Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Physīk“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Physīk“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 3238
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Physik
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Physik
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Physik
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Physīk. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 32–38. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Phys%C4%ABk (Version vom 13.12.2021)

[32] Physīk (griech.), ursprünglich s. v. w. Wissenschaft oder Lehre von der Natur (griech. physis), bezeichnet gegenwärtig nur einen Zweig des großen Stammes der Naturwissenschaften, nämlich die Lehre von den Gesetzen der in der unbelebten Natur vorkommenden Erscheinungen, sofern letztere nicht auf chemischer Veränderung der beteiligten Körper beruhen. Die P. in ihrer gegenwärtigen Gestalt ist eine empirische oder Erfahrungswissenschaft, d. h. sie geht von lauter einzelnen Erfahrungen aus, die sie durch Beobachtungen und Versuche (Experimente) gewinnt und auf induktivem Weg unter allgemeine Gesichtspunkte zusammenfaßt. So gelangt die P. zur Erkenntnis von Naturgesetzen, deren jedes, zunächst in rein äußerlicher Weise, eine gewisse Gruppe von Erscheinungen in Zusammenhang bringt. Durch die Naturgesetze lernen wir jedoch nur das Wie, nicht aber das Warum der Erscheinungen kennen. Die letztere Frage, die Frage nämlich nach dem innern Zusammenhang der Erscheinungen, kann überhaupt nicht durch die Erfahrung allein beantwortet werden. Um zu den Ursachen der Phänomene vorzudringen, bleibt vielmehr nichts andres übrig, als wissenschaftliche Vermutungen oder Hypothesen aufzustellen und nun zu versuchen, ob sich aus der gemachten Annahme [33] die Erscheinungen, welche sie erklären soll, mit logischer Notwendigkeit entwickeln lassen. Sind sämtliche Folgerungen einer Hypothese mit den Thatsachen im Einklang, so darf die angenommene Ursache als möglich betrachtet werden, und sie wird um so wahrscheinlicher, je mehr Thatsachen sich aus ihr erklären lassen. Dagegen ist eine Hypothese unbedingt zu verwerfen, sobald sie auch nur mit einer einzigen konstatierten Thatsache in Widerspruch tritt. Je nach der Art der Darstellung unterscheidet man die Experimentalphysik, welche die vorgetragenen Lehren unmittelbar aus der Erfahrung entnimmt und durch Experimente erläutert, von der theoretischen P., welche aus wenigen an die Spitze gestellten Erfahrungssätzen und Hypothesen ihr Lehrgebäude durch bloße Denkprozesse entwickelt und erst hinterher die Übereinstimmung ihrer Resultate mit der Erfahrung nachweist. Da die letztere sich zu ihren Deduktionen der Mathematik als unentbehrlichen Hilfsmittels bedient, wird sie auch als mathematische P. bezeichnet. Ihrem Inhalt nach zerfällt die P. in mehrere Hauptteile, welche man in zwei große Gruppen zusammenzustellen pflegt, in die reine und in die angewandte P.; während jene die Naturgesetze an und für sich zu ermitteln sucht, wendet diese die bereits erkannten Gesetze zur Erklärung der von der Natur im großen dargebotenen Erscheinungen an. Zur Gruppe der angewandten physikalischen Wissenschaften gehören daher: die physische Astronomie oder die Mechanik des Himmels, welche die Bewegungen der Himmelskörper aus dem Gravitationsgesetz erklärt; die Astrophysik, welche die physische Beschaffenheit der Himmelskörper zu erforschen sucht; die physikalische Geographie, als Nachweisung der Beschaffenheit und der Veränderungen, welche unsre Erde und insbesondere deren Oberfläche infolge stets thätiger Naturkräfte zeigt, und die Meteorologie, deren Ausgabe darin besteht, die in unsrer Atmosphäre vorkommenden zahlreichen Erscheinungen zu studieren. Abgesehen von der Lehre von den allgemeinen Eigenschaften der Körper, welche als ein einleitendes Kapitel betrachtet werden kann, zerfällt die reine P. in zwei Hauptabteilungen, deren erste, die mechanische P., von dem Gleichgewicht und der Bewegung der Körper handelt; indem sich diese Lehren der Reihe nach auf die festen, flüssigen und gasförmigen Körper beziehen, bilden sie die drei Abschnitte der Statik und Dynamik im engern Sinn (auch Geostatik und Geodynamik), der Hydrostatik und Hydrodynamik (Hydraulik) und der Aerostatik und Aerodynamik. Eine selbständige Stelle nimmt innerhalb der mechanischen P. die Lehre vom Schall, oder die Akustik ein, welche gewissermaßen den Übergang bildet zur zweiten Hauptabteilung, zur molekularen P., welche auch P. des Äthers genannt wird, weil die Ätherhypothese bei der Erklärung der hierher gehörigen Erscheinungen eine wesentliche Rolle spielt. Diese Abteilung zerfällt in die Lehre von der Wärme (Thermik, Kalorik), von der Elektrizität, dem Galvanismus, Magnetismus und Elektromagnetismus (Elektrik), endlich vom Licht (Optik).

Geschichte der Physik.

