Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Prähistorĭe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 312
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Prähistorĭe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 312. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pr%C3%A4histor%C4%ADe (Version vom 10.08.2022)

[312] Prähistorĭe, der Abschnitt der Existenz des Menschengeschlechts, welcher der Zeit, über welche die Geschichte berichtet, vorausgeht. Während letztere Epoche selbst bei den ältesten Kulturvölkern nur etwa 5–6 Jahrtausende umfaßt, ist die Dauer der prähistorischen Existenz des Menschengeschlechts nach Hunderttausenden von Jahren zu berechnen. Die Entwickelung der prähistorische Forschung war erst möglich, nachdem die noch von Cuvier verteidigte Annahme, daß der Mensch erst während der gegenwärtigen Erdepoche auf unserm Planeten erschienen sei, durch die Untersuchungen von Schmerling, Boucher de Perthes u. a. widerlegt worden war. Letztere bewiesen, daß der Mensch bereits in der Diluvialzeit gelebt habe, und neuere Forschungen machen es wahrscheinlich, daß der Ursprung des Menschen bis in die Spättertiärzeit (Pliocän), vielleicht selbst bis in die Mitteltertiärzeit (Miocän) zurückverlegt werden muß. Die prähistorische Forschung stützt sich auf die körperlichen Überreste des vorgeschichtlichen Menschen, seine aus Stein, Knochen, Horn, Kupfer, Bronze und Eisen angefertigten Geräte, Werkzeuge und Waffen, das Töpfergeschirr, seine Schmuckgegenstände, die Reste seiner in Höhlen, Bodenvertiefungen, auf in Wasser oder Sumpf errichteten Pfahlgerüsten ehedem befindlichen Wohnungen, die Tierknochen und gewisse pflanzliche Stoffe, welche die Überreste seiner Mahlzeiten darstellen, die Befestigungen und Verteidigungswerke, seine Grabstätten, seine Grabmonumente und Kultusstätten. Insofern die Sitten und die Lebensweise jetzt lebender Naturvölker Schlüsse gestatten bezüglich der Lebensweise und des Kulturzustandes des vorgeschichtlichen Menschen, schließt sich die prähistorische Forschung an die Ethnologie an; insofern die Entstehung der Schwemmgebilde, der in Höhlen, Seen und Torfmooren befindlichen Reste oder Spuren des Menschen aufweisenden Ablagerungen sowie die Kenntnis der Mahlzeitsüberreste für erstere von Bedeutung ist, bilden Geologie, Zoologie und Botanik die Hilfswissenschaften der P. Die Anthropologie im engern Sinn gibt Aufschlüsse über die körperliche Beschaffenheit des prähistorischen Menschen sowie über die prähistorischen Menschenrassen. Auch die vergleichende Sprachforschung, das Studium gewisser Vorstellungen, Sitten und Gebräuche, die, aus fernen Zeiten stammend, sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben, liefert für das Studium der P. wichtige Anhaltspunkte. Vgl. Lubbock, Die vorgeschichtliche Zeit (deutsch, Jena 1874); Ratzel, Die Vorgeschichte der europäischen Menschheit (Münch. 1874); Caspari, Die Urgeschichte der Menschheit (2. Aufl., Leipz. 1877, 2 Bde.); de Mortillet, Le Préhistorique (Par. 1882); Rauber, Urgeschichte des Menschen (Leipz. 1884, 2 Bde.); de Nadaillac, Die ersten Menschen und die prähistorischen Zeiten (deutsch, Stuttg. 1884).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 734
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[734] Prähistorie, neuere Litteratur, s. Kulturgeschichtliche Litteratur, S. 529 f.