MKL1888:Schleswig-Holstein

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schleswig-Holstein“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 521530
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Schleswig-Holstein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 521–530. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schleswig-Holstein (Version vom 17.09.2023)

[521] Schleswig-Holstein (hierzu Karte „Schleswig-Holstein“), preuß. Provinz zwischen der Nord- und Ostsee, ist gebildet aus den bis 1864 zu Dänemark gehörigen Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg, von denen die beiden erstern Österreich im Prager Frieden (23. Aug. 1866) an Preußen abtrat, während Lauenburg, wiewohl bereits im Vertrag von Gastein (1865) von Österreich an die Krone Preußen überlassen, erst 1876 als „Kreis Herzogtum Lauenburg“ dem preußischen Staat einverleibt und zur Provinz S. geschlagen wurde. Die Provinz grenzt im N. an Jütland, im O. an die Ostsee, an das oldenburgische Fürstentum Lübeck, an Lübeck und Mecklenburg, im Süden an Hamburg und die Provinz Hannover, im W. an die Nordsee und hat einen Flächeninhalt von 18,841 qkm (342,19 QM.).

[Bodenbeschaffenheit, Klima.] S. liegt im Norddeutschen Tiefland, ist aber nicht vollständig eben, da es von dem Norddeutschen Landrücken in der Nähe der Ostsee durchzogen wird, auf dem in Holstein der Bungsberg (158 m) und der Pielsberg (127 m), in Schleswig die Hüttener Berge (109 m), südöstlich von Schleswig, die höchsten Punkte sind. Von älterm Gestein ist nur Gips der Zechsteinformation bekannt, unter dem in neuester Zeit das Steinsalzlager bei Segeberg und Stipsdorf in einer Tiefe von 148 und 97 m erbohrt worden ist. Kreide ist an einigen Punkten in der Tiefe nachgewiesen, und die Tertiärformation ist als Unterlage vielfach verbreitet (Morsumer Kliff auf Sylt). An der Oberfläche erscheinen aber fast nur diluviale und alluviale Ablagerungen. Das Diluvium zerfällt hier in den Geschiebethon, Geschiebesand und die Ahlformation. Der Geschiebethon umfaßt die fruchtbare Landschaft an der Ostsee sowie die Ostseeinseln Alsen und Fehmarn, der Geschiebesand, weniger fruchtbar, aber doch noch guten Roggenboden aufweisend, den Kern des Landrückens, die Ahlformation oder Geest die weite, ebene und größere westliche Hälfte des Landes. Die letztere, in Holstein 30–45, in Schleswig 15–22 (in Jütland bis 90) km breit, besteht aus einem braunen, losen Sandstein (Sandahl) oder aus einer Mischung von Sand und kleinen Steinen (Steinahl), welche Massen

[Ξ]

SCHLESWIG-HOLSTEIN.
Maßstab 1 : 850000.
[Nebenkarten: Fehmarn,] LAUENBURG.
[Datumsangabe:] III. 89.

[522] auf einer guten Erdschicht liegen, aber von einer unfruchtbaren, weißen Sandschicht von 0,3–0,6 m Dicke bedeckt sind. Sand und Ahl tragen meist nur Heidekraut, während die tiefer liegenden Landstriche mit Mooren ausgefüllt sind, die besonders ausgedehnt längs der Marschen liegen. Diese, dem Alluvium angehörig, enthalten einen überaus fruchtbaren, aus dem Schlamm der Nordsee gebildeten Boden, erstrecken sich längs der Westseite von der schönen Hügelkette von Blankenese (Süllberg 91 m) bis Hoyer in Nordschleswig in einer Breite von 7–22 km, haben nirgends mehr als 5 m Meereshöhe, liegen zuweilen noch unter dem Meeresspiegel (Wilstermarsch) und werden gegen die Wasserfluten durch 8 m hohe Deiche geschützt, die oftmals auch landeinwärts Distrikte umschließen (Köge). Nur zweimal weichen die Deiche einem Steilufer: bei St. Peter auf Eiderstedt (Hitzbank) und bei Schobüll im N. von Husum. Die Marsch erweitert sich seewärts noch beständig durch Absetzung des fetten Schlammes, und neue Eindeichungen stehen bevor; die letzte größere Eindeichung fand 1857 statt (Friedrichskog). Der Flugsand, diese große Plage Jütlands, gehört ebenfalls dem Alluvium an und bildet Dünen auf den äußern Inseln der Nordsee, namentlich auf Sylt.

Die Ostsee bespült S. in einer Länge von 375 km. Die Küste an derselben ist vorzugsweise steil, Dünen fehlen fast gänzlich. Lange, schmale und in der Regel tiefe Busen (Föhrden) gehen weit in das Land hinein, von denen mehrere vortreffliche Häfen abgeben: die Neustädter Bucht, die Busen von Kiel (24 km lang, im Innern 2–3 km breit und 10 m tief) und Eckernförde, die flache Schlei, die Busen von Flensburg, Apenrade und Hadersleben. Zwischen diesen Busen liegen eine Reihe von Halbinseln: Wagrien zwischen der Neustädter Bucht und dem Kieler Busen, die Dänische Wohld zwischen dem Kieler und Eckernförder Busen, Schwansen zwischen dem letztern und der Schlei, Angeln zwischen der Schlei und dem Flensburger Busen, Sundewitt nördlich von letzterm u. a. Neben der Halbinsel Sundewitt liegt die Insel Alsen, vom Festland durch den im Süden nur 250 m, im N. 4 km breiten Alsensund getrennt, während von der Nordostseite von Holstein die Insel Fehmarn durch den 320 m breiten und 3 m tiefen Fehmarnsund geschieden ist. Die Nordsee bespült die Provinz von der Elbmündung bis zur jütischen Grenze. Am weitesten in dieselbe hinaus geht hier die Halbinsel Eiderstedt im südlichen Schleswig. Im Süden derselben befinden sich die busenartig erweiterte Mündung der Eider und die Bucht von Meldorf, von denen diese in das Land Dithmarschen einschneidet und durch den Friedrichskog von der Elbmündung geschieden ist. Nördlich von Eiderstedt breitet sich das Schleswigsche Wattenmeer mit seinen zahlreichen Inseln und Untiefen, die zur Ebbezeit wasserfrei sind, aus; da sind im Süden die eingedeichten Inseln Nordstrand und Pellworm vor Husum, dann folgen die kleinen, uneingedeichten Halligen, weiter die Insel Föhr, unter dem Schutz der dünenreichen Insel Amrum, endlich die Inseln Sylt und Röm, beide ebenfalls Dünen enthaltend. Innerhalb des Wattenmeers befinden sich zwischen den Inseln und Watten eine Anzahl von Tiefen, welche kleinern oder größern Schiffen die Einfahrt gestatten: Süder- und Norder-Piep, in der Richtung auf Meldorf, die Eider, nach dem Hafen von Tönning, der Heverstrom, nach Husum hinauf, die Süder- und Norderaue, zwischen den nördlichen Halligen und Föhr, das Fahrtrapptief, zwischen Föhr und Sylt, das Lister Tief, zwischen Sylt und Röm. Elbe und Eider sind die Hauptflüsse. Die Elbe begrenzt die Provinz gegen Hannover in einer Länge von 103 km und empfängt aus Süden die Delvenau (Stecknitzkanal), die Bille und Alster, beide im Hamburgischen mündend, die Pinnau, Krückau, den Rhin und die Stör mit der Brame. Die Eider durchfließt etwa die Mitte des Landes und empfängt rechts die Sorge und Treene, links die Jevenau, Helderau und Gieselau. Von den übrigen Flüssen münden die Husumer Au, die Scholmer Au, die Widau und Brede Au in das Schleswigsche Wattenmeer, die Schwentine in den Kieler Busen und die Trave außerhalb der Provinz in die Lübecker Bucht. Alle diese Flüsse sind auf kürzere oder längere Strecken schiffbar. Unter den Kanälen sind zu nennen: der 1888 im Bau begonnene Nord-Ostseekanal, 98 km lang; der 32 km lange Eiderkanal, zwischen der Eider und dem Kieler Busen; der Stecknitzkanal oder die kanalisierte Delvenau, 56 km lang, zwischen Elbe und Trave; der Kudenseer Kanal, 15 km lang, zwischen der Holstenau und Elbe bei St. Margarethen; die Süderbootfahrt, im Kreis Eiderstedt von Garding zur Eider (6 km), und der Tondernsche Kanal, von Tondern zur Widau. Zahlreiche Landseen finden sich in der fruchtbaren Hügellandschaft des nordöstlichen Holstein: der Plöner und der Selenter See die größten, der Weseker See unweit Oldenburg, der Warder See an der obern Trave, der Bothkamper, Westen- und Flemhuder See an der obern Eider. Im Lauenburgischen liegen der Ratzeburger und der Schallsee, im Schleswigschen der Wittensee, unweit der Eider, und der Bottschlotter und Gotteskogsee in den westlichen Marschen. Das Klima ist durch die Einwirkung der Meere gemäßigt; die jährliche Durchschnittswärme beträgt in Kiel 8,1, Altona 9,1, Husum 8,21° C., die jährliche Regenmenge 63–77 cm.