Eine physikalische Wissenschaft im heutigen Sinn existierte im Altertum nicht. Bei den Griechen bildete die P., in der Bedeutung von Naturwissenschaft überhaupt, neben Ethik und Dialektik einen Bestandteil der Philosophie und ward, wie diese, spekulativ behandelt. Die verschiedenen philosophischen Schulen Griechenlands konnten daher, indem sie eine Aufgabe, welche ihrem Wesen nach eine empirische Behandlung erheischt, aprioristisch zu lösen suchten, zur Erweiterung der Naturerkenntnis nichts Wesentliches beitragen. So haben namentlich die physikalischen Spekulationen eines Aristoteles (360 v. Chr.), da sie sich auf unbestimmte und von vornherein verfehlte Vorstellungen gründeten, die Erkenntnis der Naturgesetze eher aufgehalten, als gefördert. Aus der rein spekulativen Behandlung, welche der P. von seiten der Philosophenschulen zu teil wurde, darf aber nicht geschlossen werden, daß die induktive Forschungsmethode den Griechen unbekannt gewesen oder von ihnen mißachtet worden sei; hat ja doch Aristoteles selbst auf dem Gebiet der Naturgeschichte durch empirische Forschung bedeutende Erfolge erzielt, und in der nacharistotelischen Zeit wurde von einigen Mathematikern und Astronomen auch in der eigentlichen P. Tüchtiges geleistet. Unter diesen ist vor allen der geniale Syrakusaner Archimedes (287 bis 212) zu nennen, welcher den Auftrieb der Flüssigkeiten, die darauf sich gründende Bestimmung des spezifischen Gewichts und das Hebelgesetz entdeckte, ferner das Aräometer, den Flaschenzug und die Wasserschraube erfand. An Heron von Alexandria (284–221) erinnert der nach ihm benannte Heronsball und Heronsbrunnen, von denen er den erstern beschrieb, den zweiten erfand. Der berühmte alexandrinische Astronom Ptolemäos (um 120 n. Chr.) war der erste, welcher die Lichtbrechung experimentell untersuchte und die Resultate seiner Messungen in Tabellen zusammenstellte, ohne daß es ihm jedoch gelang, das Brechungsgesetz aufzufinden. Die Römer, auf allen wissenschaftlichen Gebieten bloße Nachbeter der Griechen, haben auch in der P. eine selbständige Leistung nicht aufzuweisen.

Nach den Verheerungen der Völkerwanderung waren es hauptsächlich die Araber, welche den mathematischen und naturwissenschaftlichen Nachlaß des Altertums und darunter namentlich die Schriften des Aristoteles den christlichen Völkern Europas vermittelten. Unter ihnen sind der Astronom Ibn Yunis (gest. 1008), welcher sich zuerst des Pendels als Zeitmessers bedient haben soll, und Alhazen (gest. 1038) als Verfasser eines Werkes über Optik besonders hervorzuheben. Die christlichen Gelehrten des Mittelalters begnügten sich damit, die Lehren des Aristoteles zu kommentieren, und die Unduldsamkeit der scholastischen Philosophie erhob dieselben zu unantastbaren Dogmen. Unter dem Druck dieser geistigen Sklaverei ging nicht nur die Fähigkeit zu eigner Forschung, sondern sogar das Verständnis der von den Alten entdeckten Wahrheiten verloren. Selbst die Gelehrsamkeit eines Albertus Magnus (gest. 1280) und der Scharfsinn eines Roger Bacon (gest. 1294) vermochten unter diesen Umständen die wissenschaftliche Naturerkenntnis nicht zu fördern. Dagegen gebar der herrschende Mystizismus die Magie, die Astrologie und die Alchimie als Zerrbilder der P., Astronomie und Chemie. Von physikalischen Entdeckungen sind aus dem Mittelalter nur zu erwähnen das Bekanntwerden des Kompasses (1181), welcher übrigens bei den Chinesen schon viel früher im Gebrauch war, und die Erfindung der Brillen, welche von den einen dem Pisaner Mönch Alessandro della Spina (gest. 1313), von andern dem Florentiner Edelmann Salvino degli Armati (gest. 1317) zugeschrieben wird. Am Schluß des Mittelalters begegnen wir, als Vorläufern des Wiedererwachens der exakten Wissenschaft, den drei bedeutenden Mathematikern und Astronomen: Georg v. Purbach (gest. 1461), dessen Schüler Joh. Müller [34] (Regiomontanus, gest. 1476) und Domenico Maria Novara von Bologna (gest. 1504), dem Lehrer des Kopernikus. Die Schriften des Regiomontanus insbesondere enthalten über Wasserleitungen, Brennspiegel, Gewicht und ähnliche Gegenstände scharfsinnige Abhandlungen. Der bedeutendste Physiker des 15. Jahrh. war Leonardo da Vinci, welchem die Meteorologie ebensoviel wie die Hydraulik und Optik zu verdanken hat.

