Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Phoenix“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 56
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Phoenix. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 5–6. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Phoenix (Version vom 08.04.2024)

[5] Phoenix L. (Dattelpalme), Gattung aus der Familie der Palmen, Bäume mit hohem, bisweilen aber fast fehlendem, stets mit den Schuppen abgefallener Blätter bedecktem Stamm, gefiederten Blättern mit linearen, an der Basis gefalteten Segmenten, deren untere oft stachelartig sind, büschelig verzweigten, aus den Achseln der Blätter hervorbrechenden Blütenkolben mit dunkelgelben oder gelbweißen, diözischen Blüten und runden oder länglichen, gelbbraunen Früchten mit länglich oblongem, hornigem, bisweilen fehlschlagendem Samen. Zur Erzielung reichlicher Früchte wendet man überall, wo Datteln kultiviert werden, künstliche Befruchtung an, indem man den männlichen Blütenkolben mit reifem Pollen aus der Scheide herausnimmt, zerteilt und Stücke desselben in die geöffnete Scheide der weiblichen Blüte hineinzwängt. Von den vielleicht zwölf Arten sind die südlichsten P. reclinata Jacq. und P. spinosa Thonn., beide um Kap, die nördlichste die echte Dattelpalme (P. dactylifera L., s. Tafel „Nahrungspflanzen II“), welche sich über Nordafrika, Südwestasien und Südeuropa verbreitet, am besten zwischen 19–35° nördl. Br. gedeiht und zur Ausbildung reifer Früchte einer mittlern Jahrestemperatur von 21–23° C. bedarf. Die Dattelpalme ist ein wichtiger Kulturbaum Afrikas und Arabiens, für deren Landschaftsbilder er charakteristisch ist. Er wird aber als Zierpflanze und der Blätter halber, welche man [6] beim christlichen Osterfest und beim jüdischen Laubhüttenfest benutzt, in großer Zahl auch auf den Hyèrischen Inseln, bei San Remo, Nizza, Genua, besonders bei Bordighera an der ligurischen Küste, und in Spanien bei Elche kultiviert. Die Dattelpalme wird 12–25 m hoch und gegen 100 Jahre alt; der etwa 60–100 cm dicke Stamm erhält durch die verdorrten, nicht abfallenden, niedergebeugten Blätter ein sehr verwildertes Aussehen, trägt am Gipfel eine schöne, dichte Krone von 3 m langen, blaugrünen Blättern mit lineal-lanzettlichen, fast vierzeiligen Fiedern und durch Kultur genießbar gewordene Früchte, von denen man gegen 50 Varietäten unterscheidet. Die Datteln sind cylindrisch elliptisch bis eiförmig oder fast kugelig oder stumpfkantig, stumpf oder gespitzt, bis über 5 cm lang, grün, gelbbraun bis braun, in Weichheit und Geschmack des Fleisches sehr verschieden. Die Dattelpalme verlangt Sandboden, dem es nicht an Feuchtigkeit fehlen darf, und läßt sich durch Wurzelschößlinge, die nur in der ersten Jugend der Bewässerung bedürfen, leicht fortpflanzen. Man macht aus ihren Blättern Besen und Bürsten und benutzt sie wie das Holz als Baumaterial; die Mittelrippe der Blätter liefert Spazierstöcke, die Fasern, welche die Blattstiele verbinden, Tauwerk. Die Früchte sind Nahrungsmittel für Menschen und Tiere. Sie bestehen aus 10 Teilen Kern, 5 Teilen Schale und 85 Teilen Fruchtfleisch, und letzteres enthält 30 Proz. Wasser, 36 Proz. Zucker, 23,25 Proz. Eiweiß- und Extraktivstoffe, 8,5 Proz. Pektinkörper, 1,5 Proz. Cellulose und 0,75 Proz. Zitronensäure, Mineralstoffe und Kumarin, welch letzterm sie zum Teil ihren Wohlgeschmack verdanken. Man trocknet die Datteln an der Sonne und vergräbt sie, da sie sehr wenig haltbar sind, zur Konservierung in den Sand. Ihr Genuß wirkt sehr erhitzend, doch bilden sie das hauptsächlichste Nahrungsmittel ganzer Völkerschaften. Zu uns kommen sie in geringer Menge: die größern, dunklern, auch fleischigern und süßern (Alexandriner) aus Ägypten, die geringern aus Tunis; doch liefern auch Syrien und Algerien Datteln für den Handel. Man bereitet aus den reifen Früchten auch Sirup und Branntwein. Durch Ausschneiden der innersten Blätter gewinnt man einen trüben, süßlichen Saft, der schnell gärt