MKL1888:Physiolŏgus
[43] Physiolŏgus, im frühern Mittelalter das Hauptwerk über Tierkunde, war außerordentlich verbreitet, was schon daraus erhellt, daß es sich (prosaisch oder metrisch) in griechischer, lateinischer, armenischer, äthiopischer, angelsächsischer, altenglischer, altfranzösischer und in noch andern Sprachen erhalten findet. Das Büchlein wurde wahrscheinlich in den ersten Jahrhunderten von Lehrern alexandrinischer Christengemeinden verfaßt; die Tiere, welche darin beschrieben werden, sind die biblischen (Löwe, Pardel, Elefant, Einhorn, Waldesel, Bock, Adler, Rabe, Kranich, Eule, Schlange etc.); den naturgeschichtlichen Gehalt boten die heidnischen Tierfabeln, und der Zweck des Ganzen war die symbolische Anwendung der Tierwelt auf die christliche Lehre. Anfangs von der Kirche mißachtet, galt der P. seit Gregor d. Gr. als anerkanntes Lehrbuch der christlichen Zoologie, und seine Bedeutung erlischt erst im 14. Jahrh. Eine altdeutsche Prosabearbeitung: „Reda umbe diu tier“, aus dem 11. Jahrh., findet sich in Müllenhoffs und Scherers „Denkmälern“ (Nr. 81), eine andre aus dem 12. Jahrh., in Reime gebracht, in Karajans „Sprachdenkmälern“ (Wien 1846). Vgl. Koloff, Die sagenhafte symbolische Tiergeschichte des Mittelalters (in Raumers „Historischem Taschenbuch“ von 1867); Carus, Geschichte der Zoologie (Münch. 1872).