Im 16. Jahrh., dem Zeitalter des Kopernikus, entdeckte der Nürnberger Georg Hartmann (1544) die Inklination der Magnetnadel; der Niederländer Stevin stellte in seiner 1586 erschienenen Statik die Lehre vom Gleichgewicht der Körper zuerst wieder auf vernunftgemäße Grundlagen, indem er nach 1800 Jahren des Irrtums wieder an Archimedes anknüpfte. Doch erst das 17. Jahrh. ist der Zeitraum, in welchem die P. zum Rang einer selbständigen Naturwissenschaft sich ausbildete, und zwar mit einer bis dahin nicht geahnten Schnelligkeit. Gleich zu Anfang des Jahrhunderts erschien William Gilberts (gest. 1603) geistvolles Werk „Physiologia nova de magnete“, worin er nach induktiver Methode die Gesetze des Magnetismus entwickelt und zur Lehre vom Erdmagnetismus den Grund legt. Als eigentlicher Begründer der modernen P. und als Leitstern seiner Epoche ist Galilei (1564–1642) anzusehen, welcher 1602 die Gesetze der Fall- und Pendelbewegung entdeckte. Nachdem schon 1590 der Niederländer Zacharias Jansen das Mikroskop und sein Landsmann Hans Lippershey 1608 das (holländische) Fernrohr erfunden hatten, konstruierte auch Galilei auf die Nachricht von letzterer Erfindung hin ein Fernrohr, welches er mit glänzenden Erfolgen zur Durchforschung des Himmels benutzte. Bald nachher gab Kepler in seiner Dioptrik (1611) die Konstruktion des nach ihm benannten astronomischen Fernrohrs an. Galileis richtige Ansichten vom Luftdruck hatten Torricelli 1644 zur Konstruktion des Barometers geführt, worauf Pascal, indem er 1647 ein solches Instrument auf den Gipfel des Puy de Dôme bringen ließ, die Abnahme des Luftdrucks mit der Erhebung über die Meeresfläche nachwies. Die Idee, das Barometer zu Höhenmessungen anzuwenden, bot sich nun von selbst dar, wurde jedoch erst praktisch ausführbar, als Halley 1705 die Barometerformel abgeleitet hatte. Otto v. Guericke erfand 1650 die Luftpumpe und konstruierte die erste Elektrisiermaschine, noch ohne Konduktor, den erst Bose 1741 hinzufügte. Nachdem Huygens 1655 die Pendeluhr erfunden, beobachtete Richer 1672 bei seinem Aufenthalt in Cayenne, daß das Sekundenpendel in den Äquatorgegenden kürzer ist als in den höhern Breiten, was zu dem Schluß berechtigte, daß die Schwerkraft vom Pol zum Äquator hin abnehme. Boyle entdeckte 1662 das gewöhnlich dem ebenfalls um verschiedene Teile der P. hochverdienten Mariotte (gest. 1684) zugeschriebene Gesetz über die Spannkraft der Luft. Das Lichtbrechungsgesetz wurde 1620 von Willebrord Snell entdeckt, aber lange Zeit Descartes zugeschrieben, welcher es 1649 in der noch jetzt gebräuchlichen Form publizierte und es zur Erklärung des Regenbogens anwandte. 1669 entdeckte Erasmus Bartholinus die Doppelbrechung des Kalkspats; Huygens gab 1678 die Erklärung dieser Erscheinung und beobachtete zuerst die Polarisation der beiden gebrochenen Strahlen. Auch betrachtete bereits Huygens, ebenso wie Hooke („Mikrographia“, 1665), das Licht als eine Wellenbewegung; doch ist jener vermöge der Aufstellung des nach ihm benannten Prinzips als der eigentliche Begründer der Undulationstheorie anzusehen. Die erste Beugungserscheinung wurde 1650 von Grimaldi beobachtet, und Olaf Römer bestimmte 1675 aus den Verfinsterungen der Jupitermonde die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts. Denis Papin, der Erfinder des nach ihm benannten Topfes (1681), erbaute 1707 das erste Dampfboot, mit dem er auf der Fulda von Kassel nach Minden fuhr. Die Methoden und Instrumente der Messung wurden vervollkommt durch Vernier, welcher 1631 den gewöhnlich, aber mit Unrecht, noch Pedro Nuñez (gest. 1577) benannten Nonius einführte, und durch Morin, welcher 1634 das astronomische Fernrohr mit dem Fadenkreuz versah. Die gelehrten Gesellschaften, welche in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstanden, die Florentiner Accademia del Cimento, die Londoner Royal Society und die Pariser Akademie der Wissenschaften, haben zur Förderung der P. wie der Naturwissenschaften überhaupt unendlich viel beigetragen. Auch auf dem Gebiet der Philosophie kam im 17. Jahrh. die empirische Methode zur Geltung; Francis Baco von Verulam erklärte in seinem „Novum organon“ (1620) die Erfahrung für die einzig sichere Quelle der menschlichen Erkenntnis und wurde dadurch zum Begründer der Realphilosophie. Sein Einfluß auf die Entwickelung der P. wird jedoch häufig überschätzt; schon ein volles Jahrhundert vor Baco hatte Leonardo da Vinci auf die Induktion als die einzige sichere Methode der Naturerforschung hingewiesen, und seitdem hatten Gilbert, Galilei, Kepler u. a. auf diesem Wege glänzende Resultate erzielt. Auch die spätern Forscher hielten sich gewiß eher diese Muster exakter Forschung vor Augen als die Lehren Bacos, der von seinen Grundsätzen eine erfolgreiche Anwendung selbst nicht zu machen verstand. Noch weniger haben Descartes’ unhaltbare Spekulationen (Wirbeltheorie) zu den Fortschritten der P. etwas beigetragen, vermochten sie aber auch nicht zu hemmen. Denn glücklicherweise hatte sich das glänzende Gestirn Newton (1643–1727) bereits erhoben und verscheuchte siegreich die Nebel, womit die Cartesianische Philosophie die junge Wissenschaft zu verdunkeln drohte.

