Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Osnabrück“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 471472
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Osnabrück. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 471–472. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Osnabr%C3%BCck (Version vom 17.08.2023)

[471] Osnabrück, ehemals reichsunmittelbares Bistum, wurde von Karl d. Gr. nach der Besiegung der Sachsen, wahrscheinlich erst 810, gestiftet. Sein Sprengel umfaßte die Länder zwischen der Ems und Hunte und war der Erzdiözese Köln unterstellt. Unter den Bischöfen Osnabrücks im Mittelalter ist am bedeutendsten Benno II. (1068–88), ein treuer Anhänger Heinrichs IV. Unter Franz, Graf von Waldeck (1532–1553), der zugleich Bischof von Minden und Münster war, fand die Reformation Eingang. In dem Westfälischen Frieden 1648 wurde festgesetzt, daß O. abwechselnd einen katholischen und evangelischen Bischof und zwar letztern aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg haben solle. Während der Regierung des evangelischen Bischofs sollte die Ausübung der geistlichen Gerechtsame über die Katholiken jedesmal dem Kurfürsten von Köln als Metropoliten übertragen werden. Der letzte evangelische Bischof war der Herzog Friedrich von York. 1802 ward das Hochstift säkularisiert und kam an Hannover; das Domkapitel ward aufgehoben und die Diözese in geistlicher Hinsicht mit dem Bistum Hildesheim vereinigt. Nach dem Tilsiter Frieden ward das Land zum Königreich Westfalen geschlagen, 1810 zum französischen Kaiserreich, in dem es einen Teil des Departements der Oberems ausmachte, und 1815 zu Hannover. Im April 1857 ward O. als exemtes Bistum wiederhergestellt. Sein Sprengel umfaßt die preußischen Regierungsbezirke O. und Aurich, ferner gehören dazu die apostolische Präfektur für Schleswig-Holstein und das apostolische Vikariat „Nordische Missionen Deutschlands“. Das Domkapitel zählt 7 Mitglieder. Nach dem am 30. Juli 1878 erfolgten Tode des Bischofs Johann Heinrich Beckmann (seit 1866), der geschickt den Konflikt mit der Regierung zu vermeiden wußte, blieb das Bistum mehrere Jahre unbesetzt; gegenwärtig ist Dr. Höting Bischof. Vgl. Stüve, Geschichte des Hochstifts O. (Jena 1853–82, 3 Bde.); Möller, Geschichte der Weihbischöfe von O. (Lingen 1887).

Osnabrück, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks und Stadtkreis der preuß. Provinz Hannover, in einem fruchtbaren Thal an der Hase, Knotenpunkt

Wappen von Osnabrück.

