Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Palimpsést“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 630
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Palimpsést. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 630. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Palimps%C3%A9st (Version vom 18.03.2021)

[630] Palimpsést (griech., lat. Codex rescriptus), ein Pergament, von welchem die Schrift, mit der dasselbe ursprünglich beschrieben war, abgekratzt, weggewischt oder sonst unsichtbar gemacht wurde, damit man Neues darauf schreiben konnte. Da im Mittelalter das Schreibmaterial kostspielig war, so bediente man sich dieses Mittels namentlich in Klöstern häufig, um schon beschriebene Pergamentrollen wieder benutzen zu können. In neuerer Zeit ist es, zum Teil durch chemische Mittel, gelungen, die spätere Schrift zu vertilgen und die ältere wieder lesbar zu machen. Schon im 18. Jahrh. entdeckte man auf diese Weise ein Bruchstück aus dem 91. Buch des Livius, die gotische Bibelübersetzung des Ulfilas in der Wolfenbütteler Bibliothek u. a. Den Versuchen A. Mais und Peyrons gelang es, aus Palimpsesten, welche dem Kloster Bobbio im Genuesischen angehört hatten, Reste von Reden Ciceros, einen großen Teil der Schrift desselben über den Staat und Bruchstücke von den Briefen und Reden Frontos zu gewinnen. Auch die Institutionen des Gajus sind auf diese Weise (aus Veroneser Palimpsesten) entdeckt worden.