Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Panslawismus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 656
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Panslawismus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 656. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Panslawismus (Version vom 09.09.2021)

[656] Panslawismus, das Einheitsstreben der slawischen Stämme (Russen, Ruthenen, Tschechen, Wenden, Slowaken, Kroaten, Slowenen, Serben, Bosnier, Bulgaren u. a.), welches infolge ihrer örtlichen und staatlichen Zersplitterung, ihrer religiösen Spaltung, ihrer teilweisen Unterdrückung durch fremde Despotie in hervorragenden Geistern, besonders der westlichen Slawenstämme, im 4. Jahrzehnt des 19. Jahrh. erwachte. Eine litterarische geistige Vereinigung der Slawen wurde zuerst angeregt durch den Slowaken Johann Kollár (s. d.), fand besondern Anklang bei den Tschechen und führte zu einer ersten Manifestation des P. in dem Slawenkongreß in Prag im Juni 1848. Die panslawistischen Ideen wurden dann von Agitatoren in Österreich weiter gepflegt und durch die russischen Slawophilen Aksakow, Katkow u. a. in Rußland eifrig befördert, das, als einziger selbständiger slawischer Staat und die meisten Slawen umfassend, sich, zunächst allerdings nur in Zeitungen und Vereinen, zum Protektor aller Slawen aufwarf und bei der ethnographischen Ausstellung in Moskau im Mai 1867 von zahlreichen Deputationen slawischer Stämme auch als solcher gefeiert wurde; nur die Polen schlossen sich entschieden aus. Seitdem haben die panslawistischen Tendenzen einer politischen Einigung aller Slawen unter russischer Ägide in Rußland immer mehr Anklang und in der Moskauer Wohlthätigkeitsgesellschaft ein Zentrum gefunden als ein Mittel zu Förderung ihrer politischen Pläne, und besonders in der orientalischen Frage tritt Rußland nicht mehr bloß als Beschützer der griechischen Christen, sondern auch als der Hort der Slawen auf. Seitdem durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 die Slawen in Österreich politisch zurückgedrängt wurden, suchten auch die österreichischen Slawen, besonders die Tschechen, ihren Mittelpunkt in Rußland, dessen Kaiser „Kaiser aller Slawen“ genannt wird, und wo die Slawophilen hoffen, daß einst „alle slawischen Bäche ins russische Meer fließen“ werden. Die größere Freiheit der Bewegung, welche seit 1879 die österreichischen Slawen erlangt haben, läßt den religiösen Gegensatz zwischen Ost- und Westslawen mehr hervortreten, und auch die Balkanslawen streben mehr nach Selbständigkeit als früher, da sie den russischen Schutz nicht entbehren konnten (s. Slawen). Vgl. Häusler, Der P. (Berl. 1886, Bd. 1).