[Bevölkerung, Erwerbszweige.] Die Bevölkerung belief sich 1885 auf 1,150,306 (61 auf 1 qkm), worunter 1,131,899 Evangelische, 12,217 Katholiken, 2215 sonstige Christen, 3544 Juden etc. Die Einwohner sind größtenteils Deutsche, die sich meist der plattdeutschen Mundart bedienen, und zu denen auch die Friesen an der westlichen Küste und auf den Inseln des Wattenmeers zu rechnen sind. Im N. von Flensburg und Tondern sind die Dänen, etwa 140,000 in der ganzen Provinz, vorherrschend. Es gibt 54 Städte, 1804 Landgemeinden und 358 Gutsbezirke. Die Haupterwerbszweige der Bewohner sind: Landwirtschaft, Viehzucht, Schiffbau und Schiffahrt. Von der Gesamtfläche kommen 58,3 Proz. auf Ackerland und Gärten, 10,8 auf Wiesen, 17,7 auf Weiden, 6,4 Proz. auf Waldungen. Die fruchtbarsten Äcker sind in der Marsch des Kreises Steinburg (Wilster), in den Kreisen Eiderstedt, Norderdithmarschen, Oldenburg, Süderdithmarschen und Sonderburg. Getreide, besonders Weizen, wird zur Ausfuhr gewonnen; Garten- und Obstbau blühen in der Umgegend von Altona und Hamburg, unterstützt durch die große Baumschule zu Klein-Flottbeck; einen Ruf haben die Gravensteiner Äpfel. Vortreffliche Fettweiden in den westlichen Marschländern sind die Grundlage für eine bedeutende Rindviehzucht. Die Holzungen haben einen geringen Umfang und bestehen vorwiegend aus Laubhölzern; an ihre Stelle treten in dem östlichen Teil der Provinz die Hecken, welche die Koppeln einschließen. Nach der Viehzählung von 1883 hatte S. 156,534 Pferde, 727,505 Stück Rindvieh, 320,768 Schafe, 268,061 Schweine und 42,580 Ziegen. Für die Hebung der Pferdezucht besteht ein Landgestüt zu Traventhal. Das Rindvieh ist von vorzüglicher Rasse und verhältnismäßig zahlreicher [523] als in irgend einer andern preußischen Provinz; in großer Menge wird dasselbe von Tönning, Husum, Altona und über Hamburg nach England ausgeführt. Der Wildstand ist nicht bedeutend; Geflügel wird zahlreich gezogen, wilde Enten werden in großer Zahl auf Föhr und Sylt gefangen. Die Fischerei ist in der Ostsee (Kieler Sprotten) ergiebiger als in der Nordsee; im Schleswigschen Wattenmeer aber wird eine ansehnliche Austernzucht betrieben (etwa 50 Bänke). Das Mineralreich liefert keine große Ausbeute. Von Wichtigkeit allein sind die großen Torflager, das Gips- und Steinsalzlager bei Segeberg sowie das Vorkommen von gutem Thon; Spuren von Braunkohlen und Erdöl sind nachgewiesen. Größere Fabrikanstalten, wie Eisengießereien, Maschinen-, Tabaks-, Tuchfabriken etc., gibt es nur in den größern Städten (Tuchfabriken in Neumünster); der Schiffbau wird am Kieler Busen zu Gaarden und Ellerbeck, dann auch zu Altona und Flensburg betrieben. Der Hafenplätze an beiden Meeren und den zahlreichen schiffbaren Flüssen gibt es sehr viele; jedoch treten unter denselben nur Kiel, Flensburg, Altona, Tönning und Rendsburg besonders hervor. Die Anlage eines neuen, großen Hafens an der Westküste von S. bei Emerleff, in der Nähe von Hoyer, besonders zur Hebung der Nordseefischerei sowie des Handels mit England, steht in Aussicht. Ein großer Teil des Schiffahrtsverkehrs wird auch durch die im Bereich der Provinz liegenden Städte Hamburg und Lübeck besorgt. Die Reederei von S. ist bedeutend; zu ihr gehörten 1886: 712 Schiffe, darunter 556 Segelschiffe und 156 Dampfer, davon kamen auf das Ostseegebiet 316, auf das Nordseegebiet 396 Schiffe. Die größten Reedereiplätze sind: Altona, Apenrade, Blankenese, Elmshorn, Flensburg, Kiel und Rendsburg. Die Eisenbahnen der Provinz sind meist Staatsbahnen. Die wichtigsten Linien derselben sind: Altona-Kiel, Neumünster-Wamdrup, Neumünster-Oldesloe, Neumünster-Neustadt und Jübeck-Tönning. Namhafte Privatbahnen sind die Holsteinische Marschbahn (Linie Elmshorn-Heide) und die Linien Heide-Ripen, Lübeck-Büchen und Kiel-Flensburg.

[Bildung, Verwaltung.] Für die geistige Bildung sorgen: eine Universität zu Kiel, 12 Gymnasien, 3 Realgymnasien, eine Oberrealschule, ein Progymnasium, 2 Realschulen, 11 Realprogymnasien, eine Landwirtschaftsschule, 6 Schullehrerseminare, eine Marineakademie zu Kiel, eine Kadettenanstalt zu Plön, 3 Navigationsschulen, 2 Taubstummeninstitute etc. In den deutschen Reichstag entsendet die Provinz 10, in das preußische Abgeordnetenhaus 19 Abgeordnete. Militärisch gehört sie zum Bezirk des 9. Armeekorps. Die Provinzialstände bestehen (ohne Lauenburg) aus 20 Vertretern des größern Grundbesitzes, 19 der Städte und 19 der Landgemeinden. Für die Justiz bestehen: ein Oberlandesgericht zu Kiel mit 3 Landgerichten. Der Oberpräsident hat seinen Sitz in Schleswig, wo sich auch das Provinzialschulkollegium befindet, das Generalkommando des 9. Armeekorps, die Provinzialsteuer- und die Eisenbahndirektion sind in Altona. In Kiel befinden sich die Marinestation der Ostsee und das evangelisch-lutherische Konsistorium. Der Bischof von Osnabrück verwaltet die apostolische Präfektur für S. Hinsichtlich des Bergbaues ressortiert die Provinz vom Oberbergamt Klausthal, in Auseinandersetzungssachen von der Generalkommission zu Hannover. Eine Oberpostdirektion ist in Kiel (ein Teil der Provinz untersteht der zu Hamburg). Ein gemeinsames Wappen für die ganze Provinz ist noch nicht vorhanden. Holstein hat dasselbe Wappen wie Schaumburg-Lippe: ein ausgebreitetes, in drei Teile zerschnittenes Nesselblatt mit einem von Silber und Rot quergeteilten Schildchen, gegen welches, zwischen den drei Teilen des Nesselblattes, drei silberne Nägel mit den Spitzen stehen. Die Landschaft Stormarn führt im roten Feld einen silbernen Schwan mit einer goldenen Kette um den Hals, Dithmarschen im roten Feld einen geharnischten Reiter mit entblößtem Schwert auf silbernem Pferd, Wagrien einen blauen Ochsenkopf in Gold. Das Wappen von Schleswig bilden zwei blaue goldgekrönte Löwen im goldenen Felde. Die Landesfarben (herkömmlich Blau, Rot, Weiß) sind amtlich noch nicht festgestellt. Eine Kreisordnung trat 1. April 1889 in Kraft. Die Provinz bildet nur einen Regierungsbezirk (Schleswig) und wird in 22 Kreise eingeteilt:

Kreise QKilo­meter QMei­len Ein­wohner Einw. auf 1 QKilom.
Altona (Stadtkreis) 12 0,22 123352
Apenrade 685 12,44 28347 41
Eckernförde 788 14,31 38212 48
Eiderstedt 331 5,99 16780 51
Flensburg 1047 19,03 73789 70
Hadersleben 1694 30,77 57211 34
Husum 850 15,44 36489 43
Kiel (Stadtkreis) 15 0,27 51706
Kiel (Landkreis) 704 12,79 44043 62
Lauenburg (Herzogtum) 1183 21,49 49861 42
Norderdithmarschen 601 10,92 36627 61
Oldenburg 837 15,60 44402 53
Pinneberg 805 14,62 71433 89
Plön 955 17,34 58126 61
Rendsburg 1257 22,83 53955 43
Schleswig 1056 19,18 62404 59
Segeberg 1158 21,03 39956 35
Sonderburg 442 8,03 32457 73
Steinburg 936 17,00 62032 66
Stormarn 927 16,84 73031 79
Süderdithmarschen 746 13,55 40720 55
Tondern 1812 32,73 55373 31

Vgl. Greve, Geographie und Geschichte der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Kiel 1844); v. Schröder, Topographie des Herzogtums Schleswig (2. Aufl., Oldenb. i. H. 1854) und der Herzogtümer Holstein und Lauenburg (mit Biernatzki, 2. Aufl., das. 1855); v. Osten, S. in geographischen und geschichtlichen Bildern (2. Aufl., Flensb. 1877); Böger, Topographisches Handbuch für die Provinz S. (Kiel 1881); Haas, Geologische Bodenbeschaffenheit Schleswig-Holsteins (das. 1889); P. Chr. Hansen, S., seine Wohlfahrtsbestrebungen etc. (das. 1882); „Gemeindelexikon für die Provinz S.“ (hrsg. vom Statistischen Büreau, Berl. 1888); v. Wobeser, Statistik der Provinz S. (Altona 1887); Michler, Kirchliche Statistik der Provinz S. (Kiel 1887, 2 Bde.); Krüger, Organisation der Staats- und Selbstverwaltung in der Provinz S. (das. 1888); Köppen, Kreis- und Provinzialordnung für S. (Schlesw. 1888); Haupt, Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz S. (Kiel 1886 ff.); Reisehandbücher von Heinrich (das. 1885–88, 3 Tle.), Schmarje (Hamb. 1886) u. a.

