Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Offenbach“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 335336
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Offenbach. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 335–336. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Offenbach (Version vom 11.05.2024)

[335] Offenbach, Stadt in der hess. Provinz Starkenburg und Hauptort der Standesherrschaft des Fürsten von Isenburg-O.-Birstein, am Main und an den Linien Sachsenhausen-O. und Frankfurt a. M.-Bebra-Göttingen der Preußischen Staatsbahn und einer elektrischen Bahn nach Frankfurt a. M., 97 m ü. M., ist schön und regelmäßig gebaut und hat 5 Kirchen (3 evangelische, eine katholische und eine deutschkatholische), eine Synagoge, ein fürstliches Schloß und (1885) mit der Garnison (ein Füsilierbataillon [336] Nr. 118) 31,704 meist evang. Einwohner. O. ist der erste Fabrikort des Großherzogtums, hat sehr bedeutende Fabriken für chemische Produkte (Seifen, Parfümerien, Stearin, Vaselin, Lack- und

Wappen von Offenbach.

Firnisfarben, Bleiweiß, Hartgummi, Celluloid, Anilin etc.), Leder u. Lederwaren (Feuerwehrrequisiten und Militäreffekten, Portefeuilles, Albums, Damentaschen, Portemonnaies, Koffer etc.) u. Metallwaren (Werkzeugmaschinen, Nähmaschinen etc.); ferner: Wagenbau-Anstalten, Steindruckerei, Schriftgießerei, lithographische Anstalten, Fabrikation der verschiedenartigsten Papiere, von Schirmen, Elfenbeinschnitzerei, Tabaks-, Zigarren-, Schaumwein-, Zichorien-, Margarinbutter-, Zement-, Dachpappen-, Schuhwaren-, Posamenten-, Korsett-, Trikot- u. Filzwarenfabrikation, Gold- und Silberspinnerei etc. Der lebhafte Handel, unterstützt durch die günstige Lage der Stadt, durch die genannten Eisenbahnverbindungen wie durch eine Handelskammer und eine Reichsbanknebenstelle, ist besonders bedeutend in Vieh, Häuten und Fellen, Leder, orientalischem Rosenöl, Seifen etc. An Bildungsanstalten befinden sich in O. ein mit einer Realschule verbundenes Realgymnasium, eine Handels- und eine Kunstgewerbeschule. Die städtischen Behörden zählen 3 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete. Sonst ist O. Sitz eines Kreisamtes, eines Amtsgerichts, eines Hauptsteueramtes und einer Oberförsterei. – O. wird bereits 970 in Urkunden genannt und lag damals im Bann des Dreieicher Reichsforstes. 1257 kam es an die Herren von Falkenstein im Taunus, 1419 an die Herren von Sayn und die Grafen von Isenburg-Büdingen, 1486 an die Isenburger allein, die dahin 1685 übersiedelten, und nach deren Mediatisierung 1816 an Hessen-Darmstadt. Der gegenwärtige Aufschwung der Stadt, die 1816 erst 6210 Einw. zählte, datiert seit dem Anschluß des Großherzogtums Hessen an den Zollverein (1828). Vgl. Heber, Geschichte der Stadt O. (Frankf. 1838); Pirazzi, Bilder und Geschichten aus Offenbachs Vergangenheit (das. 1879).

Offenbach, Jacques, franz. Komponist, geb. 21. Juni 1819 zu Köln, erhielt seine Ausbildung auf dem Konservatorium zu Paris, machte sich zuerst als Violoncellist bekannt, lebte dann einige Jahre in Deutschland und wurde bei seiner Rückkehr nach Paris zum Kapellmeister am Théâtre français ernannt. 1855 übernahm er die Direktion der Bouffes-Parisiens und hatte hier so bedeutenden Erfolg, daß er schon nach Jahresfrist dies Theater mit einem größern in der Passage Choiseul vertauschen mußte. Später besuchte er mit seiner Truppe mehrmals die französischen Provinzen, England und einige Städte Deutschlands (Köln, Wien, Berlin), trat aber, nach Paris zurückgekehrt, 1866 von der Leitung des Unternehmens zurück und widmete sich ausschließlich der Komposition. Von seinen zahlreichen Operetten zeigen die frühern, z. B. „Die Verlobung bei der Laterne“, „Das Mädchen von Elizondo“, „Fortunios Lied“, „Herr und Madame Denis“ etc., die den besten Mustern der französischen komischen Oper eigne Anmut und Grazie sowie Züge echter Komik; die spätern aber, wie z. B. „Orpheus in der Unterwelt“, „Genoveva“, „Die Seufzerbrücke“, „Die schönen Weiber von Georgien“, „Die schöne Helena“ u. a., nähern sich mehr und mehr der Posse und können eine künstlerische Bedeutung um so weniger beanspruchen, als hier sowohl der Komponist wie seine Dichter (meist Meilhac und L. Halévy) dem während des zweiten Kaiserreichs tief gesunkenen Geschmack des Pariser Publikums die weitestgehenden Zugeständnisse gemacht haben. Außer den genannten brachte er noch die folgenden, größtenteils zu europäischem Ruf gelangten Operetten zur Aufführung: „Die beiden Blinden“, „Bataclan“, „Pepito“, „Dragonette“, „Croquefer“, „Die Rose von St.-Flour“, „Die Damen der Halle“, „Blaubart“, „Die Großherzogin von Gerolstein“, „Pariser Leben“ etc. Seine Versuche auf dem Felde der höhern musikalischen Dramatik, wie die komische Oper „Barcouf“ (1860) und die romantische Oper „Die Rheinnixe“, die 1864 in Wien gegeben ward, hatten keinen Erfolg. O. starb 5. Okt. 1880 in Paris. Eine von ihm hinterlassene komische Oper: „Les contes d’Hoffmann“, gelangte Anfang 1881 in Paris und Deutschland mit zweifelhaftem Erfolg zur Aufführung.