Newton entdeckte 1666 die allgemeine Gravitation; in seinem unsterblichen Werk „Philosophiae naturalis principia mathematica“ (1687) legte er die noch heute und für immer gültigen Fundamente der mechanischen P. und der physischen Astronomie. Er entdeckte ferner die prismatische Zerlegung des weißen Lichts in seine farbigen Bestandteile, erfand das Spiegelteleskop und den (jedoch erst 1731 von Hadley ausgeführten) Spiegelsextanten. Die in seinem durch zahlreiche und genaue Experimentaluntersuchungen wertvollen Werk „Optics“ (1704) entwickelte Emissionstheorie des Lichts blieb auf diesem Gebiet die herrschende, bis sie in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. als unhaltbar erkannt wurde. Das 18. Jahrh. schritt auf dem nun vorgezeichneten Weg rüstig weiter. Die Mechanik wurde von Johann und Daniel Bernoulli, Euler, d’Alembert, Lagrange und Laplace zu großer Vollkommenheit ausgebildet; Bradley entdeckte 1728 die Aberration des Lichts, Bouguer (1729) und Lambert (1760) bearbeiteten die Photometrie, Dollond konstruierte 1758 auf Eulers Anregung das erste achromatische Fernrohr. Fahrenheit verfertigte 1714 die ersten genau übereinstimmenden Thermometer (eine Art Luftthermometer oder vielmehr Thermoskop hatte Galilei bereits 1597 erfunden); Réaumur führte 1730 die 80teilige, Celsius 1742 die 100teilige Skala ein. Gray erkannte 1727 den Unterschied zwischen elektrischen Leitern und Nichtleitern, Dufary 1733 den Gegensatz [35] zwischen positiver und negativer Elektrizität; Kleist in Köslin und Cunäus in Leiden erfanden fast gleichzeitig (der erstere 11. Okt. 1745, der letztere Anfang 1746) die Leidener Flasche; Franklin wies 1752 die Identität des Blitzes mit dem elektrischen Funken nach und gab den Blitzableiter an, den vor ihm schon Prokop Divisch erfunden hatte; Volta erfand 1775 den Elektrophor und 1783 den Kondensator; Lichtenberg entdeckte 1777 die nach ihm benannten elektrischen Staubfiguren, und Coulomb erforschte 1784 mit seiner Drehwage die Gesetze der elektrischen und magnetischen Anziehung und Abstoßung. Auch Peter van Musschenbroek (gest. 1761) erwarb sich sowohl um die Elektrizitätslehre als um die P. überhaupt, deren universellster Bearbeiter er zu jener Zeit war, große Verdienste. Black entdeckte 1764 die latente Wärme des Wassers und des Dampfes, und in demselben Jahr konstruierte Watt die erste doppelt wirkende Dampfmaschine. Deluc (1772) und Saussure (Hygrometer, 1783) machten sich um die Meteorologie verdient, Montgolfier u. Charles erfanden 1783 den Luftballon, und Chladni (Klangfiguren, 1787) begründete die moderne Akustik.

Die Wiederbelebung des chemischen Studiums, namentlich aber die Umwälzung der Anschauungen, welche Lavoisier (guillotiniert 1794) in dieser Wissenschaft hervorbrachte, mußten notwendig auch auf die Entwickelung der P. einen tiefgreifenden Einfluß üben. Das Ende des Jahrhunderts wurde durch eine epochemachende Entdeckung bezeichnet, welche den Physikern ein neues Feld erfolgreicher Forschung eröffnete. Nachdem Galvani 1791 den Galvanismus entdeckt und Volta bald darauf die elektrische Natur dieser Erscheinungen erkannt hatte, konstruierte der letztere 1799 die nach ihm benannte Säule. Mittels derselben zerlegten Nicholson und Carlisle 1800 das Wasser, Davy 1807 die Alkalien und Erden und entdeckte letzterer die leichten Metalle. Dalton (1801), Gay-Lussac (1802), Leslie (1804), de la Roche und Bérard (1813), Dulong und Petit (1819) bereicherten die Wärmelehre durch ihre wertvollen Untersuchungen; W. Herschel entdeckte 1800 die schwach brechbaren dunkeln Wärmestrahlen des Sonnenspektrums. Auf dem Gebiet der Optik entbrannte der Kampf der Undulationstheorie gegen die Emissionstheorie, welcher, durch Young 1802 entfacht, von Fresnel (Diffraktion, 1815) siegreich entschieden wurde. Mittlerweile hatte Malus 1808 die Polarisation durch Reflexion entdeckt, während Wollaston,Brewster und Biot, obgleich Anhänger der Emissionshypothese, durch zahlreiche experimentelle Untersuchungen die Kenntnis der Thatsachen förderten. Von deutschen Forschern ist aus dieser Zeit nur der Optiker Fraunhofer zu nennen. In Deutschland nämlich wurde der ruhige Gang fleißiger Forschung auf einige Zeit unterbrochen durch die an Schelling sich anschließende Schule der sogen. Naturphilosophen, welche, den eindringlichsten Lehren der Geschichte zum Trotz, die Naturgesetze durch bloße Spekulation zu ergründen suchten. Die abenteuerlichen Phantasmen, zu welchen sie auf diesem Irrweg gelangten, führten jedoch baldige Ernüchterung herbei und fielen rasch verdienter Vergessenheit anheim.