der Linien Löhne-Rheine, O.-Brackwede, Wanne-Bremen und O.-Piesberg der Preußischen sowie Oldenburg-O. der Oldenburgischen Staatsbahn, 65 m ü. M., hat in seinem alten Kern meist enge, winkelige Gassen und Mangel an stattlichen öffentlichen Plätzen, von denen nur der Domhof und die Domfreiheit mit dem Standbild Justus Mösers (von Drake), der Markt mit der Marienkirche, dem Rathaus und dem 1882 errichteten Stüvedenkmal sowie der Neumarkt mit dem neuen Justizpalast und dem 1880 enthüllten Kriegerdenkmal Erwähnung verdienen. Die neuen Stadtteile dagegen zeigen durchweg breite und freundliche Straßen; die niedergelegten Festungswerke zieren schöne Anlagen. Die Straßen der Stadt sind fast durchgehends kanalisiert. Von hervorragenden Gebäuden sind zu nennen: das ehemalige bischöfliche Residenzschloß, das Rathaus (aus dem 15. Jahrh.), mit den Porträten der 44 Friedensunterhändler und andern Erinnerungen an den Westfälischen Frieden, sowie eine Anzahl von Holzgiebelbauten aus dem 16. und 17. Jahrh. Von den Kirchen [472] (2 evangelischen und 2 katholischen) verdienen Erwähnung: der große kath. Dom im Übergangsstil aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh., mit vielen Kostbarkeiten, Reliquien und schönen bischöflichen Grabmälern, die gotische evang. Katharinenkirche und die St. Johanniskirche. Sämtliche Kirchen sind in den letzten Jahrzehnten restauriert worden. Die Zahl der Einwohner betrug 1885 mit der Garnison (ein Infanteriebataillon Nr. 78 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 7) 35,899, darunter 23,309 Evangelische, 12,086 Katholiken und 399 Juden. O. hat einen Bergwerks- und Hüttenverein, der aus der Georg-Marienhütte (s. d.) mit 1481 Arbeitern und einer Jahresproduktion von 64,067 Ton. Roheisen und dem Eisen- und Stahlwerk O. mit 907 Arbeitern (Produktion 30,966 T. Stahl) besteht, Bergbau auf Steinkohlen (Produktion 1885: 104,485 T.), große Steinbrüche (letztere beiden auf dem nahen Piesberg), Eisengießereien, eine Eisenbahnhauptwerkstätte, Fabrikation von Dampfkesseln, landwirtschaftlichen Maschinen, Gasuhren, Eisen-, Stahl- und Marmorwaren, Eisendraht, Drahtstiften, Pianinos, Ziegel- und feuerfesten Steinen, Fleischwaren, Pumpernickel, Maschinenöl, Wagen, Spirituosen, Papier, Tapeten, Tabak, Zigarren etc., Bierbrauerei, Flachs- und Baumwollspinnerei. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle und 2 andre öffentliche Bankinstitute, ist besonders lebhaft mit Pferden, Rindvieh, Leinwand, Getreide, Droguen etc. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten besitzt O. ein evangelisches und ein katholisches Gymnasium, ersteres mit einer ansehnlichen Bibliothek und zwei Münzsammlungen, ein Realgymnasium, ein evangelisches und ein katholisches Lehrerseminar, eine Handelsschule, eine Taubstummenanstalt, ein Museum mit vielen Altertümern und naturwissenschaftlichen Sammlungen, eine Irrenanstalt, eine Hebammenschule etc.; ferner ein Untersuchungsamt für Nahrungsmittel, ein öffentliches Schlachthaus etc. Die städtischen Behörden zählen 9 Magistratsmitglieder und 16 Stadtverordnete. O. ist Sitz einer königlichen Regierung, eines Landratsamtes für den Landkreis O., eines Landgerichts, eines Bergreviers, eines Hauptsteueramtes, ferner eines Bischofs, eines Domkapitels und eines Generalvikariats. O. ist Geburts- und Sterbeort Justus Mösers. – Zum Landgerichtsbezirk O. gehören die 16 Amtsgerichte zu Bentheim, Bersenbrück, Diepholz, Freren, Fürstenau, Iburg, Lingen, Malgarten, Melle, Meppen, Neuenhaus, O., Papenburg, Quakenbrück, Sögel und Wittlage. – Die Stadt war schon 772 eine fränkische Missionsanstalt, erhielt 888 Markt-, Zoll- und Münzrechte, war bereits 1082 umwallt, trat der Hansa bei und wußte sich trotz der bischöflichen Herrschaft eine Reihe wichtiger Freiheiten bis ins 16. Jahrh. zu erhalten. Der Dreißigjährige Krieg ruinierte den Wohlstand der Stadt, der auf der Tuchweberei beruhte; erst seit der Mitte des 18. Jahrh. begann sie sich besonders durch den ausgedehnten Leinwandhandel wieder zu heben. Hier Abschluß des Westfälischen Friedens, welcher von 1644 bis 1648 in O. und Münster verhandelt u. 24. Okt. auf dem Rathaus in O. abgeschlossen wurde. Vgl. Möser, Osnabrückische Geschichte (in dessen „Sämtlichen Werken“, Bd. 6–8); Friderici und Stüve, Geschichte der Stadt O. (Osnabr. 1816–26, 3 Bde.); E. Müller, Geschichte der Stadt O. (Berl. 1868, Bd. 1); „Mitteilungen des Historischen Vereins zu O.“ (Osnabr. 1848–82, 12 Bde.).

Der Regierungsbezirk O. (s. Karte „Hannover“) umfaßt 6206 qkm (112,69 QM.), zählte 1885: 291,125 Einw. (darunter 132,332 Evangelische, 157,206 Katholiken und 1431 Juden) u. besteht aus den 11 Kreisen:

Kreise QKilo­meter QMeilen Ein­wohner Einw. auf 1 QKilom.
Aschendorf 559 10,15 20172 36
Grafschaft Bentheim 916 16,63 31266 34
Bersenbrück 1060 19,25 43148 42
Hümling 808 14,68 15260 18
Iburg 309 5,61 25066 81
Lingen 797 14,48 29736 37
Melle 254 4,61 24662 96
Meppen 829 15,05 20773 25
Osnabrück (Stadt) 31 0,56 35899
Osnabrück (Land) 328 5,96 26790 82
Wittlage 314 5,70 18353 58

Vgl. Miquel, Der Landdrosteibezirk O. (Osnabrück 1882).