MKL1888:Rostock
[987] Rostock, größte und wichtigste Stadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, liegt am linken Ufer der Warnow, die mit einer Minimaltiefe von 4 m sich hier sehr erweitert und 12 km nördlich bei Warnemünde in die Ostsee mündet,
Wappen von Rostock. | |
an dem (1888) im Bau begriffenen Kanal R.-Güstrow, im Knotenpunkt der Linie Bützow-R. der Mecklenburgischen Friedrich Franz-Eisenbahn und der Eisenbahnen Wismar-R., R.-Stralsund u. Neustrelitz-Warnemünde, ist an Stelle der alten Festungswerke mit schönen Promenaden umgeben und besteht aus der Alt-, Mittel- und Neustadt u. mehreren Vorstädten. Die Stadt, namentlich die Mittel- und Neustadt, ist regelmäßig und schön gebaut und macht mit ihren stattlichen Kirchen, mit dem belebten Hafen und dem lebendigen Verkehr einen vorteilhaften Eindruck, hat 4 Land- u. 12 Wasserthore u. mehrere stattliche Plätze, worunter der Neue Markt mit Springbrunnen und der Blücherplatz mit einer Statue des hier (in der Blücherstraße) gebornen Feldmarschalls Blücher (seit 1819, von Schadow) sich auszeichnen. Unter den öffentlichen Gebäuden sind hervorzuheben: 5 Kirchen, die Jakobikirche (14. Jahrh.), die Marienkirche (1398–1472), eine der größten und schönsten gotischen Kirchen Norddeutschlands, mit dem Grabstein des Hugo Grotius (dessen Leiche später nach Delft in Holland geschafft wurde), die Petrikirche mit dem höchsten Turme Mecklenburgs (126 m), die Kirche zum Heiligen Kreuz und die Nikolaikirche, letztere beide mit prachtvoll geschützten Altären; ferner: das großherzogliche Palais (1702 erbaut), das gotische Rathaus (14. Jahrh.) mit zierlichen Giebeln, die Hauptwache, das Gebäude des Oberlandesgerichts, die 1867 neuerbaute Universität, das Societätsgebäude, die neue Anatomie, die Frauenklinik und Hebammenschule, die Zollniederlage, das Stadtkrankenhaus, das neue Militärlazarett, das Katharinenstift (Irrenheilanstalt), das Postgebäude und mehrere Schulgebäude. Ein schönes Kriegerdenkmal befindet sich am sogen. Wall. Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 mit der Garnison (2 Füsilierbat. Nr. 90) auf 39,356 Seelen, darunter 224 Katholiken und 221 Juden. Die bedeutende Industrie ist vertreten durch Schiff- und Maschinenbau, Zuckerfabrikation, Bierbrauerei und Malzfabrikation, Baumwollmanufakturen, Strohhut-, Tabaks-, Tapeten-, Seifen-, Spielkarten-, Watten-, Schokoladen-, Zichorien-, Farben-, Wagenfett-, Essig-, Chemikalien-, Dachpappen- und Zündwarenfabriken, Wagenbau, Walk-, Öl-, Dampfmahl- und Sägemühlen, Branntweinbrennereien, bedeutende Gerbereien, Steinschleiferei etc. Wichtig ist auch die Fischerei. Der bedeutende Handel macht R. zu einem der ersten Plätze der deutschen Ostseeküste. Unterstützt wird derselbe durch eine Börse, eine Reichsbanknebenstelle und verschiedene zum Teil bedeutende Geldinstitute (Rostocker Bank mit 6 Mill. Mk. Kapital) wie durch die lebhafte Schiffahrt und die oben genannten Eisenbahnverbindungen. 1886 liefen ein: 910 Schiffe zu 112,007 Registertons, es gingen ab: 929 Schiffe zu 119,965 Registertons. Die dortige Reederei zählte 1. Jan. 1886 zusammen 743 Seeschiffe zu 145,473 Registertons, darunter 94 Dampfer (die größte Handelsflotte der Ostsee). R. besitzt eine eigne Flagge: weiß, das obere innere Viertel gelb mit einem stehenden schwarzen Greif. Gegenstände der Ausfuhr sind: Getreide u. andre Landesprodukte, als Wolle, Flachs, Fleisch etc., während vorzüglich Kolonial- und Eisenwaren, Wein, Steinkohlen, Petroleum, Holz und Heringe eingeführt werden. Auch hat R. jährlich eine Messe und besuchte Woll-, Pferde- und Viehmärkte. Im Januar und Juni jedes Jahrs, im sogen. Antonii- und Johannistermin, wird der hauptsächlichste Geldverkehr des ganzen Landes in