Eine neue Epoche begann 1820 mit Örsteds Entdeckung der Ablenkung der Magnetnadel durch den galvanischen Strom, auf welche noch in demselben Jahr die Herstellung von Elektromagneten durch Arago folgte. Ebenfalls noch 1820 konstruierte Schweigger den Multiplikator, mit dessen Hilfe Seebeck 1821 die Thermoelektrizität entdeckte. Ampère wies 1826 die gegenseitige Einwirkung elektrischer Ströme nach (Elektrodynamik), und Ohm machte 1827 das seinen Namen tragende Gesetz der Stromstärke bekannt. Faraday entdeckte 1831 die Induktion, die Magnetelektrizität, durch welche sich der schon 1825 von Arago entdeckte sogen. Rotationsmagnetismus erklärte, ferner die magnetische Drehung der Polarisationsebene und den Diamagnetismus. 1833 legten Gauß und Weber den ersten elektromagnetischen Nadeltelegraph zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Kabinett zu Göttingen an; verbesserte Nadeltelegraphen wurden bald von Wheatstone und Steinheil ausgeführt, wobei letzterer 1838 die wichtige Entdeckung der Bodenleitung machte; Morse erfand 1835 den Schreib-, Wheatstone 1840 den Zeiger-, Hughes 1859 den Typendrucktelegraph. Die Galvanoplastik wurde 1838 fast gleichzeitig von Jacobi in Petersburg und von dem Engländer Spencer erfunden. Von großer Wichtigkeit für das ganze Gebiet deb Galvanismus und Elektromagnetismus war die Erfindung der konstanten Batterien durch Becquerel und Daniell (1836), Grove (1839) und Bunsen (1842). Als hervorragende Forscher auf diesem Feld sind noch Ritter, Fechner, Poggendorff, Lenz, Plücker, Kohlrausch, de la Rive, Tyndall und Wiedemann zu nennen. Um die Theorie machten sich besonders F. Neumann und W. Weber verdient, der letztere durch die Aufstellung des nach ihm benannten umfassenden Grundgesetzes (1846). Auch das Gebiet der Reibungselektrizität gewann in Armstrongs Dampfelektrisiermaschine (1840) einen wertvollen neuen Apparat und erfuhr durch Rieß in seinem 1853 erschienenen Werk eine wesentliche theoretische Umgestaltung. Die Lehre vom Erdmagnetismus wurde durch Hansteen (1819), Gauß (1833) und Alexander v. Humboldt, die Meteorologie durch Kämtz (1831), Dove (1852) und Buys-Ballot gefördert und letztere durch wertvolle Instrumente, Daniells Hygrometer (1820) und Augusts Psychrometer (1828), bereichert. Als bemerkenswerte Erfindung ist das zuerst 1847 von dem Italiener Vidi konstruierte Aneroidbarometer zu erwähnen, welches abgeändert und verbessert wurde durch Bourdon (Metallbarometer und -Manometer, 1853), Naudet (Holosterikbarometer, 1864), und die Züricher Mechaniker Becker und Goldschmid (1866), so daß es sogar zu barometrischen Höhenmessungen dienen kann. Wurde hiermit dem Torricellischen Barometer ein Instrument ohne Quecksilber an die Seite gesetzt, so kam man anderseits auf die bereits von Gelehrten der Florentiner Akademie del Cimento im 17. Jahrh., noch bevor Guericke die Kolbenluftpumpe (1650) erfunden hatte, angewendete Quecksilberluftpumpe zurück, welche zuerst von dem Franzosen Gairaud (1859), dann von Geißler in Bonn und Jolly in München zu einem sicher und effektvoll arbeitenden Apparat ausgebildet wurde. Auf die 1822 von Dutrochet entdeckte und 1849 von Jolly weiter untersuchte Diosmose gründete 1861 Graham sein „Dialyse“ genanntes Verfahren zur Trennung gelöster kristallisierbarer Körper („Kristalloide“) von beigemengten schleimigen Substanzen („Kolloide“). An die ebenfalls von Graham untersuchte Diffusion der Gase durch poröse Scheidewände schloß sich 1863 der von Sainte-Claire Deville gelieferte Nachweis der Durchdringlichkeit erhitzter Metalle durch Gase. Um die Akustik machten sich Cagniard de la Tour (1819), Savart, Scheibler (1833) verdient.

Auch die mechanische P. blieb hinter den Fortschritten der übrigen Zweige nicht zurück. Poinsot (1804), Poisson (1811), Gauß, Hamilton vervollkommten die [36] Theorie; Kater erfand 1818 das Reversionspendel, und Foucault lieferte 1851 durch seinen berühmten Pendelversuch den direkten Beweis für die Achsendrehung der Erde. Die Wärmelehre hat ebenfalls in dem betrachteten Zeitraum sowohl in theoretischer als experimenteller Hinsicht bedeutende Fortschritte aufzuweisen. In ersterer Beziehung sind die noch auf dem Begriff des Wärmestoffs fußenden mathematischen Bearbeitungen von Fourier (1822) und Poisson (1835) zu erwähnen; in letzterer Hinsicht ragen hervor die Untersuchungen über strahlende Wärme, welche Melloni (1831) mittels des von Nobili erfundenen Thermomultiplikators anstellte. Außerdem sind noch zu erwähnen die Arbeiten von Péclet, Forbes, Regnault, Magnus, Favre und Silbermann, Thomsen u. a. Die Undulationstheorie des Lichts wurde weiter ausgebildet durch Fraunhofer (1821), J. Herschel (1828), Schwerd (1835), Cauchy (1863), von denen der erste die Wellenlängen für die dunkeln Linien des Sonnenspektrums bestimmte, der letzte die Dispersion aus der Wellenlehre erklärte. Dem französischen Physiker Fizeau gelang es 1849, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts terrestrischer Lichtquellen zu messen, und Foucault krönte 1853 den bereits entschiedenen Sieg der Wellenlehre durch den Nachweis, daß sich das Licht im Wasser langsamer fortpflanzt als in der Luft. Stokes bearbeitete erfolgreich die Fluoreszenz, Becquerel die Phosphoreszenz. Die Polarisationsapparate erlangten durch die Erfindung des Nicolschen Prismas (1828) eine größere Vollkommenheit. Die physiologische Optik wurde bereichert durch das Stereoskop (Wheatstone 1838) und durch das Phänakistoskop, welches Stampfer und Plateau 1832 fast gleichzeitig erfanden. Eine durchgreifende Umarbeitung erfuhr dieser Teil der Optik durch Helmholtz, den Erfinder des Augenspiegels (1851). Die Photographie verdankte ihre Entstehung der schon länger bekannten Thatsache, daß das Licht gewisse Substanzen, z. B. die Silbersalze, chemisch zu verändern vermöge. Nachdem schon Wedgewood und Davy 1802 Bilder von flachen Gegenständen, welche unmittelbar auf Chlorsilberpapier gelegt wurden, dargestellt hatten, gelang es zuerst Nicéphore Niepce 1827, das Bild der Camera obscura auf einer Asphaltschicht zu fixieren. Daguerre lehrte 1839 die Herstellung von Lichtbildern auf jodierten Silberplatten (Daguerreotypie), und Talbot veröffentlichte 1842 sein ihm zu Ehren „Talbotypie“ genanntes Verfahren, Bilder auf Jodsilberpapier herzustellen, welche der Vervielfältigung fähig waren. Nachdem der jüngere Niepce das Talbotsche Papiernegativ durch eine auf Glas ausgebreitete Eiweißschicht und Legray 1850 das Eiweiß durch Kollodium ersetzt hatten, war die Photographie in ihrer heutigen Gestalt dem Wesen nach vollendet.

