MKL1888:Pastellmalerei
[766] Pastellmalerei, diejenige Gattung der Malerei, die sich trockner Farben bedient, welche die Form von langen Stiften haben, mit denen man auf Pergament, Papier oder neuerdings auch auf präparierter Leinwand zeichnet. Das Papier erhält einen rauhen Grund, welcher durch einen Anwurf von feinem Sand oder pulverisierten Ossa sepiae (Sepiaschulpen oder -Schalen) hergestellt wird. Die Pastellleinwand ist gewöhnlich grün grundiert. Das Pastellpapier wird auf Blendrahmen fest aufgeklebt, Pastellleinwand und -Pergament wie bei der Ölmalerei auf Blendrahmen gespannt. Die Zahl der Farbennüancen bei der P. beträgt gegen 400. Man unterscheidet harte, halbharte und weiche Stifte. Die durch die Farbenstifte aufgetragenen Farben werden mit dem Finger oder dem Korkwischer auf dem Papier verrieben und so, wie sie in Lokal- oder gebrochenen Tönen nebeneinander stehen, verschmolzen. Daher darf auch an den Endpunkten jedes Lokaltons, wo besonders bei runden Körpern die Töne sich miteinander verbinden, die Farbe nicht zu dick aufgetragen werden. An den andern Teilen aber, wo der Körper mehr Tiefe oder mehr Erhabenes (Relief) ausdrückt oder sich scharf abschneidet, muß die Farbe wiederholt kräftig aufgetragen und verrieben werden. Durch das geschickte Auftragen sowie durch das gute Verreiben wird die Oberfläche der Farbe an den Körper, worauf man malt, mehr fixiert, und es entsteht dadurch eine Art Rauheit, der sogen. Samt. Dieser Samt hat aber wenig Dauer, da durch jede Erschütterung die Farbeteilchen abfallen und infolge davon die Kraft wie die Zartheit der Töne verloren geht. Man hat daher schon oft Versuche gemacht, Pastellgemälde zu fixieren und den Samt festzuhalten. Nach einem Rezept von Ortlieb bedient man sich eines dichten, nicht geleimten Papiers, auf dessen Rückseite man eine Lösung von Wasserglas eindringen läßt, wodurch die Malerei fixiert wird. Staub, Einwirkung des Sonnenlichts und Feuchtigkeit sind die Elemente zur innern Zerstörung der Pastellgemälde, und es ist daher am sichersten, sie durch Verglasung zu schützen. Die natürliche Frische der Farben, die nicht, wie bei der Ölmalerei, erst mit Firnis versetzt werden, sowie die zarte Weichheit geben dieser Malerei, soweit ihre Grenze geht, eine außerordentliche Anmut; in vorzüglichem Grad ist sie für Porträtmalerei geeignet. Der Ursprung der P. wird von einigen ins 15., von andern ins 16. Jahrh. zurückgeführt. Jedoch sind die Leonardo da Vinci zugeschriebenen Pastellzeichnungen in Weimar u. a. O. nicht echt. Seine echten farbigen Zeichnungen sind nur Studien in verschiedenfarbiger Kreide, ebenso wie die gleichartig ausgeführten Zeichnungen von H. Holbein dem jüngern in Windsor Castle u. a. O. nur Studien, nicht Pastellmalereien im eigentlichen Sinn sind. Erst im 18. Jahrh. bildete sich die P. als selbständiger Zweig der Malerei heraus. Diese Kunst, mit farbigen Stiften den Eindruck einer Persönlichkeit auf das Papier gleichsam hinzuhauchen, ist für die Rokokozeit besonders charakteristisch. In Frankreich waren La Tour, Liotard und besonders Vivien (1657–1736), in Italien Rosalba Carriera (1675–1757), in Deutschland R. Mengs (1728–79) hervorragende Pastellmaler. Von diesen Meistern besitzt die Dresdener Galerie eine große Zahl von Pastellmalereien. Ch. W. E. Dietrich versuchte Landschaften in Pastell zu malen, jedoch nur mit einfachen braunen Farben; einige Bilder der Art befinden sich ebenfalls in Dresden in der königlichen Handzeichnungensammlung. In unsrer Zeit ist die P. wieder stark in Aufnahme gekommen. Der Anstoß ging von Paris aus, wo besonders der Italiener de Nittis, der auf Leinwand malte, eine große Virtuosität in der P. erreichte und nicht bloß Porträte und Studienköpfe, sondern auch Genrebilder mit Pastellstiften zeichnete. Ihm gleich kommen in Deutschland B. Piglhein (s. d.), Lenbach, J. Koppay, der ebenfalls umfangreiche Pastellzeichnungen ausführt. Andre hervorragende Pastellmaler sind: C. Fehr (Berlin), C. Fröschl (Wien), E. Harburger (München) und B. Woltze (Weimar). Die P. wird auch mit Vorliebe von Damen getrieben.