Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rhön“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 795796
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Rhön. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 795–796. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Rh%C3%B6n (Version vom 18.06.2023)

[795] Rhön (besser Rön), eins der basaltischen Gebirge Mitteldeutschlands, erstreckt sich in beinahe nordsüdlicher Richtung, etwa aus der Gegend von Brückenau im bayr. Regierungsbezirk Unterfranken bis Vacha an der Werra im Sachsen-Weimarischen, mit nahezu 75 km Breite. Politisch gehört das Gebirge teils zum bayrischen Unterfranken, teils zur preußischen Provinz Hessen-Nassau und zu Sachsen-Weimar. Buntsandstein mit seinen sanft sich wölbenden Bergrücken bildet die Basis des ganzen Gebirges, über welcher die Reste der alten Muschelkalkdecke sich mit steiler Böschung der Gehänge erheben. Auf den obern Gehängen tritt dann darüber das Braunkohlengebirge auf, vorherrschend thonig, mit vielen Einlagerungen vulkanischer, meist basaltischer Tuffe; die höchsten Rücken und Kuppen bestehen aus den vulkanischen Gesteinen selbst, die aber nicht selten gangförmig auch die Triasunterlage durchsetzen. Die Wasserscheide zwischen Weser- und Rheingebiet durchschneidet die R. der Quere nach. Ihr Süden sendet die Sinn, ihr Südosten die Brend und Streu zur Fränkischen Saale, während nach N. aus der innern R. die Felda und Ulster zur Werra abfließen und der ganze Westen der Fulda mit der Haun angehört. Die südliche R., reichbewaldet, liegt fast ganz in Bayern und umfaßt das Gebiet der beim Badeort Brückenau vorbeifließenden Sinn mit vorherrschend nordöstlicher Richtung. Zu ihr gehören der 930 m hohe, vielbesuchte Kreuzberg (s. d.) bei Bischofsheim und das breite Dammersfeld (925 m) im NW. der Sinn und auf der bayrisch-preußischen Grenze. Das Joch von Kothen verbindet diesen Teil des Gebirges im W. mit den Höhen von Schlüchtern und vermittelt durch den Landrücken in der Wasserscheide zwischen Weser und Rhein (Fulda und Kinzig), zwischen Flieden und Schlüchtern, einen Zusammenhang mit dem Vogelsgebirge, während ihn das von der obersten Brend durchschnitten Plateau, über welches die Straßen [796] von Bischofsheim nach Fulda und Brückenau führen, mit der Hohen R. in Verbindung setzt. Dieselbe erstreckt sich als ein hoher, von Wiesen bedeckter basaltischer Plateaurücken nördlich zwischen Ulster und Felda und löst sich zuletzt in ihrer Fortsetzung zur Werra in eine Reihe hoher Basaltberge auf. Auf dem zusammenhängenden, 22 km langen, mit dem 814 m hohen Ellnbogen endenden Rücken finden sich große Torfmoore (Rotes und Schwarzes Moor) und liegen in fünf muldenförmigen Einsenkungen zwei der höchstgelegenen Orte Mitteldeutschlands, Frankenheim und Birx. Durch das oberste Thal der Ulster getrennt, gliedert sich die im S. mit ihm zusammenhängende Zentralmasse der Abtsröder Höhe, der interessanteste Teil der R., mit der Großen Wasserkuppe (950 m) im N., dem prächtigen Pferdskopf (876 m) im W. und der kräuterreichen Euba (831 m) im S., welch letztere beiden einen alten Vulkankrater umfassen, von dessen oberm Rand man die schönste Übersicht der kuppenreichen westlichen R. hat. Während die östlichen Vorhöhen, im O. von der Streu und Felda, einen nach N. und S. in einzelne basaltbedeckte Berge sich auflösenden Parallelrücken mit der 750 m hohen Geba bilden, löst sich der ganze Westen in ein Heer einzelner Kuppen auf, die sogen. kuppenreiche R., die vorherrschend mit der Westseite der Hohen R. das Gebiet phonolithischer und trachytischer Durchbrüche ist. Hier erhebt sich die mit einer Kapelle gekrönte Milseburg, 826 m hoch, einer der malerischten Berge Mitteldeutschlands, 350 m schroff über Kleinsassen an ihrem Westfuß. Einst war die R. ein von Buchenwald bedecktes Land, ein echtes Glied des Buchengaues (Buchonia); jetzt sind nur noch Reste davon an den Berggehängen und auf den Höhen, die höchsten grasbedeckten ausgenommen, erhalten; vielfach sind die Buchen durch Nadelwald verdrängt. Die R. ist ein armes Land, in ihren höchsten Teilen sehr rauh und öde; ungeheure Schneemassen bedecken sie im Winter, Regen und Nebel tränken im Sommer auf derselben die Moose und Gräser der waldlosen Hochflächen und Gipfel; die ausgedehnten Moore drücken ihr den Stempel der Einförmigkeit auf. Die Bewohner ernähren sich, außer durch Ackerbau (Getreide, Kartoffeln, Flachs), Rindvieh- und Schafzucht, durch Leinwandweberei und durch Verarbeitung des Holzes zu Holzschuhen, Peitschenstielen, Sieben etc. In neuerer Zeit hat die Plüschweberei Eingang gefunden; auch sind Industrieschulen, unter anderm für Holzschnitzerei, gegründet worden. Die Braunkohlen (Bischofsheim, Fladungen, Kaltennordheim) fanden beim Mangel an Verbindungsstraßen bisher wenig Absatz; auch die Torfmoore werden wenig ausgebeutet. Dagegen liefert die R. treffliche Thone für Krugbäckereien, woraus zu Römershag die Krüge für Kissingen gefertigt werden, und für Fayencefabriken (Aschach etc.). Die Bergwiesen liefern auch Heu zur Ausfuhr. Der Touristenverkehr ist erst im letzten Jahrzehnt lebendiger geworden. Die Bemühungen des Rhönklubs durch Verbesserung von Wegen etc. und zahlreiche um und in das Gebirge führende Eisenbahnen, wie die Linien Bebra-Hanau, Elm-Gemünden, Meiningen-Schweinfurt, Salzungen-Vacha-Kaltennordheim, Fulda-Tann, Fulda-Gersfeld etc., haben auch dieses Gebirge in den allgemeinen Verkehr mehr hineingezogen. Vgl. Barth, Das Rhöngebirge (Fulda 1871); Schneider, Führer durch die R. (2. Aufl., Würzb. 1880); Spieß, Reisehandbuch durch die R. (4. Aufl., das. 1888); Ott, Führer etc. (Brückenau 1888); Lenk, Zur geologischen Kenntnis der südlichen R. (Würzb. 1887); Scheidtweiler, Die R. und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse (Frankf. a. M. 1887); „Karte des Rhöngebirges“, 1 : 150,000 (hrsg. vom Rhönklub, Würzb. 1886).