Eine neue Epoche in der Entwickelung der P. wurde durch die Entdeckung des Satzes von der „Erhaltung der Energie“ („Erhaltung der Kraft“) heraufgeführt. Dieses Prinzip, von Julius Robert Mayer 1842 zuerst verkündet und von Helmholtz 1847 den Prinzipien der Mechanik gemäß wissenschaftlich ausgestaltet, bildet die Grundlage einer neuen physikalischen Weltanschauung, welche nicht nur die bis dahin unvermittelt nebeneinander stehenden Einzelgebiete der P. unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfaßt, sondern auch auf das Gesamtgebiet der übrigen Naturwissenschaften ihre erhellenden Strahlen wirft.

Die durchgreifendste Umgestaltung erfuhr die Wärmelehre durch die neue Anschauung. Mayer berechnete das „mechanische Äquivalent der Wärme“ aus er Arbeit, welche die erwärmte Luft bei der Ausdehnung leistet, fand aber eine zu kleine Zahl, da die richtigen Werte für die spezifische Wärme der Gase bei konstantem Druck und konstantem Volumen, welche erst in den 50er Jahren von Regnault ermittelt wurden, damals noch nicht bekannt waren. Ebenso erging es Holtzmann und Colding, und erst Joule gelangte 1843–49 zu dem richtigen Werte. Der Satz von der Äquivalenz zwischen Wärme und Arbeit gewährte den sichern Boden, auf welchem sich eine mechanische Theorie der Wärme aufbauen ließ. Dieser Bau wurde auch alsbald von Clausius, Thomson und Rankine in Angriff genommen. Clausius fügte zu jenem ersten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie von der Äquivalenz von Wärme und Arbeit den zweiten Hauptsatz von der Äquivalenz der Verwandlungen hinzu (1850), indem er denselben auf den Grundsatz stützte, daß die Wärme nicht von selbst (ohne Kompensation) aus einem kältern in einen wärmern Körper übergehen könne. Hiermit war einem berühmten Satz über Arbeitsleistung durch Wärme, welchen Sadi Carnot bereits 1824 aufgestellt hatte, sein richtiger Ausdruck gegeben. Die neue Theorie verknüpfte bekannte Erscheinungen durch ein einziges umfassendes Prinzip und brachte viele bisher wenig begriffene Vorgänge und Thatsachen zum Verständnis. Ja, sie vermochte bisher nicht bekannte Erscheinungen und Beziehungen, welche später durch Versuche bestätigt wurden, vorauszusagen; so z. B. die Änderung des Schmelzpunktes mit wachsendem Druck und das Verhalten der gesättigten Dämpfe, welches wegen der darauf sich gründenden Beurteilung der Arbeitsleistung der Dampfmaschinen auch technisch von Wichtigkeit ist. Sie gab den Anstoß, daß die Versuche zur Flüssigmachung der sogen. permanenten Gase wieder aufgenommen wurden, indem sie zeigte, daß es für jedes Gas eine „kritische Temperatur“ (Andrews 1874) geben müsse, oberhalb welcher es auch durch den stärksten Druck nicht verflüssigt werden könne, unterhalb welcher aber bei genügender Drucksteigerung und Wärmeentziehung die Verflüssigung möglich sei. In der That gelang es Cailletet und Pictet fast gleichzeitig (1877) Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff zu Flüssigkeiten zu verdichten. Die P. der Gase ist überhaupt das Gebiet, auf welchem die Wärmemechanik besonders große Erfolge errungen hat. Namentlich wurde eine bereits von Daniel Bernoulli (1738) aufgestellte Hypothese über das Wesen des gasförmigen Zustandes von Krönig (1856) und Clausius (1857) von neuem ausgesprochen und aus ihr durch die Arbeiten von Clausius und Maxwell die kinetische Theorie der Gase (s. d.) entwickelt. Die alten Gesetze von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac ergaben sich als notwendige Folgerungen aus der neuen Theorie, welche auch die übrigen physikalischen Eigenschaften der Gase in ungezwungener Weise zu erklären vermag und für mehrere fundamentale Gesetze der theoretischen Chemie die Begründung lieferte. Sie hat ferner die Energie der bewegten Moleküle und ihre Weglänge zwischen zwei aufeinander folgenden Zusammenstößen in absolutem Maß bestimmt und sogar auf diese Daten kühne Schlüsse hinsichtlich der absoluten Größe und des Gewichts der Moleküle und Atome gebaut (Loschmidt 1865, Thomson 1870, Maxwell 1873).

