MKL1888:Pottsches Übel

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pottsches Übel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 295296
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Pottsches Übel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 295–296. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pottsches_%C3%9Cbel (Version vom 27.12.2022)

[295] Pottsches Übel (Malum Pottii, Kyphosis, Spondylarthrocace), die eiterige Entzündung der Wirbelknochen und die daraus hervorgehende bucklige Verkrümmung der Wirbelsäule. Die Krankheit kann sich an allen Stellen der Wirbelsäule zeigen und befällt vorzugsweise das Kindes- und Jünglingsalter. Es stellt sich oft ohne jede äußere Veranlassung oder nach einer Verletzung oder einer Erkältung etc. ein undeutlicher und unsteter Schmerz in der Wirbelsäule ein, welcher sich steigert oder vermindert; bald beginnt eine Verkrümmung der Wirbel hervorzutreten, der Gang wird unsicher, zuweilen bemerkt man Eiterungen längs des Rückgrats und dazu eine allgemeine Abzehrung mit Fieber und Schweißen. Die häufigste Ursache des Pottschen Übels ist die Tuberkelkrankheit, welche sich zumal bei Kindern gern in den Knochen lokalisiert. Der Krankheitsprozeß ist nur dann zum Stillstand zu bringen, wenn er noch nicht zu weit vorgeschritten ist. Das allererste Erfordernis für die Heilung ist die Beobachtung größter und lang andauernder körperlicher Ruhe in der Rücken- oder Seitenlage, sobald sich die ersten Zeichen der Krankheit bemerklich gemacht haben. Ist aus anderweitigen Gründen die dauernde Rückenlage nicht durchzuführen, so muß die von Taylor angegebene Maschine oder ein Gipsverband getragen werden. Außerdem muß ein guter Ernährungszustand des Patienten so lange wie möglich aufrecht erhalten werden, weil die Kranken durch die Knochenvereiterung sehr geschwächt sind. Dies geschieht durch eine kräftige, aber leichtverdauliche Diät (Milch, Eier, Fleisch, Wein) und durch den fortgesetzten Gebrauch des Leberthrans. Einen sehr erheblichen Erfolg hat oft der Gebrauch der Solbäder Kreuznach, Kösen u. a. In vielen Fällen erfolgt Heilung des Übels, indem die Knochenkrankheit erlischt und die Wirbelsäule in der krankhaften Stellung mit merklich hervortretendem Buckel fixiert wird. Bei der Mehrzahl der Kranken bedingt eine gleichzeitig vorhandene tuberkulöse Erkrankung innerer Organe einen frühzeitigen Tod. Bei starker seitlicher Abweichung der Wirbel wird der Brustraum so verengert, daß die Lungen kaum Platz darin haben, Störungen im Kreislauf, Blausucht entstehen, welche dann unter allgemeinen [296] Stauungserscheinungen das Ende herbeiführen. Nur sehr leichte Grade von Schiefheit können durch Muskelzug bei fehlerhafter Körperhaltung, einseitiger dauernder Belastung, z. B. beim Tragen von Kindern auf Einem Arm, ausgebildet werden. Die seitliche Verkrümmung der Wirbel heißt Skoliosis (Fig. 1), die Einwärtskrümmung Lordosis (Senkrücken), der seitliche und hintere Buckel Kypho-Skoliosis (Fig. 2). Vgl. Aronheim, Zur Pathologie und Therapie der Pottschen Kyphose (in Kunzes „Lehrbuch der prakt. Medizin“ (3. Aufl., Leipz. 1877); Derselbe, Die Skoliose in ihrer rationellen Beurteilung und Behandlung (Berl. 1873);

Fig. 1. Kyphosis der Wirbelsäule im Brust- und Lendenteil. a Durch Verkürzung der Wirbelsäule erreichen die Rippen den Darmbeinkanal.  Fig. 2. Kypho-Skoliosis. 
b Kyphosis mit Abweichung nach rechts.

Bühring, Die seitliche Rückgratsverkrümmung (das. 1851); Eulenburg, Mitteilungen aus der Orthopädie (das. 1860); Löwenstein, Rückgratsverkrümmung und Heilgymnastik (Wien 1869); Schildbach, Die Skoliose (Leipz. 1872); Lorenz, Pathologie und Therapie der seitlichen Rückgratsverkrümmungen (Wien 1886).