Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Royer-Collard“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 1018
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Royer-Collard. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 1018. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Royer-Collard (Version vom 02.02.2023)

[1018] Royer-Collard (spr. rŏajē-kollár), Pierre Paul, franz. Gelehrter und Staatsmann, geb. 21. Juni 1763 zu Sompuis in der Champagne, Advokat beim Pariser Parlament, wurde 1789 nach der Erstürmung der Bastille zum Mitglied der Munizipalität der Hauptstadt gewählt und hier später zum Sekretär ernannt. Seine energische Opposition gegen die Anarchie erwarb ihm den glühendsten Haß der Jakobiner. Nach der Flucht des Königs schied er aus der Munizipalität, und nach dem Sturz des Throns (10. Aug. 1792) floh er nach Sompuis, wo er sich verborgen hielt. Als Deputierter des Departements Marne trat er im Mai 1797 in den Rat der Fünfhundert, wurde aber infolge des Staatsstreichs vom 18. Fructidor aus demselben wieder ausgeschlossen. Seit 1810 Professor der Philosophie an der Faculté des lettres, übte er bedeutenden Einfluß auf die Neugestaltung der französischen Philosophie, indem er die doktrinäre Schule begründete. 1814 ernannte der König den treuen, aufrichtigen Royalisten zum Staatsrat und Generaldirektor des Buchhandels. Während der Hundert Tage legte R. diese Ämter nieder, worauf er nach der zweiten Restauration Präsident der Kommission für den öffentlichen Unterricht wurde. Gleichzeitig trat er als Abgeordneter des Marnedepartements in die Kammer, wo er als eifriger Verteidiger des konstitutionellen Systems wirkte, was 1820 den Verlust seines Amtes zur Folge hatte. Er schloß sich nun offener der Opposition an, war in dieser Richtung auch als Journalist thätig und galt als das Haupt der Doktrinäre (s. d.). 1827 wurde er Mitglied der Akademie. Bei den Kammerwahlen von 1828 ward er von sieben Wahlkollegien zugleich gewählt und zum Kammerpräsidenten ernannt. Nachdem er vergeblich in Gemeinschaft mit Martignac eine Versöhnung der Regierung mit der Kammer versucht hatte, überreichte er im März 1830 Karl X. die berühmte Adresse der 221 Deputierten und trug dadurch zum Ausbruch der Julirevolution bei. Doch lag der Sturz der ältern Bourbonen durchaus nicht in seinem Plan. Bei der neuen Ordnung der Dinge zog er sich deshalb zurück. Er starb 4. Sept. 1845 auf seiner Besitzung Châteauvieux bei St.-Aignan (Loir-et-Cher). Vgl. seine Biographie von Philippe (Par. 1857) und namentlich Barante, La vie politique de R. (3. Aufl., das. 1878, 2 Bde.). – Sein Bruder Antoine Athanase, geb. 7. Febr. 1768, erwarb sich als medizinischer Schriftsteller einen geachteten Namen und starb 27. Nov. 1825 als königlicher Leibarzt und Professor der Medizin in Paris.