Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schutzwaldungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 671672
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Schutzwaldungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 671–672. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schutzwaldungen (Version vom 22.11.2023)

[671] Schutzwaldungen, Waldungen, welche durch ihre Lage und die Beschaffenheit des von ihnen eingenommenen Bodens für die Kulturfähigkeit benachbarter Grundstücke oder ganzer Landstriche von Bedeutung sind, d. h. diesen Grundstücken gegen Versandung durch Flugsand, gegen das Abrutschen steiler Gehänge, gegen die Überschüttung mit Kies und Gerölle, gegen die Bildung von Wasserrissen und Wasserstürzen, den Abbruch der Ufer an Flüssen, gegen Eisgang, gegen nachteilige Einwirkungen der Winde Schutz gewähren. Die in den Quellgebieten der Ströme und Flüsse sowie die auf den die Flußthäler einrahmenden Bergen gelegenen S. verhindern starke Schwankungen im Wasserstand der Flußläufe und schützen Handel und Industrie gegen starke Veränderung der Wasserkraft. Den ersten Anstoß zur nähern Untersuchung der Waldschutzfrage gaben die traurigen Verhältnisse der Bodenkultur in vielen mitteleuropäischen Ländern bei Beginn des 19. Jahrh. Der seit den ältesten Zeiten gegen die Wälder geführte Kampf hatte im mittlern Europa die Bewaldung so sehr vermindert, daß das Holz anfing zu fehlen, die Holzpreise seit 1750 rapid stiegen und zugleich hier und dort Klagen laut wurden über klimatische Schäden, welche offenbar durch die Zerstörung der Wälder herbeigeführt worden waren. Im romanischen Süden nahm die Verwüstung der Wälder die größten Dimensionen an. Furchtbare Überschwemmungen im Frühjahr und eine alles Pflanzenleben ertötende Dürre im Sommer waren die Folge. Die wissenschaftliche Forschung wendete sich den besprochenen Verhältnissen bald mit großem Eifer zu. Ernst Moritz Arndt rief 1820 sein „Wort über die Pflegung und Erhaltung der Forsten und der Bauern im Sinn einer höhern, d. h. menschlichen, Gesetzgebung“ [672] (Schlesw. 1820) in das deutsche Volk hinein; Moreau de Jonnes veröffentlichte seine „Untersuchungen über die Veränderungen, die durch die Ausrottung der Wälder in dem physischen Zustand der Länder entstehen“ (deutsch, Tübing. 1828). In der Schweiz wies Marchand („Über die Entwaldung der Gebirge“, Bern 1849) auf die schweren Schäden der Landeskultur hin, welche in den Hochgebirgen vorlagen; eine Reihe von Schriften über die S., unter denen die von Grebe, Rentzsch und Bernhardt besonders hervorzuheben sind, forderten einen gesetzlichen Schutz der S. und die Beschränkung des Privatforstbesitzes durch den Staat insoweit, als dies durch das öffentliche Interesse geboten erschiene. Um den klimatischen Einfluß der Wälder auf dem Weg exakter Untersuchung festzustellen, wurden seit 1867 in Bayern, Österreich, Preußen, Elsaß-Lothringen, der Schweiz, Frankreich forstlich-meteorologische Beobachtungsstationen errichtet. Die Gesetzgebung der meisten mitteleuropäischen Länder folgte den von der wissenschaftlichen Forschung gegebenen Anregungen. In Frankreich erließ Napoleon III. 1860 ein Gesetz, das die zwangsweise zu betreibende Wiederbewaldung der den Gemeinden, Instituten und Privaten gehörigen Bergländereien anordnete; ein zweites Gesetz von 1864 substituierte in einzelnen Fällen der Wiederbewaldung der Berge die Wiederberasung derselben. Beide sind durch das Gesetz vom 4. April 1882, betreffend die Wiederherstellung und Erhaltung der Gebirgsböden, ersetzt. In Österreich wurde durch Gesetz von 1852 eine vollständige Staatsaufsicht über die Privatwaldungen konstituiert; in Bayern geschah dasselbe durch Gesetz von 1852 in Bezug auf diejenigen Privatwaldungen, welche als S. zu betrachten sind; auch in Baden (Forstgesetz von 1853) und Hessen („Das hessische Staatsrecht“, Bd. 9) besteht eine spezielle Staatsaufsicht über die Privatforsten. In Preußen kam 1875 ein Gesetz über S. und Waldgenossenschaften zu stande (vgl. „Die preußischen Forst- und Jagdgesetze“, hrsg. von Öhlschläger u. a., Bd. 2, Berl. 1878), in der Schweiz stellt das Bundesgesetz von 1876 die S. in den Hochgebirgen unter die Aufsicht des Bundes, in Italien und Spanien wurde 1877 ein Waldschutzgesetz erlassen. Auch das österreichische Gesetz vom 30. Juni 1884 über Wildbachverbannungen ist hier zu nennen. Vgl. Heß, Über Waldschutz und Schutzwald (Hamb. 1888).