Vom Gesichtspunkt des Prinzips der Erhaltung der Energie aus erscheinen alle Vorgänge in der Natur bloß als Verwandlungen einer Art Energie in eine andre Art Energie, und sämtliche Energien der Natur (Wärme, Licht, Schall, gespannte und bewegte Elektrizität, chemische Trennung und mechanische Arbeit) [37] sind nur verschiedene Erscheinungsformen einer und derselben Wesenheit. Indem sich so jenes Prinzip zu einer Lehre von der Einheit und Metamorphose der Naturkräfte entfaltete, gewährte es nicht nur im allgemeinen Einblicke in den Zusammenhang und die Wechselwirkung der verschiedenen Agenzien, sondern bot auch im besondern eine sichere gemeinsame Basis für die theoretische Bearbeitung verschiedener bisher auseinander liegender Kapitel der P. Namentlich auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre wurden in dieser Richtung so bedeutende Erfolge erzielt, daß man jetzt schon in gewissem Sinn von einer mechanischen Theorie der Elektrizität sprechen kann (Clausius, Maxwell u. a.).

Auf dem Gebiet der Elektrizität und zwar zunächst der Reibungselektrizität tritt uns vor allem die fast gleichzeitig 1865 von Holtz und von Töpler erfundene „Influenzelektrisiermaschine“ (Elektrophormaschine, Elektromaschine) entgegen, welche weit größere Mengen von Elektrizität zu liefern im stande ist als die gewöhnlichen Elektrisiermaschinen. Durch seinen zuerst 1851 konstruierten „Funkeninduktor“ gelang es Ruhmkorff, die durch galvanische Ströme induzierte Elektrizität zu solcher Spannung zu steigern, daß ihre Funkenentladungen diejenigen der stärksten Reibelektrisiermaschinen an Kraft übertreffen. Diese Induktionsfunken, durch mit verdünnten Gasen gefüllte Glasröhren geleitet, welche von Geißler 1860 erfunden wurden, erzeugen die prachtvollsten Lichterscheinungen, indem sie die verdünnten Gase zum Glühen und Leuchten bringen. Die Geißlerschen Röhren sind namentlich bei spektralanalytischen Untersuchungen als Gegenstände und Werkzeuge der Forschung sehr wichtig geworden. Außer der Verbesserung der magnetelektrischen ist ferner die Erfindung der dynamoelektrischen Maschinen durch W. Siemens (1866) zu erwähnen, deren Prinzip ein Gegenstück bildet zu demjenigen der Influenzmaschine. Durch sie wurde der großartige Aufschwung, den die technischen Anwendungen der Elektrizität (elektrische Beleuchtung, Kraftübertragung etc.) in unsern Tagen genommen haben, erst möglich gemacht. Allgemeines Aufsehen erregte die Erfindung des Telephons durch Graham Bell (1877), welches als bequemes Kommunikationsmittel raschen Eingang fand, aber auch für feinere physikalische Untersuchungen, besonders für den Nachweis sehr schwacher elektrischer Ströme, ein willkommenes Werkzeug geworden ist. Daran schloß sich die Erfindung des Mikrophons durch Lüdtge (1878) und etwas später durch Hughes und Edison, durch welches in Verbindung mit dem Telephon die geringsten Erschütterungen, indem sie den galvanischen Widerstand an den Berührungspunkten zweier Kohlenstücke ändern, hörbar gemacht werden. Dieses Prinzip ist einerseits zur Vervollkommnung der telephonischen Korrespondenz (Lüdtges Universaltelephon), anderseits zur Konstruktion seiner physikalischer Meßapparate (Edisons Tasimeter) verwertet worden.

In der Akustik vollzog sich infolge der Untersuchungen von Helmholtz („Die Lehre von den Tonempfindungen“, 1862) eine völlige Umwälzung. Helmholtz ergründete das Wesen der „Klangfarbe“, indem er nachwies, daß die musikalischen Klänge, welche unser Ohr als Einheiten aufzufassen gewohnt ist, aus einer Reihe einfacher Töne, einem Grundton und den dazu gehörigen Obertönen, zusammengesetzt sind, deren jede durch rein pendelartige Schwingungen hervorgebracht wird. Die Analyse der Klänge wurde noch vervollkommt durch die optischen Untersuchungsmethoden von König (manometrische Flammen, Flammenzeiger, 1864) und Lissajous (Schwingungsfiguren, 1855) und durch die graphische Methode (Phonautograph von Scott und König, 1859). Von besonderm Interesse sind die Aufschlüsse, welche diese Forschungen über die Natur der menschlichen Stimme gegeben haben. Die allgemeinste Aufmerksamkeit wurde aber erregt durch den Phonographen Edisons (1878).

