Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nationalfarben“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 3
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Nationalfarben. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 3. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Nationalfarben (Version vom 23.09.2022)

[3] Nationalfarben, ein in der neuern Zeit den mehr dynastischen Landeswappen an die Seite gestelltes nationales Symbol, das lediglich aus zwei oder mehr Farben besteht. Nur innerhalb der ihnen genau angewiesenen Folge bilden die Farben die N. eines Landes. Die N. werden gegenwärtig vorzugsweise in Fahnen zur Schau getragen, die bei feierlichen Gelegenheiten auf öffentlichen und Privatgebäuden aufgezogen oder ausgehängt werden. In den Freundschaftsverträgen zwischen verschiedenen Nationen wird den diplomatischen Agenten in der Regel das Recht zugesichert, von den N. in der erwähnten Weise Gebrauch machen zu dürfen. Das Herabreißen einer solchen Fahne ist eine schwere Beschimpfung der betreffenden Nation, für die nach dem Völkerrecht Genugthuung gewährt werden muß. Die Schiffe einer Nation erhalten (in Deutschland auf Grund eines Flaggenattestes) das Recht zur Führung der N. Außerdem kommen dieselben bei der Landarmee in Fahnen, Kokarden (s. d.), Feldbinden, Portepees u. dgl. zur Anwendung. Die N. sind als solche durchaus modernen Ursprungs, obgleich sie nicht selten auf eine ältere Quelle, die Wappenfarben, zurückführen. Deutschland hat erst mit Errichtung des Norddeutschen Bundes, dessen Farben auf das Deutsche Reich übergingen, N. erhalten; denn die Farben Schwarz-Rot-Gold waren die Burschenschaftsfarben. Daß sich die N. in Deutschland nicht früher nachweisen lassen, erklärt sich durch die territoriale Zerklüftung des alten Reichs und das mangelnde nationale Bewußtsein. Die Farben der einzelnen Territorien sind, wo sie vorkommen, mehr fürstliche Hausfarben, die sich nicht immer an das Wappen anlehnen. So waren nach dem Zeugnis des kaiserlichen Herolds Francolin 1560 Gelb-Schwarz-Weiß die Farben der „königlichen Würde“ von Böhmen, während die Farben des böhmischen Wappens Rot-Weiß sind. Schwarz-Weiß (-Silber) waren ursprünglich die Hausfarben der fränkischen Hohenzollern. Es zeigt sich zwar in den Wappen des Uradels eine zuweilen frappierende provinzielle Vorliebe für gewisse Farben, z. B. in Franken für Rot-Weiß; doch ist durch diese Thatsache die Existenz von Landesfarben noch keineswegs erwiesen. Die N. dürften nicht hinter die Trikolore der ersten französischen Republik zurückzudatieren sein. S. die Tafeln „Flaggen“ und die Übersicht der Landesfarben bei Tafel „Wappen“. Vgl. Grenser, Die National- und Landesfarben von 130 Staaten (2. Aufl. 1881).