Geschichte.

[Die schleswig-holsteinischen Linien.] Die Geschichte des vereinigten S. beginnt mit dem Jahr 1386, in welchem Gerhard VI. die Grafschaft Holstein (s. d.) mit dem Herzogtum Schleswig (s. d.) unter seiner Herrschaft dauernd vereinigte. Nach dem Aussterben der Kieler Linie (1390) erwarb Gerhard 1403 ganz Holstein (mit Ausnahme des geringfügigen schauenburgischen Anteils), fiel aber 1404 im Kampf gegen die Dithmarschen. Sein Sohn Adolf VIII. erhielt die [524] Herrschaft über S. nach 30jährigem Kampf mit Dänemark 1435 und empfahl, als der dänische Reichsrat nach König Christophs III. Tod (1448) ihm die dänische Krone anbot, statt seiner den Dänen seinen Schwestersohn, den Grafen Christian von Oldenburg, der nun als Christian I. zum König von Dänemark gewählt wurde; doch mußte er zuvor die Constitutio Waldemariana beschwören, welche die Vereinigung von Dänemark und Schleswig unter Einem Herrn verbot (s. Holstein, Gesch., S. 663). Dennoch machte Christian I., als Adolf VIII. 4. Dez. 1459 kinderlos starb und nur noch ein Sprößling des schauenburgischen Geschlechts, Graf Otto II., übrig war, der aber bloß in Holstein das Recht der Nachfolge beanspruchen konnte, sein Erbrecht auf Schleswig geltend, und da die Stände die Lande nicht wieder trennen wollten, wurde im März 1460 zu Ripen infolge des Beschlusses des „Rats von Holstein“ König Christian I. zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein ausgerufen, seinen Nachkommen indes kein unbedingtes Erbrecht zugestanden. Der König schwur, beide Lande in ihren Rechten und Freiheiten zu erhalten, und daß Schleswig und Holstein ewig zusammen und ungeteilt bleiben sollten. Alljährlich sollte der Landesherr in Holstein einen Landtag zu Bornhöved und in Schleswig zu Urnehöved halten, ohne dessen Zustimmung keine Bede aufgelegt, kein Krieg angefangen werden dürfe. In des Königs Abwesenheit sollten die Bischöfe von Schleswig und Lübeck mit fünf guten Männern aus jedem der verbundenen Länder alle Sachen richten und verabschieden; diese, ein Ausschuß der Stände, bildeten fortan den eigentlichen Rat. Christian I. kaufte dem Grafen von Schauenburg seine Ansprüche auf S. für 41,500 Gulden ab, und nach dem Aussterben der Schauenburger (1640) fiel ihr Besitz an S. 1474 erhielt Christian von Kaiser Friedrich III. die Lehnshoheit über Dithmarschen bestätigt; zugleich wurden die vereinigten Lande Holstein, Dithmarschen und Stormarn zum Herzogtum erhoben. Die Dithmarschen wollten jedoch ihre Freiheit nicht einbüßen, und als König Johann (1482–1513) sie unterwerfen wollte, vernichteten sie im Februar 1500 bei Hemmingstedt sein stolzes Ritterheer. Unter König Friedrich I. (1523–33) wurde die Reformation trotz anfänglichen Widerstandes der Bischöfe und der Dithmarschen, die 1559 durch die Schlacht bei Heide völlig unterworfen wurden, in S. eingeführt. Die Kirchenordnung von 1542 ordnete die Verhältnisse in Holstein: an die Spitze der Kirche trat ein Propst, ihm zur Seite ein Konsistorium; die bischöfliche Gewalt fiel an den Landesherrn, die Wahl der Geistlichen an die Gemeinden; die Mönchsklöster wurden aufgehoben, die begüterten Nonnenklöster auch evangelisch gemacht, aber als Zufluchtsstätten für die unversorgten Töchter des Adels bestehen gelassen.

Die Söhne Friedrichs I. teilten 1544 die Besitzungen des Hauses Oldenburg: König Christian III. begründete die königliche Linie, welche in Dänemark bis 1863 herrschte, Johann die Haderslebener, welche 1580 mit seinem Tod erlosch, und Adolf I. die Gottorper Linie. Eine neue Teilung zu Flensburg (12. Aug. 1581) zwischen dem König Friedrich II. (1559–88) und seinem Oheim Adolf I. von Holstein-Gottorp ordnete auf längere Zeit den Besitzstand der beiden übrigbleibenden Linien, doch so, daß S. sehr zerstückelt wurde. Zum königlichen Anteil gehörten in Schleswig unter anderm Alsen, Flensburg, Hadersleben, in Holstein Segeberg, Plön und einige Klöster; zum herzoglichen in Schleswig Husum, Apenrade und Tondern, in Holstein Neumünster, Oldenburg und Fehmarn. 1582 trat Friedrich II. seinem Bruder Johann einige Besitzungen im Amt Hadersleben ab, und dieser begründete die nach einem Schloß benannte Linie S.-Sonderburg. Sein Enkel Ernst Günther (1609–1639) stiftete die Linie S.-Sonderburg-Augustenburg, dessen Bruder August Philipp (1612–1675) die Linie S.-Beck-Glücksburg, welche sich seit 1825 Holstein-Sonderburg-Glücksburg nannte. Andre von Johann von S.-Sonderburg abstammende Linien, wie S.-Franzhagen, S.-Glücksburg, S.-Plön, S.-Norburg, erloschen schon im 18. Jahrh. Holstein blieb deutsches Lehen, Schleswig dänisches; in der gemeinschaftlichen Regierung von S., welche fortan zwischen dem König und dem Gottorper Herzog wechselte, blieb ein Rest der alten Einheit erhalten, und das Recht auf dieselbe wurde bei jeder Thronbesteigung formell gewahrt. Im übrigen aber war der die Landtage beherrschende Adel nur auf seine Standesprivilegien und persönliche Vorteile bedacht.