In der Lehre vom Licht bildet die Einführung der Spektralanalyse von Bunsen und Kirchhoff (1860) einen epochemachenden Abschnitt. J. Herschel und Talbot hatten zwar schon in den 20er Jahren die Spektren farbiger Flammen, Wheatstone (1845), Angström, Plücker u. a. das Spektrum des elektrischen Funkens untersucht; aber erst Kirchhoff und Bunsen wiesen 1860 nach, daß die hellen Linien des Spektrums eines glühenden Gases von der chemischen Beschaffenheit desselben bedingt sind, und begründeten damit die Spektralanalyse, welche sofort zur Entdeckung einiger bis dahin unbekannter Metalle (Cäsium, Rubidium, Thallium, Indium, Gallium) führte. In seiner berühmten Abhandlung: „Untersuchungen über daß Sonnenspektrum und die Spektren chemischer Elemente“ (1861) lehrte Kirchhoff die Spektralanalyse der Sonne und andrer Himmelskörper, eine Methode, welche in ihrer weitern Ausbildung durch Secchi, Huggins, Lockyer, Janssen und Zöllner zu bewundernswerten Resultaten geführt hat; die vorher nie geahnten Thatsachen, welche sich auf diesem Gebiet enthüllten, sind so zahlreich, daß sie in ihrer Gesamtheit einen neuen Wissenszweig, die Astrophysik, konstituieren. In dem Spektroskop besaß man nun auch das geeignete Werkzeug, die Lichtabsorption als Ursache der natürlichen Farben der Körper zu studieren. An stark gefärbten Substanzen (Fuchsin, Cyanin) entdeckten Kundt und Christiansen (1870) die anomale Dispersion; ein Hohlprisma, mit einer Lösung eines solchen Stoffes gefüllt, bricht nämlich die grünen und blauen Strahlen stärker als die roten, ganz entgegen dem Verhalten farblos durchsichtiger Substanzen. Die Phosphoreszenzerscheinungen wurden von Bequerel (1857) mit Erfolg bearbeitet, die Fluoreszenzerscheinungen von Stokes (1853), welcher mit ihrer Hilfe die durch ihre chemische (photographische) Wirkung bereits bekannten ultravioletten Teile des Spektrums direkt sichtbar machte. Stokes hatte aus den von ihm beobachteten Erscheinungen geschlossen, daß das durch Fluoreszenz ausgestrahlte Licht stets minder brechbar sei als das einfallende Licht. Später wurden aber Substanzen entdeckt, welche sich dieser Regel nicht fügen; es sind dies durchaus Substanzen, welche auch anomale Dispersion und das merkwürdige Phänomen der Oberflächenfarben zeigen. Alle diese Thatsachen stehen außerhalb der bis jetzt noch allgemein angenommenen Cauchyschen Lichttheorie und weisen über dieselbe hinaus. Diese Theorie ist gegenwärtig an dem Ziel ihrer Entwickelung angelangt; indem sie die Lichterscheinungen aus Bewegungen des Äthers allein zu erklären sucht, fehlt ihr von vornherein die Fähigkeit, von Erscheinungen, die offenbar auf Wirkungen der materiellen Körperteilchen beruhen, Rechenschaft zu geben. Eine neue Lichttheorie, welche sich auf die Wechselwirkung zwischen Äther und Körperteilchen gründet, wird die Aufgabe der Zukunft sein.

[Literatur.] Müller-Pouillet, Lehrbuch der P. und Meteorologie (9. Aufl., bearbeitet von Pfaundler, Braunschw. 1886 ff., 3 Bde.); Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik (4. Aufl., Leipz. 1882–1886, [38] 4 Bde.); Derselbe, Kompendium (das. 1879, 2 Bde.); Mousson, Die P. auf Grundlage der Erfahrung (3. Aufl., Zürich 1879–84, 3 Bde.); Reis, Lehrbuch der P. (5. Aufl., Leipz. 1882); Recknagel, Kompendium der Experimentalphysik (2. Aufl., Kaiserslautern 1887, 2 Tle.); Eisenlohr, Lehrbuch der P. (11. Aufl. von Zech, Stuttg. 1876); Jochmann, Grundriß der Experimentalphysik (7. Aufl., Berl. 1881); Koppe, Anfangsgründe der P. (16. Aufl., Essen 1884); Heßler-Pisko, Lehrbuch der technischen P. (3. Aufl., Wien 1865, 2 Bde.); Müller, Die Schule der P. (2. Aufl., Braunschw. 1878); Weinhold, Vorschule der Experimentalphysik (3. Aufl., Leipz. 1883); Derselbe, Physikalische Demonstrationen (2. Aufl., das. 1886); Frick, Physikalische Technik (5. Aufl., Braunschw. 1876); Lehmann, Physikalische Technik (Leipz. 1885); Fahle und Lampe, P. des täglichen Lebens (das. 1880); Krebs, Die P. im Dienste der Wissenschaft etc. (Stuttg. 1883). – Encyklopädien: Gehler, Physikalisches Wörterbuch (neubearbeitet von Brandes, Gmelin u. a., Leipz. 1825–45, 14 Bde.); Karsten, Allgemeine Encyklopädie der P. (mit Helmholtz, Lamont u. a., das. 1856–69, 10 Bde.); Marbach, Physikalisches Lexikon (2. Aufl., das. 1849–59, 2 Bde.); Lommel, Lexikon der P. (das. 1882, populär). – Geschichte: Whewell, Geschichte der induktiven Wissenschaften (deutsch von Littrow, Stuttg. 1840–41, 3 Bde.); Poggendorff, Geschichte der P. (Leipz. 1879); Heller, Geschichte der P. (Stuttg. 1882–84, 2 Bde.); Rosenberger, Geschichte der P. (Braunschw. 1882 ff.). – Zeitschriften: Fechner, Repertorium der Experimentalphysik (Leipz. 1832, 3 Bde.); fortgesetzt als „Repertorium der P.“ von Dove und andern Berliner Physikern (Berl. 1837–46, 7 Bde.); „Die Fortschritte der P.“ (das. 1847–82, 38 Jahrg.); Wiedemanns „Annalen der P. und Chemie“, früher redigiert von Gran, Gilbert, Poggendorff (das., seit 1790, später Leipzig); Carl, Repertorium der Experimentalphysik (Münch., seit 1866); „Annales de chimie et de physique“ von Gay-Lussac und Arago (Par., seit 1816); „Journal de physique“ (das., seit 1872); „Philosophical Magazine“ (Lond., seit 1832).