Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rhodos“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 794795
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Rhodos. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 794–795. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Rhodos (Version vom 16.06.2023)

[794] Rhodos (im Altertum auch Ophiusa, Asteria, Trinakria und Korymbia), östlichste Insel des Ägeischen Meers, 18 km von der kleinasiatischen Küste (Karien) entfernt, 1448 qkm (26,3 QM.) groß, ist stellenweise zwar rauh und felsig, im allgemeinen aber fruchtbar, obwohl jetzt nur teilweise angebaut, und wird von einem Hauptbergrücken (mit dem 1240 m hohen Atabyrios) durchzogen. Hauptort derselben war im Altertum die Stadt R., an der Nordostspitze, stark befestigt und mit doppeltem Hafen versehen. Unter den zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Kunstwerken derselben wird als eins der sieben Weltwunder die kolossale, dem Helios geweihte eherne Statue, welche in der Nähe des Hafens stand, hervorgehoben. Von Chares um 290 v. Chr. verfertigt, kostete sie 300 Talente und war 70 Ellen (32 m) hoch; nicht begründet aber ist die Angabe, daß dieser sogen. Koloß von R. mit gespreizten Beinen über dem Eingang des innern Hafens gestanden habe, und daß die größten Schiffe mit vollen Segeln unter ihm hätten durchsegeln können. Ein Erdbeben stürzte ihn schon 223 v. Chr. um, doch ward er von den Römern wiederhergestellt. 672 n. Chr. verkauften die Sarazenen die Trümmer an einen Juden, welcher 900 Kamelladungen damit füllte. Die andern ältern Städte waren Kameiros und Jalysos mit einem Kastell, Ochyroma an der West- und Lindos an der Ostküste. Älteste Bewohner der Insel waren die Telchinen, aus Kreta eingewanderte Phöniker, zu denen sich Karer gesellten. Einen entscheidenden Einfluß auf die Entwickelung des Landes und Volkes übten aber erst die dorischen Einwanderungen aus, als deren Führer der Heraklide Tlepolemos und nach dem Trojanischen Krieg Äthämenes bezeichnet werden. Lindos, Jalysos und Kameiros bildeten nebst Kos, Knidos und Halikarnassos, welch letzteres aber später ausgeschlossen wurde, die sogen. dorische Hexapolis, deren Mittelpunkt der Tempel des triopischen Apollon an der Küste von Karien war. Ein seefahrendes Volk, gründeten die Rhodier viele Kolonien, so auf den Balearischen Inseln, in Spanien Rhode, in Italien Parthenope, Salapia, Siris und Sybaris, in Sizilien Gela, in Kleinasien Soloi, in Kilikien Gagä, in Lykien Korydalla. Zu einer wirklich politischen Bedeutung gelangten sie aber erst von der Zeit an, da jene drei Städte zu einem Bund zusammentraten und auf der Nordspitze der Insel die neue Hauptstadt R. gründeten (408 v. Chr.), [795] welche stark befestigt war und einen durch große Molenbauten gesicherten Hafen erhielt. Im Peloponnesischen Krieg hielten die Rhodier anfangs zu den Athenern, traten aber 412 zu den Peloponnesiern über. Zwar gelang es diesen, die bald darauf von der demokratischen Partei versuchte Reaktion zu unterdrücken; aber dessenungeachtet fiel die Insel 394 bei dem Erscheinen der athenischen Flotte unter Konon wieder den Athenern zu. Zu Alexanders d. Gr. Zeit erhielt die Insel eine makedonische Besatzung; aber nach seinem Tod ward diese alsbald wieder vertrieben, worauf die eigentliche Blütezeit von R. begann. Mannhaft verteidigten die Rhodier, welche eine große Kriegs- und Handelsflotte besaßen, ihre Stadt gegen Demetrios Poliorketes (304), breiteten ihre Herrschaft sogar über einen Strich der karisch-lykischen Küste sowie über mehrere der benachbarten Inseln aus, vermittelten den Verkehr zwischen den streitenden Großmächten und begründeten zuerst ein allgemein gültiges Handels- und Seerecht. Auch Künste und Wissenschaften blühten. Der aus Athen flüchtige Redner Äschines gründete in R. eine Rednerschule, die von Römern viel besucht wurde. Nachdem die Insel als treue Bundesgenossin der Römer nach Besiegung des syrischen Königs Antiochos 189 Karien erhalten hatte, wovon ihr aber 168 bloß die Rhodische Peräa oder Chersonesos, die nächstgelegene Landzunge des Festlandes, blieb, und 42 v. Chr. von Cassius furchtbar verwüstet worden war, wurde sie 44 n. Chr. der römischen Provinz Asia einverleibt. Nach dem Verfall Roms kam R. 661 in die Hände des Kalifen Moawijah, ward aber später von den Griechen wiedererobert. Nachdem diesen die Genuesen R. abgenommen hatten, versuchte Johannes Kantakuzenos vergeblich, die Insel ihnen 1249 wieder zu entreißen, was erst dem Theodor Protosebastos gelang. 1310 machten die aus Palästina vertriebenen Johanniterritter die Insel zu ihrem Wohnsitz (daher auch Rhodiserritter genannt). Nach der Eroberung der Insel durch Sultan Soliman 1522 siedelten dieselben nach Malta über, und seitdem steht die Insel R. unter türkischer Herrschaft. Gegenwärtig bildet R. mit den Inseln des Archipels und offiziell auch dem von Großbritannien besetzten Cypern die Provinz Dschesaïri-bahri-sefid (Inseln des Weißen Meers) mit einem christlichen Gouverneur, dessen Residenz in den letzten Jahren bald Chios, bald R. gewesen ist. 1843 schätzte man die Zahl ihrer Einwohner auf 34,000 (in 44 Dörfern), jetzt auf 28,000 bis 30,000 (darunter 6000 Türken und 2000 Juden, der Rest Griechen). Hauptprodukte sind: Wein (jährlich sollen 400,000 Pfd. Rosinen in den Handel kommen), außerdem Feigen, Oliven und Südfrüchte in geringen Mengen. Die Milde des Klimas und die reine Luft machen die Insel zu einem höchst angenehmen und gesunden Aufenthalt. Die Insel ward seit dem Altertum öfters von Erdbeben heimgesucht, in neuester Zeit namentlich im März 1851 und im Oktober 1856. Die heutige Stadt R., amphitheatralisch gebaut und von außen einen großartigen Anblick gewährend, ist der Sitz des Paschas und eines griechischen Erzbischofs, hat einige mittelalterliche Befestigungen, sehr verwilderte Straßen (darunter die Ritterstraße, an deren Häusern noch vielfach die Wappen und Kreuze der Rhodiserritter), einen kleinen versandeten Hafen, unbedeutenden Handel und gegen 10,000 Einw. Die eigentliche Stadt ist ausschließlich von Türken (6000) bewohnt; die Christen haben die Vorstadt Neomara, die Juden (2000) dagegen ein eignes Judenviertel inne. Vgl. Berg, Die Insel R. (Braunschw. 1860–62, 2 Bde., mit 70 Radierungen); Schneiderwirth, Geschichte der Insel R. (Heiligenst. 1868); Guérin, L’île de Rhodes (2. Aufl., Par. 1880); Biliotti und Cottret, L’île de Rhodes (das. 1881); Torr, Rhodes in ancient times (Cambridge 1885) und in modern times (das. 1887).