In der Linie S.-Gottorp folgten auf Adolf I. (gest. 1586) erst zwei ältere Söhne und nach deren frühem Tod sein Sohn Johann Adolf (1590–1616). Dessen Sohn Friedrich III. (1616–59) hielt sich zwar während des Dreißigjährigen Kriegs neutral, konnte aber nach Christians IV. von Dänemark Niederlage bei Lutter (1626) den Einmarsch der Kaiserlichen in sein Land und dessen Verwüstung nicht hindern. Schon bei seinem Regierungsantritt hatte er die Stände zum Verzicht auf ihr Wahlrecht bewogen und mit Zustimmung Dänemarks und des Kaisers die Primogenitur bei seiner Linie eingeführt. Nun verschaffte ihm auch sein Schwiegersohn, König Karl X. Gustav von Schweden, 1658 im Frieden von Roeskilde die Souveränität seiner schleswigschen Besitzungen, welche im Frieden von Oliva 1660 seinem Sohn Christian Albrecht (1659–94) bestätigt wurde. Doch suchte Dänemark ihn zum Verzicht auf die Selbständigkeit Schleswigs zu zwingen, überzog ihn zu diesem Zweck mit Krieg und vertrieb ihn zweimal (1675 und 1683) aus dem Land; erst im Vertrag von Altona 1689 erhielt er es wieder. Auch seinem Sohn Friedrich IV. (1694–1702) machte Dänemark die Souveränität streitig und erklärte ihm den Krieg; aber sein Schwager Karl XII. von Schweden, dessen ältere Schwester Hedwig Sophie er zur Gemahlin hatte, sicherte ihm 1700 durch den Frieden von Travendal den Besitz seiner Länder und wirkte ihm eine Geldentschädigung aus. Nach seinem Tod in der Schlacht bei Klissow (19. Juli 1702) führte sein Bruder Christian August für seinen unmündigen Sohn Karl Friedrich (1702–39) die Vormundschaft bis 1718. Christian August ernannte den Grafen Görtz zum Minister, der 1711 zum letztenmal die Landstände der Herzogtümer berief. Nach der Niederlage Karls XII. bei Poltawa (1709) fiel der dänische König Friedrich IV. sofort über Gottorp her, verjagte 1713 den unmündigen Herzog und gab ihm im Frieden von 1720 nur seine holsteinischen Besitzungen zurück. Der gottorpsche Anteil an Schleswig wurde 22. Aug. 1721 mit dem dänischen vereinigt und Friedrich IV., als ihrem nunmehr alleinigen „souveränen“ Landesherrn, von den schleswigschen Ständen, auch den Linien Augustenburg und Glücksburg, schriftlich der Eid geleistet. Karl Friedrichs Sohn von Anna Petrowna, der Tochter Peters I. von Rußland, Karl Peter Ulrich (1739–62), für den Christian Augusts Sohn Adolf Friedrich, Bischof [525] von Lübeck, bis 1745 die Vormundschaft führte, wurde 1742 von der Kaiserin Elisabeth zum russischen Thronfolger erklärt und bestieg 1762 als Peter III. den russischen Thron, während Adolf Friedrich 1751 König von Schweden wurde. Im Besitz zweier fremder Throne hatte das Haus S.-Gottorp kein Interesse mehr an der Mitherrschaft in S., und im Namen des russischen Großfürsten Paul, des Sohns von Peter III. (des nachmaligen Zaren Paul I.), verzichtete Rußland 1767 auf dieselbe im Vertrag zu Kopenhagen, der vom Großfürsten Paul nach erlangter Majorennität 1773 bestätigt wurde. Der gottorpsche Anteil an S., sowohl der 1721 von Dänemark besetzte als der noch bei der herzoglichen Linie verbliebene, wurde an den König Christian VII. von Dänemark überlassen, der dafür die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst abtrat. Dieselben, zum Herzogtum Oldenburg erhoben, erhielt Friedrich August, Fürstbischof von Lübeck, Christian Augusts zweiter Sohn, der nun die jüngere Linie S.-Gottorp oder Oldenburg begründete (s. Oldenburg, Geschichte, S. 366).

Die Herrschaft Dänemarks.

Dänemark war also seit 1773 im Besitz von ganz S., dessen Adel am Hof zu Kopenhagen und im dänischen Beamtentum stark vertreten war und eine einflußreiche Rolle spielte und daher einer weitern Verschmelzung der Herzogtümer mit Dänemark zunächst keinen Widerstand entgegensetzte. Als das Deutsche Reich sich 1806 auflöste, wurde Holstein „als ungetrennter Teil“ mit der dänischen Monarchie verbunden, wenngleich den Nebenlinien die Eventualerbfolge von neuem bestätigt wurde, ein dänisches Gesetzbuch und das dänische Münzsystem in Holstein eingeführt, die dänische Sprache zur offiziellen für den Verkehr mit Kopenhagen erklärt. Auf dem Wiener Kongreß wurden die Herzogtümer Holstein und Lauenburg, das Dänemark für das abgetretene Norwegen erhalten hatte, Teile des Deutschen Bundes, Schleswig aber nicht. Dies veranlaßte die Prälaten und Ritterschaft Holsteins, das Recht der gemeinschaftlichen Verfassung Holsteins und Schleswigs in Kopenhagen geltend zu machen. Dort aber hatte nach den Unglücksfällen und Verlusten, welche Dänemark in den Napoleonischen Kriegen betroffen hatten, die frühere deutschfreundliche Richtung einer nationaldänischen Politik Platz gemacht, welche die völlige Verschmelzung, wenn nicht aller drei Herzogtümer, doch wenigstens Schleswigs sich zum Ziel setzte. Das Gesuch der Holsteiner wurde daher abgelehnt, und als sie sich 1822 an den Deutschen Bund wandten, wurde zwar von diesem ihr Recht anerkannt, aber bloß eine beruhigende Erklärung abgegeben. Als U. Lornsen 1830 in der Flugschrift „Das Verfassungswerk in S.“ für die Rechte der Herzogtümer eintrat, wurde er verhaftet und eine Kommission zur Untersuchung dieser Umtriebe eingesetzt. Doch führte König Friedrich VI. 1831 beratende Provinzialstände für jedes Herzogtum ein. Dagegen wurden die Herzogtümer in finanzieller Beziehung geschädigt, mit vier Neunteln der Steuern der Gesamtmonarchie belastet, und die 5 Mill. Thlr., die sie für die dänische Reichsbank beigesteuert hatten, als dieselbe 1838 in eine dänische Privatbank umgewandelt wurde, derselben gelassen. Unter Christian VIII. wurden 1842 die alten schleswig-holsteinischen Regimenter aufgehoben, neue mit dänischen Fahnen gebildet und diese zum Teil in die dänischen Lande verlegt; die Offiziere avancierten durch die ganze Armee.

Die Bevölkerung von S. ließ sich diese Maßregeln gefallen, da die königliche Linie außer dem König nur noch dessen Sohn, den Kronprinzen Friedrich, als männliche Mitglieder zählte und im Fall ihres Erlöschens die Herzogtümer an den Herzog Christian von Augustenburg, Dänemark aber an die weibliche Linie fielen, S. also selbständig wurde. Dies aber wollten die eifrigen Dänen gerade verhindern, und auf der dänischen Ständeversammlung zu Roeskilde im Herbst 1844 stellte der Kopenhagener Bürgermeister A. Ussing den Antrag, den König zu bitten, „daß er die dänische Monarchie, d. h. Dänemark, S. und Lauenburg, für ein einziges, unzertrennliches Reich erkläre, das ungeteilt nach dem dänischen Königsgesetz vererbt werden müsse“. Der Minister v. Örsted trat diesem Antrag im wesentlichen bei, und Christian VIII. erließ 8. Juli 1846 den „offenen Brief“, welcher verkündete, daß auf Grund genauer Untersuchung der Erbfolgefrage Schleswig u. Lauenburg unzweifelhaft als der Krone Dänemark gehörig zu betrachten und nach den allgemeinen dänischen Erbgesetzen zu vererben seien, und daß der König dies Recht seiner Krone mit aller Macht durchsetzen wolle. Gegen diese Erklärung, welche also das eventuelle Erbrecht der augustenburgischen Linie nur für Holstein anerkannte und den Herzogtümern nur die Wahl zwischen Trennung oder gemeinsamer Unterwerfung unter das dänische Gesetz ließ, erhob sich in S. ein Sturm der Entrüstung. Sowohl die Stände beider Herzogtümer als Volksversammlungen wahrten energisch das Recht auf gemeinschaftliche Verfassung und die Erbfolge im Mannesstamm. In ganz Deutschland wurde das Vorgehen der Schleswig-Holsteiner mit Begeisterung begrüßt.

Die Erhebung Schleswig-Holsteins.

König Friedrich VII., der am 20. Jan. 1848 seinem Vater Christian VIII. folgte, ordnete 28. Jan. die Wahl von gemeinschaftlichen Ständen Dänemarks und der Herzogtümer an. Die Wahlmänner von S. beschlossen 18. Febr., mit Vorbehalt der Rechte zu wählen. Inzwischen steigerte aber die Kunde von der Februarrevolution und den Märzereignissen in Deutschland die Erregung, und Deputierte der schleswig-holsteinischen Stände beschlossen 18. März in Rendsburg, in Kopenhagen Berufung eines schleswig-holsteinischen Landtags, Bewilligung einer gemeinschaftlichen Verfassung für die Herzogtümer und Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund zu verlangen. Die Deputation kam in Kopenhagen 22. März an, als man dort eben die Einverleibung Schleswigs in Dänemark verlangt und der König sie zugesagt hatte, und erhielt daher unter beruhigenden Versicherungen den Bescheid, daß „eine unzertrennliche Verbindung Schleswigs mit Dänemark hergestellt“, sonst die Wünsche Holsteins berücksichtigt werden sollten. Noch vor Bekanntwerden dieser Antwort sagte sich Kiel 23. März von der Herrschaft Dänemarks los, und 24. März wurde in Rendsburg eine provisorische Regierung (Graf Friedrich Reventlow, Prinz Friedrich von Augustenburg-Noer u. a.) unter Führung Beselers eingesetzt, die überall, auch von den Truppen, anerkannt wurde. Diese, ermutigt durch ein Schreiben Friedrich Wilhelms IV. von Preußen vom 24. März, welches für die Selbständigkeit der Herzogtümer und die rechtmäßige Erbfolge eintrat, berief zum 3. April eine schleswig-holsteinische Landesversammlung nach Rendsburg und suchte 26. März beim Deutschen Bund um die Aufnahme Schleswigs in den Bund nach, welche Friedrich VII. 24. März mit den Waffen zu verhindern erklärt hatte. [526] Hiermit war der Krieg eröffnet, noch ehe der Bund die Aufnahme genehmigte (12. April).

