Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Parforcejagd“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 715
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Parforcejagd. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 715. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Parforcejagd (Version vom 22.12.2024)

[715] Parforcejagd (französische Jagd), die Jagd, bei welcher das Wild durch eine Meute laut jagender Hunde und durch Jäger zu Pferde so lange verfolgt wird, bis es sich vor den Hunden stellt und von den nachfolgenden Jägern abgefangen werden kann. Diese Jagdweise stammt aus dem Orient und wurde zur Zeit Karls d. Gr. in Deutschland bekannt, ihrer Kostspieligkeit wegen aber fast nur von Fürsten geübt. Am verbreitetsten war sie im vorigen Jahrhundert, wo sie sich von Frankreich aus an kleinen und großen Höfen einbürgerte. Jetzt besteht sie noch am preußischen Hof, wo auf Sauen, und in England, wo auf Füchse gejagt wird, während früher die P. auf Hirsche besonders in Dessau geübt wurde. Man benutzt bei der P. Hunde zum Vorsuchen und Bestätigen des Wildes und 50–100 und mehr eigentliche Parforcehunde, welche eigens dressiert die Meute bilden. Zu einer gewöhnlichen Jagdequipage gehören 60–70 Pferde mit einem ganzen Troß von Jagdbedienten, von welchen namentlich die 3–4 Pikeure hirschgerechte Jäger, tüchtige Reiter und gute Hornisten sein müssen. Ihnen vorgesetzt ist der Oberpikeur (Erzpikeur, Oberjäger), dem die Aufsicht über das untere Jagdpersonal etc., die Ermittelung des Wildes und bei der Jagd selbst die Aufstellung des Relais obliegt. Die Fährte des Hirsches, welcher gejagt werden soll, wird bestätigt und verbrochen, dann der Forstort, in dem er gewechselt ist, umstellt, um ihn zu Gesicht zu bekommen, wenn er herausbricht. Hierauf werden einige der besten und sichersten Hunde (Lancierhunde) auf der verbrochenen Fährte angelegt, welche man so lange jagen läßt, bis der Hirsch sich von denen, mit welchen er zusammenstand, getrennt hat. Dann werden die Lancierhunde gestoppt, und es wird die herbeigeführte Meute unter Blasen der Anjagdfanfare von den Pikeuren angelegt. Die Jägerei muß den Hunden folgen, und es werden zu dem Zweck, wenn auf Hirsche gejagt wird, welche viel ausdauernder als Sauen sind, an solchen Stellen, an welchen die Jagd voraussichtlich vorüberführen wird, Relais gestellt. Wenn der Hirsch ermüdet ist, so stellt er sich vor den Hunden entweder im Wasser (Wasserhalali) oder zu Land (Landhalali). Die Jäger sammeln sich und blasen entweder die Wasserfanfare oder à la vue, bis der oberste Jagdherr herankommt, schleichen sich an den Hirsch und schlagen ihm mit dem Hirschfänger die Heesen der Hinterläufe durch, damit er die Hunde nicht forkeln und der Jagdherr ihn durch einen Stich mit dem Hirschfänger hinter dem linken Blatt abfangen kann. Beim Wasserhalali wird der Hirsch vom Jagdherrn durch einen Kugelschuß auf den Kopf getötet. Während des Abfangens wird von der Jagdgesellschaft Halali gerufen, die betreffende Fanfare geblasen und der Hirschfänger zwei Finger breit gelüftet. Hierauf folgt die curée; die Läufe werden über den Geästen abgelöst und die Haut bis zum Knie abgeschürft. Den rechten Vorderlauf erhält der Jagdherr, die übrigen werden den Jagdgästen gegeben, welchen eine besondere Ehre erwiesen werden soll, alle tragen den ihnen zufallenden Lauf am Griff des Hirschfängers. Das Gescheide, der Wanst und das Rippenwildbret werden mit der Haut des Hirsches bedeckt, der Kopf mit dem Geweih daran gelehnt, damit die herangeführte Meute unter Blasen der Fanfare nach Abziehen der Decke das Wildbret genießt, wobei der Oberpikeur den Kopf mit dem Geweih gegen die Meute bewegt. Die Teilnehmer an der Jagd erhalten einen Eichen- oder Fichtenzweig (Bruch), welchen sie an den Hut stecken. Damit die P. ohne besondere Vorbereitungen auch in der Nähe der Hauptstädte auf Sauen abgehalten werden kann, werden Keiler eingefangen, im Saugarten gehalten und vor Beginn der Jagd aus diesem herausgelassen, um dann auf der verbrochenen Fährte die Meute anzulegen. Um zu verhindern, daß viele Hunde geschlagen werden, sägt man dem zu jagenden Keiler auch wohl die Gewehre ab (balbieren). Wenn sich der Keiler vor den Hunden stellt, wird er von dem zuerst herankommenden Mitglied der Jagdgesellschaft durch Aufheben der Hinterläufe ausgehoben, bis der Jagdherr herankommt und ihn mit dem Hirschfänger abfängt.