MKL1888:Nestorĭaner
[65] Nestorĭaner, Partei innerhalb der orientalischen Kirche, genannt nach ihrem angesehensten Führer, Nestorius. Derselbe war Presbyter in Antiochia gewesen und 428 zum Patriarchen von Konstantinopel erhoben worden. Sofort machte man es ihm zum Vorwurf, daß er lehrte, das Göttliche und das Menschliche in Jesus habe auch nach der Vereinigung zu Einer Person sein eigentümliches Wesen bewahrt, und man dürfe daher Maria nicht als Gottesgebärerin, sondern nur als Christusgebärerin bezeichnen. Der Patriarch Cyrillus von Alexandria klagte ihn an, daß er die beiden Naturen in Christus zu zwei Personen mache, und das dritte allgemeine Konzil zu Ephesos 431 verdammte des Nestorius Ansichten. Er selbst wurde abgesetzt und von Ort zu Ort geschleppt, bis er um 450 eines kläglichen Todes starb. Aber noch länger als zwei Jahrhunderte dauerte der Streit, wozu er Anlaß gegeben (s. Christologie). Die seit 435 in Syrien konstituierte Partei der N. flüchtete später vor den Verfolgungen der Reichskirche nach Persien, Mesopotamien, Arabien, nannte sich aber nach ihrem frühern Wohnsitz und ihrer Kirchensprache chaldäische Christen. Auf dem Konzil zu Seleukia (498) formulierte die persische Kirche ihr von dem der katholischen Kirche abweichendes Dogma in dem oben angegebenen Sinn. Ihr Kultus ist bildlos und einfach. Das Priestercölibat ist nicht durchgeführt. Als Träger der einst in Antiochia, Edessa und Nisibis blühenden Theologie, sodann als Pfleger der [66] Philosophie und Medizin übten sie vorzeiten eine kulturhistorische Mission, und manche von ihnen bekleideten während der arabischen Herrschaft sogar hohe Stellen im Staat. Erst Tamerlan zerstörte die nestorianische Kirche in fast ganz Asien, so daß sich die Reste in die Gebirge Kurdistans zurückzogen. Dagegen begannen schon unter Alexander III., Innocenz IV. und Nikolaus IV. die Unionsversuche mit der römischen Kirche, infolge welcher die N. 1551 über die Wahl eines neuen Bischofs unter sich zerfielen. Ein Teil trat zur römischen Kirche über und bildete die sogen. unierten N., die man jetzt gewöhnlich chaldäische Christen nennt. Sie zählen etwa 20,000 Seelen, erkennen den päpstlichen Primat an und beobachten den Ritus der griechischen Kirche; ihr Patriarch hat seinen Sitz zu Diarbekr. Die nichtunierten N. in Mesopotamien, Persien und Syrien haben nur die Sakramente Taufe, Abendmahl (ohne Wandlung) und Priesterweihe; ihre Geistlichen dürfen sich verheiraten. Ihre Zahl beträgt etwa 300,000 Seelen. Die nach Indien zersprengten N. heißen Thomaschristen; sie mußten sich 1599 Rom unterwerfen. Vgl. Percy Badger, The Nestorians and their rituals (Lond. 1852, 2 Bde.); Germann, Die Kirche der Thomaschristen (Gütersl. 1877).