Die aus den schleswig-holsteinischen Truppen und Freischaren gebildete schleswig-holsteinische Armee rückte unter dem Prinzen Friedrich von Augustenburg in Schleswig bis über Flensburg vor, mußte sich aber nach dem unglücklichen Gefecht bei Bau (9. April) wieder zurückziehen, so daß die Dänen 11. April die Stadt Schleswig besetzen konnten. Nun eilten aber preußische und andre deutsche Bundestruppen unter General Wrangel den Herzogtümern zu Hilfe, schlugen die Dänen 23. April bei Schleswig und 24. April bei Översee und zwangen sie zur Räumung des Festlandes von Schleswig. Nachdem Wrangel Südjütland mit Fredericia eine Zeitlang besetzt gehalten, besiegte er die Dänen 5. Juni bei Düppel. Aber da Deutschland keine Kriegsflotte besaß, konnte es die Blockade seiner Seehäfen nicht hindern, wodurch der Handel schwere Verluste erlitt. Überdies nahmen Rußland und England eine drohende Haltung zu gunsten der Dänen ein. Unter diesen Umständen nahm Preußen, dem die deutsche Zentralgewalt die Regelung der schleswig-holsteinischen Frage überlassen hatte, die Vermittelung Schwedens für Verhandlungen mit Dänemark an, die 26. Aug. zum Waffenstillstand von Malmö führten; derselbe, auf sieben Monate abgeschlossen, hob alle seit dem 17. März in S. erlassenen Gesetze und Verordnungen auf und ersetzte die provisorische Regierung durch eine neue, an deren Spitze der als Dänenfreund gehaßte Graf Karl Moltke trat. Die Frankfurter Nationalversammlung verwarf anfangs den Waffenstillstand, genehmigte ihn indes in zweiter Beratung nach den heftigsten Debatten 17. Sept., und auch die Schleswig-Holsteiner fügten sich geduldig in die Notwendigkeit; doch gaben sie sich 15. Sept. noch ein neues Staatsgrundgesetz.

Da die Friedensverhandlungen mit Dänemark, die Bunsen als Reichsgesandter leitete, kein Ergebnis hatten, wurde der Krieg nach Ablauf des Waffenstillstandes (1. April 1849) erneuert; die Regierung des Grafen Moltke löste sich auf, und die Frankfurter Zentralgewalt übertrug die oberste Gewalt einer Statthalterschaft unter Beseler und Graf Reventlow-Preetz. Schon 3. April besetzten die Dänen Hadersleben, während 45,000 Mann deutsche Truppen unter General v. Prittwitz in Schleswig einrückten. Als ein dänisches Geschwader in der Bucht von Eckernförde erschien, wurde von einigen am Strand aufgefahrenen Batterien das Linienschiff Christian VIII. in Brand geschossen und die Fregatte Gefion nach Vernichtung ihres Steuerruders zur Ergebung gezwungen. Nicht lange darauf, 13. April, erstürmten die bayrischen und sächsischen Truppen die Düppeler Schanzen. Aber aus Rücksicht auf die Mächte erhielt Prittwitz den Befehl, nur S. besetzt zu halten, darüber hinaus jedoch nicht angriffsweise vorzugehen. In Jütland drangen daher nur die Schleswig-Holsteiner unter General v. Bonin ein, schlugen die Dänen 23. April bei Kolding und 7. Mai bei Gudsoe und begannen die Belagerung von Fredericia. Nachdem sie mehrere Ausfälle siegreich zurückgeschlagen hatten, wurden sie in der Nacht vom 5. zum 6. Juli von den Dänen, die infolge der Unthätigkeit Prittwitz’ ihre ganze Macht in Fredericia hatten vereinigen können, mit überlegenen Streitkräften überfallen und nach blutigem Kampf zum Weichen gezwungen, worauf die Belagerung von Fredericia aufgegeben werden mußte. Inzwischen hatte Preußen 10. Juli eigenmächtig einen neuen Waffenstillstand mit Dänemark geschlossen, nach welchem in Holstein die Statthalterschaft bestehen bleiben, Schleswig aber von einer dreiköpfigen Landesregierung unter dem Vorsitz eines englischen Kommissars im Namen des Königs von Dänemark regiert und im Norden von schwedisch-norwegischen, im Süden von preußischen Truppen besetzt werden sollte. Diesem Waffenstillstand folgte 2. Juli 1850 der Friede zwischen Preußen und Dänemark, den Preußen zugleich im Namen des Bundes unterzeichnete; derselbe überließ es dem König von Dänemark, alle zur Bewältigung des Widerstandes in S. dienlichen Mittel zu gebrauchen, und verhieß die Einführung einer alle Staaten der dänischen Monarchie umfassenden Erbfolgeordnung.

Die Herzogtümer versuchten nach dem Abzug der preußischen und schwedischen Truppen sich direkt mit Dänemark zu verständigen, und als dies am Übermut und Nationalhaß der Dänen scheiterte, beschlossen sie, mit eignen Kräften den Kampf fortzusetzen. Mit einer Armee von 30,000 Mann, aus Schleswig-Holsteinern und deutschen Freiwilligen bestehend, rückte General Willisen in das nördliche Schleswig ein, versäumte es aber, die beiden dänischen Heere, die von Jütland und von Alsen kamen, durch rasches Vordringen an ihrer Vereinigung zu hindern, und lieferte ihnen südlich von Flensburg bei Idstedt 24. und 25. Juli eine Schlacht, welche nach anfänglichem Sieg der Schleswig-Holsteiner mit ihrer Niederlage und dem Rückzug hinter die Eider endete. Die Dänen unter General Krogh besetzten Schleswig wieder, und die Angriffe auf Missunde (12. Sept.) und Friedrichstadt (4. Okt.), zu denen sich Willisen nach längerer Unthätigkeit wegen des schlechten Wetters aufraffte, wurden mit empfindlichem Verlust zurückgeschlagen. Willisen dankte daher 7. Dez. ab, und General v. d. Horst trat an seine Stelle. Aber schon war es zu spät. In Olmütz hatte sich Preußen 29. Nov. der von Rußland unterstützten Forderung Österreichs, daß die Revolution wie in Kurhessen, so auch in S. unterdrückt würde, unterworfen. Eine österreichisch-preußische Pacifikationskommission wurde nach Holstein gesandt, der ein österreichisches Armeekorps folgte. Die Kommission forderte unverzügliche Einstellung der Feindseligkeiten, und die Landesversammlung fügte sich in Erkenntnis der Unmöglichkeit weitern Widerstandes. Sie ging 11. Jan. 1851 auseinander, die Statthalter legten ihr Amt nieder, und die Armee wurde aufgelöst. Die Österreicher besetzten Holstein, die Dänen Schleswig mit Rendsburg. Im Namen des dänischen Königs und im Auftrag des Deutschen Bundes setzte die Kommission das Grundgesetz vom 15. Sept. 1848 außer Kraft und ernannte für Holstein eine oberste Zivilbehörde, während in Schleswig der dänische Kommissar Tillisch eine Gewaltherrschaft errichtete. Das Amnestiedekret vom 10. Mai 1851 schloß die herzogliche Familie von Augustenburg, die Mitglieder der provisorischen Regierung, der Statthalterschaft und des Obergerichts sowie zahlreiche Beamte aus. Die deutschen Mächte versicherten zwar, die Rechte der Herzogtümer schützen zu wollen, unterzeichneten aber 8. Mai 1852 das Londoner Protokoll, welches die Integrität der dänischen Monarchie für ein europäisches Interesse erklärte und die Erbfolge in allen ihren Teilen dem Prinzen Christian von S.-Sonderburg-Glücksburg zusicherte; die Rechte der Herzogtümer auf Selbständigkeit und Zusammengehörigkeit wurden von Österreich und Preußen in allgemeinen Ausdrücken gewahrt, und Dänemark gab in Bezug hierauf ebenso allgemein gehaltene Versprechungen.

[527]
Die dänische Gewaltherrschaft.

