Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ostsee“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 555556
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Ostsee. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 555–556. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ostsee (Version vom 29.10.2022)

[555] Ostsee (Baltisches Meer), das große, im allgemeinen von SW. nach NO. gestreckte, in seinem nördlichen Teil gabelförmig gespaltene Meeresbecken im N. Europas, das durch den Sund, den Großen und Kleinen Belt mit dem Kattegat und der Nordsee zusammenhängt und von Dänemark, Deutschland (lübeckisches und oldenburgisches Gebiet, Mecklenburg, Preußen), Rußland und Schweden umschlossen wird. Das Becken hat eine größte Länge von 1550 und zwischen Deutschland und Schweden eine Breite von 75–220 km und bedeckt ein Areal von ca. 415,480 qkm (7546 QM.); die Küstenlänge beträgt etwa 8100 km. Die O. hat ganz den Charakter eines Binnenmeers. Die Tiefe ist sehr verschieden, im ganzen aber gering (im Mittel nur 36 m) und im allgemeinen von W. nach Osten zu abnehmend; die tiefste Stelle (395 m) findet sich bei der Insel Gotland. Das Wasser ist kälter und klarer als das des Ozeans und enthält auch infolge der geringen Verbindung mit dem offenen Meer und der zahlreichen in die O. mündenden Flüsse siebenmal weniger Salzgehalt als jener (im ganzen nur 0,49 Proz.). Mitte Dezember bilden sich an den nördlichen Meeresküsten breite Ränder von Eis, welche sich über die schmälern Buchten und Kanäle ausdehnen und die Schiffahrt auf Monate hemmen. In besonders kalten Jahren frieren nicht nur größere Teile der O. zu, wie z. B. im Winter von 1875–76 der Bottnische Meerbusen, sondern auch der ganze weite Spiegel derselben wurde schon mehrmals mit einer zusammenhängenden, festen Eisdecke überzogen, so in in den Jahren 1323, 1459 und 1709. Ebbe und Flut sind in der O. kaum bemerkbar; die Fluthöhe beträgt in der Regel nur 2–3 cm und steigt nur bei Falster auf 62 cm. Die Wellen sind an und für sich minder stark als in der Nordsee und den Seefahrten nicht gefährlich, dagegen bringt der häufig eintretende, von heftigen Stürmen begleitete Wechsel der Winde den Schiffen oft große Gefahr. Dessenungeachtet ist die Schiffahrt auf der O. sehr lebhaft, und dieselbe wird von Dampfern und Segelschiffen nach allen Richtungen hin durchkreuzt. Im Osten läuft das Meer in zwei große Meerbusen aus, nordwärts in den Bottnischen Meerbusen (zwischen Schweden und Finnland), welcher im S. durch die Alandsinseln fast ganz geschlossen wird, ostwärts in den Finnischen [556] Busen (zwischen Esthland und Finnland); südlicher liegt ein dritter großer Meerbusen, der Rigasche, von den Inseln Dagö und Ösel gedeckt. An der Südküste sind als eigentümliche Erscheinungen hervorzuheben die drei Haffe: das Kurische Haff von der Kurischen Nehrung, das Frische Haff von der Frischen Nehrung und das Stettiner Haff von den Inseln Usedom und Wollin von der O. geschieden, sowie vier Buchten: die Danziger Bucht mit der Putziger Wiek, die Pommersche Bucht mit dem Greifswalder Bodden, die Neustädter Bucht vor Lübeck und die Kieler Bucht. Von den ca. 250 Flüssen, welche sich in die O. ergießen, sind die namhaftesten: Trave, Oder, Persante, Wipper, Stolpe, Weichsel, Pregel und Memel (Niemen), aus Deutschland kommend; Windau, Düna, Narowa und Newa, aus Rußland; Torneå, Luleå, Piteå, Umeå und Dalelf, aus Schweden. Durch die Einmündung dieser Flüsse, von denen fünf zu den Hauptströmen Europas gehören, steigt das Seegebiet der O. auf ca. 12/3 Mill. qkm (30,000 QM.), welche dem größten Teil vom nördlichen Europa angehören, und dadurch vermittelt die O. den Verkehr dieser Länder mit dem Ozean und den ozeanischen Küstenländern. Außer durch die oben genannten Straßen steht die O. auch durch den Eiderkanal mit der Nordsee in Verbindung, und der Bau eines Nordostseekanals (von Kiel zur Elbemündung) hat begonnen; in gleicher Weise verbindet der Götakanal vermittelst der Seen und Flüsse Südschwedens beide Meere. Von den Inseln in der O. sind die bedeutendsten: im W. die unter dänischer Herrschaft stehenden, an den Straßen zum Kattegat, Seeland, Fünen, Falster, Laaland etc., weiter östlich Bornholm; ferner das preußische Rügen, die schwedischen Inseln Öland und Gotland, die zu Rußland gehörenden Alandsinseln, Ösel und Dagö. Die Küsten Schwedens und Finnlands sind außerdem von zahllosen Klippeninseln, sogen. Schären (Skären), umsäumt. Im übrigen sind die nördlichen Küsten der O. meist felsig und steil, während die südlichen fast durchgängig flach und sandig erscheinen. An der Küste von Schonen und Norddeutschland hat seit Jahrhunderten eine Senkung stattgefunden, während an der Küste von Finnland und der schwedischen Seite des Bottnischen Busens eine Hebung beobachtet ist. Die wichtigsten Handelshäfen an der O. sind in Dänemark: Kopenhagen; in Deutschland: Flensburg, Schleswig, Kiel, Lübeck, Rostock, Stralsund, Stettin, Swinemünde, Danzig, Elbing, Königsberg mit Pillau und Memel; in Rußland: Libau, Riga, Reval, Narwa, Kronstadt (Petersburg) und Helsingfors-Sweaborg; in Schweden: Stockholm, Karlskrona und Ystad. Vgl. v. Etzel, Die O. (3. Aufl., Leipz. 1874); „Die Expedition zur physikalischen, chemischen und biologischen Erforschung der O.“ (Berl. 1873); Ackermann, Beiträge zur physikalischen Geographie der O. (Hamb. 1883).