Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Parnassos“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 740
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Parnassos. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 740. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Parnassos (Version vom 15.09.2022)

[740] Parnassos, ein gleich dem Olympos, Helikon etc. in der Mythologie der Griechen vielgenanntes Gebirge Griechenlands, das als Sitz des pythischen Orakels von den Dichtern als Mittelpunkt („Nabel“) der Erde betrachtet wurde. Man versteht im weitern Sinn darunter die vom Öta her südöstlich durch Doris und Phokis hinreichende Gebirgskette, welche unter dem Namen Kirphis (jetzt Sumaliäs) zwischen Kirrha und Antikyra am Korinthischen Meerbusen endigt. Im engern Sinn bezeichnet P. bloß den höchsten Kamm dieses Gebirges, mit den beiden Spitzen Tithorea (jetzt Gerontobrachos) im NW. und Lykoreia (jetzt Liakura, 2459 m) im SO. in der Nähe von Delphi. Von dem Kirphis wird dieser eigentliche P. durch das meist trockne, schmale Thal des Pleistos (jetzt Xeropotamos) getrennt. Die Gipfel sind einen großen Teil des Jahrs mit Schnee bedeckt; die Abhänge tragen dichte Tannenwaldungen, denen sich im Altertum am Fuß Haine von Lorbeer-, Myrten- und Ölbäumen anschlossen, und haben zahlreiche Klüfte und Abgründe. In einer derselben, am südlichen Abhang, befanden sich das delphische Orakel und die Kastalische Quelle. Etwa 250 m oberhalb Delphi und 627 m ü. M. lagen die Phädriaden, Felsen, von denen die Gotteslästerer und Tempelschänder hinabgestürzt wurden. Der Berg war dem Apollon, dem Dionysos und den Musen, auch den korykischen Nymphen geheiligt, und besonders galt die Kastalische Quelle (s. d.) als die Quelle dichterischer Begeisterung. Daher die Redensart „den P. besteigen“ für „dichten“, wie auch poetische Wörterbücher den Titel: Gradus ad Parnassum (s. d.) erhielten.