Dieser schmähliche Ausgang der schleswig-holsteinischen Erhebung, die zugleich als eine nationaldeutsche Sache angesehen worden war, erregte in Deutschland zugleich Erbitterung und Beschämung. Wenn auch die Hauptschuld auf Preußen fiel, dessen König die preußische Macht um so weniger für S. einzusetzen geneigt war, als er im Grunde dessen Erhebung als revolutionär verabscheute, so war doch auch der Mangel einer einheitlichen Organisation Deutschlands Ursache der deutschen Niederlage gewesen, und das unglückliche Schicksal Schleswig-Holsteins bildete fortan einen Stachel, der das deutsche Nationalbewußtsein weckte und reizte. Es erschien als eine unauslöschliche Schande für das ganze deutsche Volk, daß es zusehen mußte, wie die Dänen in S. hausten. Sie betrachteten dasselbe als erobertes Land, das durch seine „Rebellion“ alle seine Rechte verwirkt habe. Eine Menge von Beamten, auch acht Kieler Professoren, wurden verjagt; das ganze reiche Kriegsmaterial wurde als Siegesbeute nach Dänemark geschafft, den entlassenen Offizieren und Mannschaften jede Pension verweigert. Jedes Herzogtum erhielt durch Erlaß vom 28. Jan. 1852 besondere Minister und Landstände. Diesen, die für Schleswig in Flensburg, für Holstein in Itzehoe zusammentraten, wurden im Oktober 1853 die Entwürfe der neuen Provinzialverfassungen vorgelegt; danach bildete Schleswig ein unzertrennliches Glied des dänischen Reichs, Holstein einen selbständigen Teil der dänischen Monarchie, der mit derselben durch das Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853 auf immer vereinigt sei. Obwohl beide Entwürfe von den Ständen verworfen wurden, wurden sie doch als gültige Verfassungen für Schleswig 15. Febr., für Holstein 11. Juni 1854 publiziert. Ebenso wurde die vom dänischen Reichstag beschlossene Gesamtstaatsverfassung den Herzogtümern 26. Juli 1854 ohne weiteres aufgedrungen. In dem gemeinschaftlichen Reichsrat war S. zur Minderheit verurteilt; bei der Steuerbewilligung und der Feststellung des Staatshaushalts waren seine Interessen nicht gewahrt, seine Domänen wurden für den Gesamtstaat in Anspruch genommen. Armee und Flotte, Zoll, Post, Münze etc. waren fortan dänisch. Zwischen Schleswig und Holstein dagegen wurden möglichst viele Schranken aufgerichtet, das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Kiel aufgehoben. In Nordschleswig oder „Südjütland“ wurden die deutschen Geistlichen und Lehrer durch Dänen ersetzt und das Dänische als Kirchen- und Schulsprache rein deutschen Gemeinden aufgedrängt. Unter dem Beifall des dänischen Volkes, besonders der Bevölkerung Kopenhagens, unterdrückten die dänischen Beamten, geschützt durch dänisches Militär, mit kleinlichem Haß jede Regung deutschen Nationalbewußtseins und erstickten jeden „Schmerzensschrei des verlassenen Bruderstammes“.

Indes die Herzogtümer wahrten mit männlicher Festigkeit ihre Rechte. Im dänischen Reichsrat verlangten 1856 elf deutsche Mitglieder, an ihrer Spitze Scheel-Plessen, daß die Gesamtstaatsverfassung den Ständen der Herzogtümer vorgelegt werde, und als diese Forderung von den Dänen zurückgewiesen ward, protestierten sie gegen die Gültigkeit der Verfassung. Dies veranlaßte Österreich und Preußen, bei Dänemark die 1851 und 1852 eingegangenen Verpflichtungen in Erinnerung zu bringen und nach längerm fruchtlosen Notenwechsel sich an den Deutschen Bund zu wenden. Dieser erklärte 11. Febr. 1858, daß die Gesamtstaatsverfassung sowie ein Teil der Provinzialverfassung für Holstein und Lauenburg nicht als rechtsgültig zu betrachten und zu beseitigen seien, weil sie mit den Grundsätzen des Bundesrechts und mit den Zusagen von 1851 und 1852 in Widerspruch ständen. Aber erst als der Bund mit Exekution drohte, wurde die Gesamtstaatsverfassung 6. Nov. 1858 für Holstein und Lauenburg außer Wirksamkeit gesetzt, jedoch zugleich erklärt, daß die Minister für Auswärtiges, Krieg, Marine und Finanzen auch in betreff Holsteins nur dem König verantwortlich seien. Es blieb daher der bisherige Zustand bestehen, nur daß Holstein und Lauenburg im Reichsrat gar nicht vertreten und Schleswig den Danisierungsgelüsten der eiderdänischen Partei erst recht preisgegeben war. Jeden Antrag auf Verständigung über eine neue Gesamtstaatsverfassung erwiderten die holsteinischen Stände mit der Forderung voller Selbständigkeit und dem Hinweis auf das alte Recht der Verbindung mit Schleswig, ohne deren Herstellung kein wahrer Friede in S. möglich sei. Unter diesen Umständen gab König Friedrich VII. den Gedanken einer im Interesse der Dynastie erwünschten Gesamtmonarchie auf und schloß sich ganz der eiderdänischen Partei an, die schon lange, um Schleswig völlig einverleiben zu können, vorgeschlagen hatte, Holstein aus dem Gesamtstaat auszuscheiden, aber durch Beschränkung der Stände Dänemark ganz dienstbar zu machen. Zu diesem Zweck schied eine königliche Bekanntmachung vom 30. März 1863 Holstein und Lauenburg aus dem Gesamtstaat aus und setzte die Rechte der holsteinischen Stände auf das geringste Maß herab. Dagegen wurde im Herbste dem Reichsrat der Entwurf einer eiderdänischen Verfassung vorgelegt und von diesem 13. Nov. angenommen, welcher Schleswig völlig mit Dänemark verschmolz. Gegen die Verordnung vom 30. März hatte der Bund indes Einspruch erhoben, ihre Zurücknahme gefordert und, als diese nicht erfolgte, 1. Okt. 1863 die Exekution in Holstein und Lauenburg beschlossen.

Der deutsch-dänische Krieg.

Da starb 15. Nov. 1863 König Friedrich VII., und mit ihm erlosch die königliche Linie des Hauses Oldenburg. Dem Londoner Protokoll gemäß folgte Christian von Glücksburg als Christian IX. auf dem Thron. In den Herzogtümern, welche das Londoner Protokoll nie anerkannt hatten, wurde aber nicht er als rechtmäßiger Erbe angesehen, sondern der Prinz Friedrich von Augustenburg, dessen Vater, Herzog Christian, zwar beim Verkauf seiner Güter an Dänemark sich verpflichtet hatte, nichts gegen das Londoner Protokoll zu unternehmen, der selbst aber nie seine Zustimmung hierzu gegeben hatte. Prinz Friedrich erklärte also 19. Nov. seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von S., und dieser Akt wurde nicht bloß in S., sondern in ganz Deutschland mit Jubel begrüßt, da durch die Anerkennung des augustenburgischen Erbrechts S. von Dänemark getrennt und dem Deutschtum gerettet wurde. Der Bundestag, an welchen sich Friedrich VIII. um Anerkennung seines Rechts wandte, während der dänische Gesandte seine neue Vollmacht für Christian VIII. vorlegte, beschloß die einstweilige Suspension der holstein-lauenburgischen Stimme und 7. Dez. die Ausführung der Bundesexekution. Auf die Ankündigung derselben (12. Dez.) befahl die dänische Regierung die Räumung Holsteins durch ihre Truppen, und 23. Dez. rückten 12,000 Sachsen und Hannoveraner unter dem sächsischen General Hake in Holstein ein. Kaum waren die Dänen abgezogen, als Herzog Friedrich überall als Landesherr ausgerufen und von einer großen Volksversammlung in Elmshorn 27. Dez. [528] zum Erscheinen in S. eingeladen wurde, während eine Versammlung von 500 Abgeordneten deutscher Ständeversammlungen in Frankfurt 31. Dez. sich einstimmig für das Recht des Augustenburgers erklärte und den Sechsunddreißigerausschuß einsetzte, um dasselbe zur Anerkennung zu bringen. Ende Dezember traf Herzog Friedrich in S. ein und nahm in Kiel 30. Dez. seine Residenz, bildete auch ein Kabinett, respektierte aber die Bundesexekution und ihre Verwaltung.