und dann berauschend wirkt. Die jungen Gipfelknospen und Blütenkolben werden auch als Gemüse gegessen und die Fasern der Blätter und Blattstiele zu gröberm Flechtwerk benutzt. Der Same dient wohl als Viehfutter, auch als Kaffeesurrogat. Die ältesten Nachrichten kennen die Dattelpalme noch nicht als Fruchtbaum; sie ward dies vielleicht in den Ebenen am untern Euphrat und Tigris und verbreitete sich dann erst von dort nach Jericho, Phönikien etc. Die Dattelpalme gehört, wie das Kamel, dem Wüsten- und Oasenvolk der Semiten an, und durch beide hat dies Volk eine ganze Erdgegend bewohnbar gemacht. Der griechische Name der Dattelpalme, phoinix, zeigt sie als den aus Phönikien stammenden Baum, und nach der Odyssee stand die erste Palme auf Delos. Palmzweige dienten später als Siegeszeichen teils in Gestalt von Kränzen auf dem Haupte, teils als Zweige in den Händen, wie sie schon bei den Semiten als Zeichen des Lobes und Siegs und festlicher Freude benutzt worden waren. Später wurden immer häufiger Palmen bei den Heiligtümern und Ortschaften angepflanzt, auch erscheinen sie auf Vasenbildern als Attribut der Leto und des Apollon sowie auf Münzen. In Italien wuchs die Dattelpalme im 3. Jahrh. v. Chr.; doch kannte man sie vielleicht schon viel früher aus direktem Verkehr mit dem Süden, worauf der Name palma (wohl vom semitischen tamar) deutet. Die Frucht wurde jedenfalls erst später bekannt; ihr Name daktylos stammt aus dem Semitischen und hat mit Finger so wenig zu thun wie palma mit Hand. Mit dem Hereinbrechen der Barbarei starben später die Palmbäume in den europäischen Mittelmeerländern ab, und erst durch die Araber wurden sie einzeln neu angepflanzt, in Spanien 756. Die Anlehnung des Christentums an die Bildersprache des Heiden- und Judentums veranlaßte die Anlage des großen Palmenhains von Bordighera, der 4000 Stämme zählen soll. Man bindet dort im Hochsommer die Kronen zusammen, damit die auf solche Weise eingeschlossenen jungen Blätter bleichen (Bild der himmlischen Reinheit). In Südspanien zu Elche, südwestlich von Alicante, steht ein Palmenhain von 60,000 Stämmen, der auch Früchte liefert. P. sylvestris Roxb. (s. Tafel „Industriepflanzen“), in Ost- und Hinterindien, wird bis 12 m hoch und unterscheidet sich von der Dattelpalme fast nur durch die weniger fleischigen und kleinern Früchte. Sie liefert Zucker (in Bengalen 100,000 Ztr.), welchen man aus dem durch Einschnitte unter der weichen Endknospe gewonnenen Saft bereitet. Ein Baum liefert jährlich 3,5–4 kg, ist aber nach 20–25 Jahren erschöpft. Derselbe Saft vergärt leicht zu Palmwein, und aus diesem gewinnt man durch Destillation Arrak. Die Früchte sind ungenießbar. P. farinifera Willd. wächst häufig in den bergigen Distrikten Vorderindiens auf trocknem, unfruchtbarem Sande. Der Stamm ist nur 30–60 cm hoch und so in den Blattscheiden versteckt, daß das Ganze einem dicken Busch gleicht. Aus den Blättchen werden Matten, aus den Blattstielen Körbe geflochten. Die mehlige Substanz, welche die aus weißen, ineinander verwobenen Fasern bestehende äußere Holzschicht des Stammes einschließt, dient in Zeiten des Mangels als Speise, zu welchem Zweck sie zu einer dicken Grütze (Kauji) eingekocht wird. Mit dieser Art dem Habitus nach sehr verwandt ist P. acaulis Roxb., welche bei Bahar auf den hoch gelegenen Ebenen nördlich vom Ganges und im Flachland von Birma wächst. Als Zierpflanze ist P. paludosa Roxb. zu empfehlen, die südlichste indische Art, welche schöne, dichte Büschel bildet. Die Stämme niedrigerer Bäume dienen als Spazierstöcke, und die Eingebornen glauben damit die Schlangen von sich abhalten zu können. Die längern Stämme liefern Balken, die Blätter Dachstroh. Als Zimmerpflanze eignet sich neben P. sylvestris und P. spinosa besonders P. reclinata (s. Tafel „Blattpflanzen I“). Vgl. Fischer, Die Dattelpalme (Gotha 1881).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 728
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[728] Phoenix, s. Palmen.