MKL1888:Schriftlichkeit
[633] Schriftlichkeit, das Prinzip des frühern gemeinen bürgerlichen Prozeßrechts, wonach lediglich auf Grund der Schriftsätze der Parteien und auf Grund der Akten entschieden wurde (s. Zivilprozeß). An die Stelle desselben ist jetzt das mündliche Verfahren getreten, welches indessen nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 119 ff.) in dem vor die Landgerichte gehörigen Anwaltsprozeß durch die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien eingeleitet wird. S. der Verträge ist nach gemeinem Recht zur Klagbarkeit derselben nicht erforderlich, namentlich ist auch nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 317) die Gültigkeit der Verträge bei Handelsgeschäften durch schriftliche Abfassung nicht bedingt. Zweckmäßig und üblich ist die schriftliche Form allerdings in vielen Fällen, z. B. bei Lehr-, Miet-, Versicherungsverträgen u. dgl.; notwendig ist sie aber nur partikularrechtlich, z. B. nach preußischem Recht bei Verträgen, deren Gegenstand über 150 Mk. wert ist. Nach der deutschen Gewerbeordnung (§ 130) kann der Lehrherr gegen den Lehrling, welcher die Lehre eigenmächtig verlassen hat, einen Anspruch auf Rückkehr des Lehrlings nur dann geltend machen, wenn der Lehrvertrag schriftlich abgeschlossen ist. Auch der sogen. Schlußnotenzwang gehört hierher (s. Schlußnote). Übrigens gehört die S. zum Wesen mancher Rechtsgeschäfte und Rechtsinstitute, wie z. B. des Wechsels, der Errichtung einer Hypothek, der Übereignung von Immobilien in den Grund- und Hypothekenbüchern u. dgl. Nach dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 683) ist ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis ohne Angabe eines besondern Verpflichtungsgrundes nur dann gültig, wenn es von dem Schuldner in schriftlicher Form erteilt ist.