Bei der Entschiedenheit, mit der sich in Kammern, Vereinen und Volksversammlungen, auch in Preußen, das deutsche Volk und mehrere hervorragende Fürsten für das Recht des Herzogs Friedrich und die sofortige Losreißung der Herzogtümer von Dänemark ausgesprochen hatten, erregte es das höchste Befremden, ja Entrüstung, als Österreich und Preußen erklärten, daß sie sich an das Londoner Protokoll für gebunden erachteten, und vom Bunde die Ausweisung des Herzogs aus S. verlangten, die 2. Jan. 1864 abgelehnt wurde. Man durchschaute nicht den Plan der von Bismarck geleiteten Politik der deutschen Großmächte, der allerdings die verblendete Hartnäckigkeit der Dänen zur Voraussetzung hatte, und war in Erinnerung an die Schmach von 1851 ganz von dem Argwohn beherrscht, daß dieselben auch diesmal nur S. an Dänemark ausliefern wollten. Der Bund weigerte sich daher 14. Jan., sich den weitern Schritten Österreichs und Preußens anzuschließen, und diese gingen nun allein vor. Da Christian IX. 18. Nov. 1863 unter dem Druck des Kopenhagener Pöbels die Verfassung für Dänemark und Schleswig sanktioniert hatte, forderten die deutschen Mächte 16. Jan. 1864, daß diese den Vereinbarungen von 1851 und 1852 widersprechende Verfassung binnen 48 Stunden außer Kraft gesetzt werde, widrigenfalls sie Schleswig als Pfand besetzen müßten. Im Vertrauen auf die früher bewiesene Schwäche und Uneinigkeit Deutschlands und die Hilfe der fremden Mächte, besonders Englands, dessen Minister Lord John Russell für das Londoner Protokoll und die Integrität der dänischen Monarchie in Noten lebhaft eintrat, wies Dänemark die Forderung Österreichs und Preußens 18. Jan. einfach ab, worauf diese erklärten, daß sie das Londoner Protokoll auch nicht mehr als bindend erachteten, und ihre Truppen, 28,500 Österreicher unter Gablenz und 43,500 Preußen unter Prinz Friedrich Karl, in Holstein einmarschieren ließen; den Oberbefehl erhielt der Feldmarschall v. Wrangel (Deutsch-dänischer Krieg). Der Plan der verbündeten Truppen, welche 1. Febr. die Grenze von Schleswig überschritten, war: mit den Flügeln (preußischen Truppen) die Stellung der 30,000 Mann starken Dänen hinter dem Danewerk zu umgehen und ihnen den Rückzug abzuschneiden. Jedoch der unglückliche Angriff des Prinzen Friedrich Karl auf Missunde (1. Febr.) und das stürmische Vorgehen der Österreicher im Zentrum bei Overselk (3. Febr.) machte den dänischen Befehlshaber Meza auf die drohende Gefahr aufmerksam, und er entzog sich derselben, indem er in der Nacht vom 5. zum 6. Febr. das Danewerk räumte. Prinz Friedrich Karl, der bei Arnis die Schlei überschritt, kam nun zu spät, und nur die Österreicher erreichten die Dänen 6. Febr. noch südlich von Flensburg bei Översee und brachten ihnen empfindliche Verluste bei. Die dänische Armee zog sich teils in die Düppeler Schanzen, teils nach Jütland zurück. Die preußische Gardedivision folgte bis zur Nordgrenze Schleswigs und besetzte 19. Febr. Kolding.

Da die preußische Heeresleitung es versäumte, die Düppeler Schanzen sofort erstürmen zu lassen, und sich für eine förmliche Belagerung entschied, für welche das Material erst herangeschafft werden mußte, Österreich aber gegen ein Vordringen in Jütland zunächst Bedenken erhob, so gerieten die Kriegsunternehmungen ins Stocken. Zum Glück lehnte Napoleon III. eine bewaffnete Einmischung zu gunsten Dänemarks, die England vorschlug, ab. England allein wollte nichts thun, und Rußland war durch den polnischen Aufstand, in welchem ihm Preußen überdies wichtige Dienste geleistet hatte, in Anspruch genommen. So gab Österreich seine Zustimmung zur energischen Fortsetzung des Kriegs. Während 7. März die Verbündeten die Grenze Jütlands überschritten, wurde Mitte März die Beschießung, 28. März der förmliche Angriff auf die Düppeler Schanzen (s. Düppel) durch Parallelen eröffnet und nach einer Reihe von Gefechten 18. April der Sturm unternommen, bei dem die Dänen unter großen Verlusten aus den Schanzen vertrieben wurden und sich nach Alsen zurückziehen mußten; die preußische Armee erlitt einen Verlust von 1200 Mann an Toten und Verwundeten. Darauf wurde Jütland bis zum Limfjord besetzt; Fredericia räumten die Dänen ohne Schwertstreich (28. April). Dem besetzten dänischen Gebiet wurde eine Kontribution von 650,000 Thlr. auferlegt zum Ersatz für den Schaden, den die Blockade der deutschen Seehäfen und die Aufbringung deutscher Schiffe durch dänische Kreuzer verursacht hatten; denn obwohl die Preußen 10. März bei Jasmund in Rügen und die Österreicher 9. Mai bei Helgoland einen Angriff auf die dänische Flotte gewagt hatten, war die Übermacht zur See doch noch auf dänischer Seite.

Auf Englands Betreiben wurde 25. April die Londoner Konferenz eröffnet, um eine friedliche Lösung der schleswig-holsteinischen Frage zu versuchen; der Deutsche Bund war auf derselben durch Beust vertreten. Sie brachte 12. Mai einen Waffenstillstand, nicht aber eine Vereinbarung über S. zu stande. Die deutschen Mächte schlugen 17. Mai eine reine Personalunion zwischen Dänemark und S. vor. Dieselbe wurde aber von Dänemark ebenso zurückgewiesen wie eine Teilung Schleswigs nach der Sprachgrenze nördlich von Flensburg. Preußen und Österreich sagten sich daher offen vom Londoner Protokoll los und verlangten 28. Mai im Verein mit Beust die vollständige Trennung der Herzogtümer von Dänemark und ihre Vereinigung zu Einem Staat unter dem Erbprinzen von Augustenburg. Da die dänische Regierung dies erst recht ablehnte, ging die Konferenz 25. Juni unverrichteter Sache auseinander. Der Krieg begann von neuem, und in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni gingen die Preußen unter Herwarth v. Bittenfeld über den Alsensund und eroberten die Insel Alsen nach kurzem Kampf; der Rest der dänischen Armee rettete sich nach Fünen. Nun wurde das Land nördlich von Limfjord bis zum Kap Skagen besetzt und die Dänen von den friesischen Inseln vertrieben. Alles war für eine Landung der Verbündeten in Fünen und Seeland vorbereitet. Keine Hoffnung der Dänen auf fremde Hilfe erfüllte sich, und so gaben sie den weitern Widerstand auf. Die Feindseligkeiten wurden 20. Juli eingestellt und 1. Aug. zu Wien die Friedenspräliminarien abgeschlossen; der definitive Friede von Wien wurde 30. Okt. unterzeichnet. König Christian IX. trat in demselben seine Rechte auf Schleswig, von dem nur kleine Striche an der Nordgrenze zu Dänemark geschlagen wurden, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen zu freier Verfügung ab; die Kriegskosten und 20 Mill. [529] Thlr. von der dänischen Staatsschuld wurden S. aufgebürdet.

Die Vereinigung mit Preußen.

So war die Losreißung der Herzogtümer von Dänemark erreicht. Nun entstand aber die Frage, was mit ihnen geschehen sollte. Die deutsche Bevölkerung in S., welche den kriegerischen Ereignissen mit geteilten Gefühlen der Freude über die Niederlagen der Dänen und des Mißtrauens gegen die Absichten der Großmächte zugeschaut hatte, wünschte nicht nur die Herrschaft des Augustenburgers, sondern betrachtete sie als selbstverständlich. Die deutschen Regierungen und das deutsche Volk sahen sie auch als die beste und die gerechteste Lösung an. Preußen, mit dem Österreich vorläufig noch Hand in Hand ging, war aber nicht geneigt, die mit seinem Blut eroberten Herzogtümer ohne weiteres auszuliefern, damit sie ein Mittelstaat wie Hannover würden und wie dieses den militärischen wie den kommerziellen Interessen Preußens alle möglichen Hindernisse in den Weg legten. Zunächst setzte es sich in den völligen Besitz von S., indem es 29. Nov. 1864 Hannover und Sachsen aufforderte, ihre Truppen aus Holstein zurückzuziehen, was Hannover sofort, Sachsen erst auf einen dem Bund abgenötigten Befehl that; 7. Dez. übergaben die Bundeskommissare den österreichisch-preußischen Zivilkommissaren Holstein und Lauenburg. Sodann wurde das ausschließliche Erbrecht des Erbprinzen von Augustenburg angezweifelt, obwohl die juristischen Fakultäten von 16 Universitäten es anerkannten, und der Großherzog von Oldenburg, dem der Kaiser von Rußland seine Ansprüche abgetreten, und der Prinz Friedrich von Hessen wurden veranlaßt, als Prätendenten aufzutreten; ja, für das Haus Hohenzollern selbst wurden Ansprüche erhoben. Ein Gutachten der preußischen Kronsyndici erklärte endlich 1865 die Ansprüche des Erbprinzen Friedrich als beseitigt durch den Verzicht seines Vaters und die deutschen Großmächte als die Rechtsnachfolger Dänemarks in S. und also die rechtmäßigen Besitzer. Dennoch würde Bismarck den Herzog Friedrich anerkannt haben, wenn derselbe die preußischen Forderungen (22. Febr. 1865) angenommen hätte: nämlich seine Armee und Marine mit der preußischen zu vereinigen, Sonderburg, Rendsburg und Friedrichsort von preußischen Truppen besetzen zu lassen, das für einen Nordostseekanal erforderliche Gebiet abzutreten, sich dem Zollverein anzuschließen und Post und Telegraphenwesen an Preußen abzugeben. Auch Österreich lehnte diese Bedingungen 5. März ab und nahm seit dem Rücktritt Rechbergs, den Mensdorff ersetzte, überhaupt eine andre Stellung in der schleswig-holsteinischen Frage ein. Der Plan, die Februarbedingungen einer Landesversammlung vorzulegen, von dem Bismarck Erfolg hoffte, da aus S. selbst Kundgebungen zu gunsten Preußens erfolgt waren, scheiterte daran, daß Österreich und Preußen sich über den Wahlmodus nicht einigen konnten.