R. vermittelt. Dem Verkehr in der Stadt dient eine Pferdebahn. Unter den Bildungsanstalten steht obenan die 1418 von den Herzögen Johann III. und Albrecht V. von Mecklenburg in Gemeinschaft mit der Stadt gestiftete Universität, die 1437–43 wegen des vom Baseler Konzil über R. verhängten Interdikts in Greifswald ihren Sitz hatte und 1760 infolge von Mißhelligkeiten zwischen Herzog Friedrich und der Stadt R. nach Bützow verlegt ward. Da indessen die vom Rat angestellten Professoren in R. blieben und ihre Vorlesungen fortsetzten, so bestanden damals thatsächlich zwei mecklenburgische Universitäten, zu R. und zu Bützow, bis 1789 ihre Wiedervereinigung in R. erfolgte; doch gab die Stadt ihr Kompatronat erst 1827 auf. Die Universität hat eine Bibliothek (145,000 Bände), eine Sternwarte, eine landwirtschaftliche Versuchsstation etc. und zählte im Wintersemester 1888/89: 340 Studierende. Außerdem [988] befinden sich in R. ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine höhere Bürgerschule, eine Navigationsschule, ein Handelsinstitut, ein Theater, eine Kunstsammlung etc.; ferner: ein Krankenhaus, 2 Hospitäler, eine Irrenanstalt, eine Hebammenschule, ein Jungfrauenkloster, ein Armen- und Arbeitshaus, eine Kaltwasserheilanstalt etc. Nach dem mit dem Großherzog Friedrich Franz 1788 geschlossenen Erbvergleich hat die Stadt eine eigentümliche, republikanisch organisierte innere Verfassung. Der Rat besteht aus 14, die repräsentierende Bürgerschaft aus 60 Mitgliedern. Auf dem Landtag bildet R. einen Stand für sich, und einer seiner Bürgermeister ist Mitglied des Direktoriums auf den Landtagen und Landeskonventen sowie des engern Ausschusses der Stände, welcher in R. seinen Sitz hat. Sonst ist die Stadt Sitz des permanenten Landeskonsistoriums, des obern Kirchengerichts, eines geistlichen Ministeriums (für die Stadt), eines Oberlandes- und eines Landgerichts, einer Landessteuerdirektion, eines Hauptzollamtes, einer Medizinalkommission etc. In der Nähe von R. liegen die Barnstorfer Anlagen, ein großer Park und besuchter Vergnügungsort, 12 km nördlich der Hafen von R., Warnemünde (s. d.). – Zum Landgerichtsbezirk R. gehören die neun Amtsgerichte zu Doberan, Gnoien, Kröpelin, Neubukow, Ribnitz, R., Schwaan, Sülze-Marlow und Tessin. – R. (Roztoc) erhielt im 11. Jahrh. vom Obotritenfürsten Gottschalk Stadtrechte, ward aber 1161 vom Dänenkönig Waldemar I. erobert und in Asche gelegt. Um 1170 durch den christlichen Obotritenfürsten Pribislaw II. wieder aufgebaut, erhielt es bald starke deutsche Bevölkerung und 1218 vom Herzog Borwin I. aufs neue Stadtgerechtigkeit. Nachdem die Stadt von 1229 bis 1314 der Sitz einer eignen Fürstenlinie gewesen, kam sie an die Hauptlinie Mecklenburg, welche 1323 für R. einstweilen die dänische Lehnshoheit anerkannte. Als Mitglied der Hansa, außerdem seit 1418 als Universitätsstadt erhob sich R. zu großem Wohlstand, litt jedoch durch die häufigen Seekriege, an welchen es teilnahm. Bei der Teilung Mecklenburgs 1621 blieb die Stadt beiden Linien gemeinsam und fiel erst 1695 an Mecklenburg-Schwerin. Von ihren zahlreichen Privilegien behielt sie seit 1788 nur das Recht der eignen Besteuerung. 1712 von den Schweden erobert, ward R. 1715 von den Dänen und 1716 von den Russen besetzt, jedoch 1719 durch eine kaiserliche Kommission in seine alten Rechte wieder eingesetzt. Im Mai 1848 und im April 1849 wurde es von den Dänen in Blockadezustand erklärt. Vgl. Eschenbach, Annalen der Akademie zu R. (Rost. 1790–96, 6 Bde.); Krabbe, Die Universität R. im 15. und 16. Jahrhundert (das. 1854, 2 Bde.); Herrlich, Geschichte der Stadt R. bis zum Jahr 1300 (das. 1873); Koppmann, Geschichte von R. (das. 1887, Bd. 1); Derselbe, Geschichtsquellen der Stadt R. (das. 1885 ff.).