein sehr originelles S. konstruiert, dessen Schwungring aus straff aufgewickeltem Draht hergestellt ist, und dessen Speichengerüst so eingerichtet ist, daß alle auf Überwindung von Druckkräften berechneten Verbindungen des Schwungringes mit der zwischen dem Schwungring und der Nabe befindlichen Gliedern vermieden werden. Demgemäß wird der Draht um eine Nabe mit oder ohne Einschaltung loser, lediglich Druckkräften Widerstand leistender Zwischenglieder mit einer so hohen Spannung aufgewickelt, daß bei der für das S. bestimmten Umfangsgeschwindigkeit die dem Draht beim Aufwickeln ursprünglich erteilte Spannung einschließlich der durch die Zentrifugalkraft in der Bewickelung erzeugten Zugspannung noch eben unter der zulässigen höchsten Beanspruchung des Drahtes bleibt. Die Zwischenglieder brauchen demnach nur die durch die Wickelung erzeugten Druckspannungen auszuhalten, und deshalb kann die Umfangsgeschwindigkeit gegenüber der sonst gebräuchlichen um das Doppelte erhöht werden, ohne daß Explosionen zu fürchten wären. Das S. besteht aus einer hohlen, gußeisernen Nabe, an welche beiderseitig je eine Blechscheibe von solcher Größe angeschraubt ist, daß alle übrigen Teile des Schwungrades zwischen diesen Scheiben liegen. Um die Nabe herum ist ein Stern von schmiedeeisernen Stützen angebracht, welche mit den Blechscheiben verschraubt sind. Um diesen Stern wird der Draht von ca. 4 mm Durchmesser in mehreren Schichten in der Weise aufgewickelt, daß die fertig montierte Maschine das S. langsam umdreht. Zum Anspannen des Drahtes hierbei dient ein Richtwalzwerk. Zur genauen Regelung der Spannung ist zwischen letzterm und dem S. eine lose belastete Rolle angebracht. Zur Führung des Drahtes behufs richtiger Aufwickelung dient ein nahe vor der Aufwickelungsstelle hin und her bewegtes Führungsauge.