Noch einmal kam es zwischen Österreich und Preußen zu einer Verständigung durch die Gasteiner Konvention vom 14. Aug. 1865, nach welcher der Besitz der Herzogtümer beiden Mächten gemeinsam bleiben, die Verwaltung von Holstein aber Österreich, die von Schleswig Preußen zustehen solle, das außerdem den Kieler Hafen, die Mitbesetzung von Rendsburg und die Oberaufsicht über den zu erbauenden Nordostseekanal erhielt; Lauenburg wurde gegen 21/2 Mill. dänische Thlr. von Österreich an den König von Preußen abgetreten. Während Manteuffel in Schleswig ein strenges Regiment führte und allen augustenburgischen Demonstrationen scharf entgegentrat, ließ Gablenz in Holstein Proteste von Vereinen und Versammlungen gegen die Gasteiner Konvention zu, duldete die Nebenregierung des Erbprinzen Friedrich in Kiel und verhinderte es nicht, daß die Forderung laut wurde, daß eine schleswig-holsteinische Ständeversammlung einberufen werde. Die Klagen der preußischen Regierung hierüber ließ Österreich unbeachtet, und, zum Entscheidungskampf mit Preußen entschlossen, gab es seine bisherige Politik auf und entschied sich für den Augustenburger, indem es 26. April 1866 dem preußischen Kabinett den Vorschlag machte, ihre Rechte auf S. demjenigen Prätendenten abzutreten, den der Bund als den berechtigtsten anerkenne. Als Preußen hierauf nicht einging, übertrug Österreich die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Frage 1. Juni dem Deutschen Bund und berief die holsteinischen Stände für den 11. Juni nach Itzehoe. Dies erklärte Preußen für einen Bruch der Gasteiner Konvention und ließ seine Truppen von Schleswig in Holstein einmarschieren, womit der Krieg zwischen Österreich und Preußen ausbrach (s. Preußisch-deutscher Krieg). In dem denselben beendenden Prager Frieden vom 23. Aug. 1866 trat Österreich S. an Preußen ab, doch mit der von Napoleon III. durchgesetzten Einschränkung (Art. 5), daß, wenn die Bevölkerung von Nordschleswig den Wunsch, mit Dänemark vereinigt zu werden, durch ein freies Votum ausdrücke, Nordschleswig an Dänemark abgetreten werden solle. Durch Vertrag vom 27. Sept. 1866 erwarb Preußen die Ansprüche des Hauses S.-Gottorp vom Großherzog von Oldenburg durch die Zahlung von 1 Mill. Thlr. und die Abtretung von Ahrensböck. Auf Grund des Gesetzes vom 24. Dez. 1866 und des königlichen Patents vom 12. Jan. 1867 ward die Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen 24. Jan. 1867 vollzogen. Die preußische Verfassung trat 1. Okt. 1867 in Kraft, die im Wiener Frieden auf S. gefallenen Kriegskosten und Staatsschulden übernahm Preußen. S. bildete fortan eine Provinz des preußischen Staats, mit der am 1. Juli 1876 auch Lauenburg als ein Kreis derselben vereinigt wurde. Der Artikel 5 des Prager Friedens wurde, nachdem fruchtlose Verhandlungen mit Frankreich und Dänemark über die Ausführung desselben gepflogen worden waren, im Oktober 1878 im Einverständnis mit Österreich aufgehoben.

Die Vereinigung mit Preußen als Schlußergebnis der fast 20jährigen stürmischen Ereignisse wurde in S. zumeist nicht mit Freude begrüßt, da nicht bloß die deutsche Nationalität, sondern auch die politische Selbständigkeit der Herzogtümer das Ziel ihrer Patrioten gewesen war. Die Beseitigung des Erbprinzen von Augustenburg wurde als eine Rechtsverletzung angesehen. Überdies fügte sich die Eigenart der Schleswig-Holsteiner schwer in die ungewohnten Einrichtungen und Formen des preußischen Staats und seines Beamtentums. Auch hier wirkten die großen Ereignisse von 1870/71 versöhnend. Nach der Herstellung geordneter, gesicherter Verhältnisse nahmen Handel und Industrie in S. einen großen Aufschwung; namentlich Altona und Kiel, der bedeutendste Kriegshafen des Deutschen Reichs, wuchsen mächtig heran. Die Schleswig-Holsteiner lernten den Vorzug würdigen, der darin besteht, einem mächtigen nationalen Staatswesen anzugehören, das sie vor jeder Wiederkehr der Fremdherrschaft schützte. Und auch die Vermählung (1881) des dereinstigen Erben der deutschen und preußischen Krone, des Prinzen Wilhelm (jetzigen Kaisers Wilhelm II.), mit der ältesten Tochter Friedrichs [530] von Augustenburg, Prinzessin Viktoria, trug dazu bei, trübe Erinnerungen der Vergangenheit in Vergessenheit zu bringen. Den Agitationen der Dänen in Nordschleswig trat die Regierung mit Entschiedenheit entgegen.

[Litteratur.] „Urkundensammlung“ (Kiel 1839 ff.), „Quellensammlung“ (das. 1862) und „Regesten und Urkunden“ (Hamburg 1886 ff.) der Schleswig-holstein-lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte (seit 1833); Christiani, Geschichte der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Flensb. 1775–79, 4 Bde.; bis 1460); hierzu dessen „Geschichte etc. unter dem oldenburgischen Haus“ (Kiel 1781, 2 Bde.) und als Fortsetzung Hegewisch, Geschichte Schleswigs und Holsteins etc. 1588–1694 (das. 1801–1802, 2 Bde.), bis 1808 fortgeführt von P. v. Kobbe (Altona 1834); Waitz, Schleswig-Holsteins Geschichte (Götting. 1851–54, 2 Bde.); Derselbe, Kurze schleswig-holsteinische Landesgeschichte (Kiel 1864); Handelmann, Geschichte von S. (das. 1874); Droysen und Samwer, Die Herzogtümer S. und das Königreich Dänemark seit 1806 (Hamb. 1850); Fich, Umriß der politischen Geschichte des dänisch-deutschen Streits (Berl. 1865); Lüders, Denkwürdigkeiten zur schleswig-holsteinischen Geschichte (Stuttg. 1851–53, 4 Tle.); Möller, Geschichte Schleswig-Holsteins (neue Ausg., fortgesetzt von Godt, Altona 1888, 3 Bde.); Samwer, Die Staatserbfolge der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Hamb. 1844); Willisen, Acht Kriegsmonate in S. (Stuttg. 1851); „Aktenstücke zur neuesten schleswig-holsteinischen Geschichte“ (Leipz. 1851–52, 3 Hefte); v. d. Horst, Zur Geschichte des Feldzugs der Schleswig-Holsteiner gegen die Dänen im J. 1850 (Berl. 1852); „Urkundenbuch zur Geschichte der holstein-lauenburgischen Angelegenheit am Deutschen Bund“ (Frankf. 1858); „Aufzeichnungen des Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Noer aus den Jahren 1848–50“ (2. Aufl., Zürich 1861); Baudissin, Geschichte des schleswig-holsteinischen Kriegs (Hannov. 1862); Rüstow, Der deutsch-dänische Krieg 1864 (Zürich 1864); „Österreichisch-preußischer Krieg gegen Dänemark nach authentischen Quellen“ (Wien 1865); „Der deutsch-dänische Krieg von 1864, bearbeitet vom preußischen Generalstab“ (Berl. 1887, 2 Bde.); „Den dansk-tydske Krig i Aarene 1848–50“, bearbeitet vom dänischen Generalstab (Kopenh. 1868–85, 3 Tle.); Thudichum, Verfassungsgeschichte Schleswig-Holsteins 1806–52 (Tübing. 1871); Mestorf, Vorgeschichtliche Altertümer aus S. (Hamb. 1885).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 813
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[813] Schleswig-Holstein. Die Bevölkerung in der Provinz S. betrug nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1890: 1,217,437 und mit Einschluß von Helgoland 1,219,523 Seelen; sie hat seit 1885 um 67,131 Seelen oder 5,83 Proz. zugenommen. Die jährliche Zunahme mit durchschnittlich 1,13 Proz. war stärker als in den drei vorhergehenden Zählungsperioden (1880–85: 0,41 Proz., 1875–80: 0,96 und 1871–75: 0,67 Proz.). Das Überwiegen der männlichen Bevölkerung tritt noch mehr als im J. 1885 hervor, denn sie ist um 40,024, die weibliche dagegen nur um 27,107 Köpfe gewachsen. Auf 100 männliche Personen entfallen 1890 nur 97,4 weibliche. Als Ursache dieses Mißverhältnisses ist wohl das durch den Bau des Nordostseekanals veranlaßte Zuströmen auswärtiger Arbeiter anzusehen. Städte mit mehr als 20,000 Einw. besitzt die Provinz 4, nämlich Altona (143,249 Einw.), Kiel (69,172), Flensburg (36,894) und Wandsbeck (20,571 Einw.).